Ein Aktivist auf einem Baum im Wald in der Nähe der Tesla-Fabrik in Grünheide
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Wald nahe Berlin besetzt

Tesla mit wachsendem Protest konfrontiert

Der US-Autohersteller Tesla ist einmal mehr mit heftigem Gegenwind konfrontiert: Am Donnerstag besetzten erste Umweltaktivistinnen und -aktivisten einen Wald beim Tesla-Gelände in Grünheide und richteten sich dort häuslich ein. Gegen die geplante Erweiterung der Fabrik wollen sie Widerstand leisten und stellen sich auf eine längere Zeit im Wald ein.

Die Gemeinde Grünheide in Brandenburg ist an sich die reine Idylle: Der Name ist Programm, große Waldflächen reihen sich hier an eine Seenplatte samt Naturschutzgebiet. Doch seit 2022 liegt in Grünheide, rund 30 Kilometer Luftlinie vom Zentrum Berlins, auch eine Betonwüste von rund 300 Hektar: die europäische Tesla-Gigafactory, eine der größten Elektroautofabriken Deutschlands und die erste und bisher einzige Tesla-Fabrik in Europa.

Nun will Tesla das Gelände erweitern, dafür müssten 100 Hektar Wald abgeholzt werden. Man will einen Güterbahnhof, Lagerhallen und einen Betriebskindergarten errichten.

Protest im Baumhaus

Schon gegen die Errichtung ab dem Jahr 2020 gab es heftige Proteste von Umweltschutzorganisationen, die Anrainerinnen und Anrainer wurden nie recht warm mit dem neuen großen Nachbarn. Die neuen Erweiterungspläne von Tesla wurden bei einem Bürgerentscheid kürzlich auch mehrheitlich abgelehnt. Die Gemeindevertretung entscheidet nun voraussichtlich im Mai über den Bebauungsplan.

In der Kritik steht Tesla auch, weil nach amtlichen Messungen bestimmte Abwasserwerte in Grünheide überschritten wurden. Die Menschen in Grünheide fürchten um ihr Grundwasser. Der zuständige Wasserverband Strausberg-Erkner kam deshalb am Freitag zu einer Sondersitzung zusammen. Das Ergebnis: Tesla muss derzeit nicht mit einem Stopp seiner Abwasserentsorgung rechnen.

Die Verbandsversammlung kam aber nicht zu einer Einigung, die Beschlussvorlage zu einem Entsorgungsstopp wurde vertagt. Tesla hatte den Wasserverband zuvor gewarnt: „Ihnen ist bekannt, dass der Stopp einer Einleitung der Abwässer der Gigafactory zu einem Produktionsstopp der Gigafactory führen würde. Ein solcher Beschluss verursacht täglich einen Schaden in Millionenhöhe“, hieß es in einem Schreiben des Unternehmens.

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Aktivisten in einem Wald in Grümnheide in der Nähe der Tesla-Fabrik
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Die Tesla-Fabrik in Grünheide
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Aktivisten in einem Wald in Grünheide in der Nähe der Tesla-Fabrik
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Leere Wärmeflaschen in Grünheide im Camp für Aktivisten, die gegen die Tesla-Fabrik demonstrieren
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Aktivisten in einem Wald in Grünheide in der Nähe der Tesla-Fabrik
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Neue Proteste gegen die Erweiterung waren daher abzusehen – doch die Aktivistinnen und Aktivisten kamen dieses Mal nicht nur mit einem Demozug und Transparenten, sondern auch mit Baumhäusern und Proviant. Seit Donnerstagnacht wurde im Wald beim Fabriksgelände ein Camp errichtet, rund 80 bis 100 Aktivistinnen und Aktivisten hielten sich zu Beginn des Wochenendes dort auf. Sie errichteten Baumhäuser in mehreren Meter Höhe, spannten Seile zwischen den Kieferbäumen und schlugen Zelte auf.

Polizei lässt vorerst gewähren

Die Polizei ließ die Aktivisten gewähren und beobachtet das Geschehen. Der Protest könne bis zum 15. März fortgesetzt werden, wie die Polizei entschieden hatte. Da die Versammlung aber nicht angemeldet gewesen sei, sei ein Strafverfahren wegen eines Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz eingeleitet worden, sagte ein Sprecher am Freitag.

