Bild zeigt Alexej Nawalny während der Trauerfeier in Moskau
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Nawalny beigesetzt

Schikanen und Dutzende Festnahmen

Tausende Menschen haben am Freitag an der Beisetzung des in Haft gestorbenen Kreml-Kritikers Alexej Nawalny teilgenommen und damit allen Einschüchterungsversuchen des russischen Regimes getrotzt. Sicherheitskräfte hatten vor der Kirche und auf dem Friedhof eine beispiellose Drohkulisse aufgebaut. Landesweit wurden Dutzende Menschen festgenommen.

Die Polizei nahm nach Angaben der Nichtregierungsorganisation OWD-Info landesweit mehr als 100 Menschen im Zusammenhang mit den Trauerbekundungen fest. Die meisten Festnahmen habe es mit 31 Personen in Nowosibirsk gegeben, erklärte die Organisation auf Telegram. 17 Menschen seien in Moskau festgenommen worden, wo ein enormes Polizeiaufgebot Tausende Menschen nicht daran hindern konnte, an der Zeremonie teilzunehmen. In den meisten Fällen wurden die Betroffenen nach kurzer Zeit wieder auf freien Fuß gesetzt.

„Nawalny, Nawalny“, riefen sie, als der Sarg vor einer Kirche im Bezirk Marjino im Südosten Moskaus eintraf. Es wurde geklatscht, viele weinten, einige hatten Blumen mit. Auch die Botschafter Deutschlands, Frankreichs und der USA sowie russische Oppositionspolitiker waren anwesend. Das Team des Kreml-Kritikers hatte nach eigenen Angaben Schwierigkeiten, einen Ort für den Trauergottesdienst zu finden. Zudem sollen sich mehrere Bestattungsunternehmen geweigert haben, den Leichnam zu transportieren.

Nawalny beigesetzt: Viele Trauernde in Moskau

Der Kreml-Kritiker Alexej Nawalny ist auf dem Moskauer Borisow-Friedhof beigesetzt worden. Zuvor gab es eine Trauerfeier in einer nahe gelegenen Kirche. Tausende Trauernde nahmen an der Beerdigung teil.

Großaufgebot von Sicherheitskräften

Auf dem Platz vor der Kirche waren Absperrungen aus Metall aufgebaut, zahlreiche Gefangenentransporter umkreisten die Menge, ein Großaufgebot von Sicherheitskräften war an Ort und Stelle. Der Kreml hatte vor Beginn der Trauerfeier vor der Teilnahme an „nicht genehmigten“ Versammlungen gewarnt. Wer an einer solchen Kundgebung teilnehme, werde „gemäß dem geltenden Recht zur Verantwortung gezogen“, hatte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow gesagt.

An der Trauerfeier in der überfüllten Kirche nahmen auch Nawalnys Eltern teil. Zunächst blieb Nawalnys Sarg beim Gottesdienst geöffnet, wurde aber unmittelbar danach geschlossen. So konnten viele Trauernde dem Oppositionspolitiker nicht wie erhofft am offenen Sarg die letzte Ehre erweisen.

Trauermarsch am Weg zum Begräbnis
Reuters
Tausende Menschen kamen, um sich zu verabschieden

Soundtracks von „Terminator 2“

„Wir werden dich nicht vergessen“ und „Vergib uns!“, riefen einige der Trauernden, als der Sarg anschließend zur Beerdigung am Borisowski-Friedhof nahe dem Moskwa-Ufer gebracht wurde. Nawalny sei zu den Klängen des Soundtracks von „Terminator 2“ beigesetzt worden, den der Kreml-Kritiker für den „besten Film aller Zeiten“ gehalten habe, erklärte seine Sprecherin Kira Jarmisch. „Auf Wiedersehen, mein Freund“, schrieb der Nawalny-Unterstützer Iwan Schdanow im Onlinedienst Telegram.

