Dacia Maraini präsentiert einstiges Romandebüt in Wien

Genau sechzig Jahre nach der Erstübersetzung ihres Romans „Tage im August“ stellt die Grande Dame der italienischen Literatur, Dacia Maraini, ihr Romandebüt, das der Folio-Verlag in der Neuübersetzung von Ingrid Ickler nochmals herausgebracht hat, heute in Wien vor. Maraini ist Stargast beim Festival der italienischen Literatur im Wiener Odeon und mit 87 umtriebig wie nie.

Dass sie ihren ersten Roman mit im Gepäck ihrer Lesereisen zwischen Europa und ihrer Kindheitsheimat Japan habe, liegt für die Autorin, die lange mit dem Schriftsteller Alberto Moravia verheiratet war, an der Aktualität des politischen Rahmens des Buches, wie sie im Interview mit dem ORF im Vorfeld verriet: Ihre Heldin, Anna, sei ihr als Autorin mittlerweile entwachsen, doch alle Themen dieses 1943 im italienischen Faschismus und Zweiten Weltkrieg angesiedelten Romans kehrten „leider wieder“. Und jetzt läge das Buch auch in der Sprache unserer Zeit vor, so Maraini.

Dacia Maraini mit ihrem Buch
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Ein Buch, das ein handfester Skandal war

„La vacanza“, so der Titel des Originals, war beim Erscheinen ein handfester Skandal, thematisierte Maraini darin ja das sexuelle Erwachen einer 14-Jährigen während eines Sommers, an dem im Norden die faschistische Republik Salo ausgerufen worden war und im Süden die Alliierten bereits auf italienischem Boden auf dem Vormarsch waren. „La vacanza“ wird besonders in Italien als doppeldeutiger Titel verstanden, er verhandelt nicht nur die Ideen von Ferien und Befreiung, sondern spielt auch auf das Abwesende, die Leere an, die alles persönliche Erwachen überdecken kann.

Für die Gegenwart konstatiert Maraini Sehnsüchte, wie sie damals artikuliert worden seien – und eine bedrohliche Abkehr von demokratischen Grundwerten. Dass die Rechte mit ihren Sehnsüchten nach einer heilen Familie gesellschaftliche Errungenschaften wie Rechte für Homosexuelle zurückdrehen wolle, sieht sie auch als Resultat eines Vakuums, das sich im anderen Teil der Gesellschaft gebildet habe. „Letztlich“, so ihre Kritik, „hat sich das linke Spektrum fragmentiert und verabsäumt, auf den gesellschaftlichen Wandel, den es ja selber mitgestaltet hat, mit neuen Visionen zu reagieren.“