Die Camper aber wollen so lange protestieren, wie in ihren Augen nötig: „Je länger die Besetzung dauert, desto besser“, sagte eine Sprecherin der Initiative „Tesla stoppen“. Sie rief weitere Unterstützer auf, das Camp zu besuchen und noch Material wie Bauholz, Sägen, Kletterausrüstung und Hängematten mitzubringen. „Wir hoffen, dass noch mehr Leute vorbeikommen.“ Man sei gesprächsoffen, lasse sich „aber nicht aus dem Wald verdrängen“. Für das ganze Wochenende waren noch einige Protestveranstaltungen im Wald geplant.

„Was muss noch passieren, damit die Politik reagiert und endlich Menschenwohl vor Profitinteressen gestellt wird“, sagte Lou Winters vom Bündnis „Tesla den Hahn abdrehen“ am Samstag. „Unser Protest hat gerade erst angefangen und wird noch größer werden“, kündigte Winters an. Am 10. März sei eine Demonstration aus Protest gegen Tesla geplant. Im Mai solle es weitere Aktionen geben. „E-Mobilität genießt derzeit einen grünen Anstrich, sie ist aber keine Lösung für die Klimakrise“, argumentierte Winters. Sie forderte einen ausgebauten und kostenlosen öffentlichen Nahverkehr.

Schweigen bei Tesla

Tesla äußerte sich nicht zu dem Protestcamp neben der Fabrik – so wie auch die gesamte Kommunikationsstrategie des Konzerns manche verwundert. Die Unternehmensverbände Berlin-Brandenburg (UVB) rieten Tesla nun gar öffentlich zu einer offeneren Informationspolitik. „Es ist eine ein bisschen ungewöhnliche Strategie, mit niemandem zu sprechen, außer mit den zuständigen Stellen“, sagte der UVB-Hauptgeschäftsführer Alexander Schirp am Freitag im RBB-Inforadio.

„Da ist sehr viel Luft nach oben, weil man ja Botschaften senden kann, die auch die Kraft haben zu überzeugen“, meinte Schirp. So sei kaum bekannt, dass Tesla für das Werk „keinen einzigen Euro Fördergeld“ vereinnahmt habe. 1.200 der 12.000 Beschäftigten – also ein Zehntel – seien aus der Arbeitslosigkeit heraus eingestellt worden.

Widerstand auch anderswo

Schon länger und auch äußerst konsequent wird auch in Skandinavien gegen Tesla protestiert: Seit knapp vier Monaten zieht ein Streik der Gewerkschaft IF Metall zunehmend weite Kreise. Zunächst waren es rund 130 Tesla-Beschäftigte, die ihre Arbeit niederlegten, um den Konzern zu einem Kollektivvertrag zu zwingen. Sukzessive schlossen sich andere Branchen und Gewerkschaften dem Streik an, von Hafenarbeitern, die keine Autos mehr verluden, bis hin zum Reinigungspersonal der Tesla-Büros.

Inzwischen solidarisierte sich sogar die Dienstleistungs- und Kommunikationsgewerkschaft Seko mit den Tesla-Bestreikern. Das bedeutet, dass keine neuen Ladestationen für Tesla angeschlossen oder geplant werden. Auch Gewerkschaften in Dänemark, Norwegen und Finnland unterstützen den Arbeitskampf.

Kürzlich kündigte die IF Metall an, einzelne Reparaturen an Tesla-Fahrzeugen wieder zuzulassen. Die geplante Ausnahmeregelung solle Tesla-Besitzern helfen, „die am härtesten von dem Konflikt betroffen sind“ – aber nicht in reinen Tesla-Werkstätten, sondern nur in solchen, die sich um Marken verschiedener Hersteller kümmern. Bisher lenkte Tesla-Chef Elon Musk, der als Gewerkschaftsgegner gilt, nicht ein, eine Einigung scheint in weiter Ferne. Ob er den Aktivistinnen und Aktivisten in Grünheide entgegenkommen will, ist unklar.