Polzisten kontrollieren Absperrung hinter der Menschenmenge steht
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Zahlreiche Polizeikräfte waren im Einsatz

Witwe dankt für „absolutes Glück“

Die Witwe Julia Nawalnaja, die Tochter Darja und der Sohn Sachar nahmen nicht an der Trauerfeier teil, weil sie zu ihrer eigenen Sicherheit im Ausland sind. Nawalnys Frau hatte den russischen Präsidenten Wladimir Putin des Mordes an ihrem Mann bezichtigt. In einer Abschiedsbotschaft in den Onlinenetzwerken dankte Nawalnys Witwe ihrem Mann für „26 Jahre absolutes Glück“. „Ich weiß nicht, wie ich ohne dich leben soll, aber ich werde mein Bestes tun, damit du dort oben glücklich und stolz auf mich sein kannst“, sagte sie.

Vorkehrungen am Grab von Nawalny wurden getroffen
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Friedhofsangestellte bereiten die Grablege von Nawalny vor

Auch Nawalnys Team ist nicht im Land, weil seinen Mitarbeitern, die als Extremisten gelten, ebenfalls eine Festnahme droht. Vertraute Leonid Wolkow und Ruslan Schaweddinow moderierten auf YouTube einen Livestream. In den Staatsmedien spielte die Beisetzung kaum eine Rolle. Die Nachrichtenagentur RIA vermeldete das Ereignis und wies auf die Vergehen Nawalnys hin, für die er verurteilt worden war, unter anderem Betrug und Extremismus. Nawalny selbst hatte die Vorwürfe stets zurückgewiesen.

Menge ruft „Nein zum Krieg!“

Nach der Beisetzung bekundete eine Menschenmenge in der Nähe des Friedhofs ihren Protest gegen die vor mehr als zwei Jahren von Russland gestartete Militäroffensive gegen die Ukraine. „Nein zum Krieg!“ und „Wir werden nicht verzeihen“, skandierten die dort versammelten Nawalny-Anhänger. Die Polizei ließ die Demonstrantinnen und Demonstranten gewähren.

Mutter von Alexey Nawalny
Reuters/Alexei Navalny Youtube Channel
Nawalnys Mutter forderte standhaft ein öffentliches Begräbnis

Nawalnys Witwe hatte am Mittwoch vor möglichen Polizeiaktionen während der Trauerfeier gewarnt. „Ich weiß nicht, ob es eine friedliche Beerdigung wird, oder ob die Polizei Menschen festnehmen wird, die sich von ihm verabschieden wollen“, sagte Nawalnaja im Europaparlament. Nach Angaben der russischen Menschenrechtsgruppe OWD-Info wurden seit Nawalnys Tod bereits 400 Menschen bei Trauerkundgebungen für den Kreml-Kritiker festgenommen.

Nawalny war nach Angaben der russischen Behörden am 16. Februar in einer russischen Strafkolonie in der Arktis gestorben, wo er eine 19-jährige Haftstrafe absaß. Den Angaben zufolge starb er eines „natürlichen Todes“, die genauen Umstände sind allerdings weiter unklar. Die Behörden hatten acht Tage lang die Herausgabe der Leiche verweigert.

Kreml hat Familie „nichts zu sagen“

Nawalnys Angehörige vermuteten dahinter den Versuch, die Beteiligung der Behörden an dessen Tod „zu vertuschen“. Anhänger und zahlreiche westliche Politiker machen die russische Führung und Kreml-Chef Putin für den Tod des 47-Jährigen verantwortlich. Moskau weist die Anschuldigungen zurück. Kreml-Sprecher Peskow sagte am Freitag, er habe Nawalnys Familie „nichts zu sagen“.

Unterdessen wurde bekannt, dass Gerichte in einigen Regionen der Russischen Föderation den Namen „Nawalny“ als verbotene extremistische Symbolik klassifiziert haben. Auf dieser Grundlage seien Personen, die den Namen auf Plakate schrieben, zu Verwaltungsstrafen verurteilt worden. Das berichtete die NGO „Erste Abteilung“, die von einer Anweisung aus Moskau ausgeht.