Menschen stehen in Deir El-Balah (Gazastreifen) in den Trümmern einer zerstörten Moschee
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Kairo

Neuer Anlauf für Feuerpause in Gaza

Die Bemühungen für eine Feuerpause im Gaza-Krieg gehen weiter: Am Sonntag sollen wieder Verhandlungen geführt werden. Laut US-Vertretern steht ein Rahmen für eine mögliche Einigung – offen scheint, ob beide Seiten wirklich zustimmen. Unterdessen gehen die Angriffe in Gaza weiter, der Weltsicherheitsrat mahnte den Schutz von Zivilisten und Zivilistinnen ein.

Ranghohe Vertreter der US-Regierung hatten am Samstag gesagt, der Rahmen für eine mögliche Einigung stehe, und die Israelis hätten diesen „mehr oder weniger akzeptiert“. Das Zustandekommen einer Einigung hänge nun allein an der radikalislamischen Hamas. Ein Hamas-Vertreter erklärte laut dpa, dass es noch Hindernisse gebe, für die die israelische Seite verantwortlich sei. Hauptgrund sei das Zeitlimit. Israel manövriere bei dem Thema herum.

Die Vermittlungsgespräche sollen nach Informationen des ägyptischen Fernsehsenders al-Kahira News TV am Sonntag in Kairo weitergehen. Demzufolge sollen Delegationen der Hamas und der vermittelnden Vertreter der USA und Katars bereits eingetroffen sein. Israel soll laut dem Fernsehsender auch zu den Verhandlungen kommen.

Am Freitag hatte es in einem Bericht des Nachrichtenportals Axios allerdings noch geheißen, Israel wolle an keiner neuen Runde der von Ägypten, Katar und den USA vermittelten Gespräche teilnehmen, solange die Hamas keine Liste der noch lebenden Geiseln vorlegt.

Zahlreiche Forderungen

Laut israelischer Schätzung sollen sich derzeit noch etwa 100 lebende Geiseln in der Gewalt der Hamas befinden. Laut Medienberichten sollte einem Vorschlag der Vermittler zufolge möglichst noch vor dem muslimischen Fastenmonat Ramadan, der um den 10. März beginnt, eine sechswöchige Waffenruhe in Kraft treten. In der Zeit sollten 40 israelische Geiseln gegen rund 400 palästinensische Häftlinge ausgetauscht werden.

Ein ranghoher Hamas-Funktionär sagte am Sonntag der Nachrichtenagentur AFP, eine Waffenruhe könne „innerhalb von 24 bis 48 Stunden“ erreicht werden, wenn Israel die Forderungen der Hamas akzeptiere. Dazu gehören laut Angaben unter anderem ein vollständiger militärischer Rückzug Israels aus Gaza und die „Einfuhr von mindestens 400 bis 500 Lastwagen pro Tag“ mit Lebensmitteln, Medikamenten und Treibstoff. Eine zeitlich begrenzte Waffenruhe werde abgelehnt.

Ganz trifft US-Vizepräsidentin Harris

Am Montag wird der israelische Minister Benni Ganz, Mitglied des Kriegskabinetts, zu Gesprächen mit US-Vizepräsidentin Kamala Harris im Weißen Haus erwartet, wie unter anderem die „New York Times“ am Samstag (Ortszeit) berichtete. Harris soll mit Ganz über die Dringlichkeit eines Abkommens zur Befreiung von Geiseln und die Feuerpause sowie über die Notwendigkeit von mehr Nahrungsmitteln und Hilfsgütern für die palästinensische Zivilbevölkerung sprechen.

Gaza: Weltsicherheitsrat fordert Schutz von Zivilisten

Der Weltsicherheitsrat hat im Gaza-Krieg zwischen Israel und der radikalislamischen Palästinenserorganisation Hamas den Schutz der notleidenden palästinensischen Zivilisten und Zivilistinnen in dem abgeriegelten Küstenstreifen und humanitäre Soforthilfe eingemahnt.

Weltsicherheitsrat mahnt Schutz von Zivilisten ein

Der Weltsicherheitsrat mahnte unterdessen den Schutz der Zivilisten und Zivilistinnen in dem abgeriegelten Küstenstreifen an. „Die Parteien wurden nachdrücklich aufgefordert, den Zivilisten im Gazastreifen die Grundversorgung und humanitäre Unterstützung nicht vorzuenthalten“, hieß es in einer gestern (Ortszeit) in New York veröffentlichten Mitteilung der Vereinten Nationen.

Palästinenser im Gazastreifen mit per Falschirm abgeworfenen Hilfspaketen
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Die USA werfen über Luftbrücke Hilfspakete in Gaza ab

Der Weltsicherheitsrat forderte erneut, „die sofortige, schnelle, sichere, nachhaltige und ungehinderte Bereitstellung“ humanitärer Hilfe in großem Umfang zu ermöglichen und zu erleichtern. Israel wurde zudem in der Erklärung aufgefordert, die Grenzübergänge für humanitäre Hilfe geöffnet zu halten und die Öffnung zusätzlicher Übergänge zu ermöglichen.

Ferner zeigten sich die Mitgliedsstaaten besorgt über die Berichte zur kürzlichen Katastrophe rund um einen Hilfskonvoi im Norden des Gazastreifens, bei dessen Ankunft nach Angaben der Hamas mehr als 100 Menschen ums Leben gekommen sein sollen. Eine direkte Schuldzuweisung wurde vermieden. In der Mitteilung hieß es, dass israelische Streitkräfte involviert gewesen seien, als eine große Menschenansammlung einen humanitären Hilfskonvoi südwestlich der Stadt Gaza umgeben habe.

Israel: Gedränge Ursache für Tote bei Hilfskonvoi

Das israelische Militär gab dazu am Sonntag bekannt, dass das Massengedränge die Ursache für die meisten Todesfälle war. Die meisten Opfer seien erdrückt worden, aus dem Gedränge heraus seien dann israelische Soldaten angegriffen worden. Diese hätten Warnschüsse abgegeben und einzelne Plünderer erschossen, die die Soldaten bedroht hätten. Das habe eine vorläufige Untersuchung durch das Militär ergeben, der eine weitere Untersuchung durch eine unabhängige Kommission folgen solle.

USA warfen Tausende Mahlzeiten aus der Luft ab

Die humanitäre Lage in dem abgeriegelten Küstenstreifen spitzt sich seit Wochen dramatisch zu. Vertreter der Vereinten Nationen warnten zuletzt im Weltsicherheitsrat vor dem Hungertod Tausender Zivilisten. Transportflugzeuge des US-Militärs warfen am Samstag etwa 38.000 Mahlzeiten ab, wie das Regionalkommando des US-Militärs mitteilte. Es habe sich um eine gemeinsame Aktion mit der jordanischen Luftwaffe gehandelt. Es liefen Planungen für weitere solcher Einsätze.

Die abgeworfene Hilfe mag die Not etwas lindern, vor allem in Gebieten, die wie der Norden Gazas mit Hilfslieferungen auf dem Landweg nur schwer oder gar nicht zu erreichen sind. UNO-Organisationen weisen allerdings darauf hin, dass die Mengen, die durch Abwürfe geliefert werden können, eher gering sind.

Die Hamas gab am Sonntag bekannt, dass mindestens 15 Kinder in den letzten Tagen im Kamal-Adwan-Spital im Gazastreifen an Unterernährung und Dehydrierung gestorben sind. Weitere sechs Kinder würden auf der Intensivstation liegen und unter Mangelernährung und Durchfall leiden. Es gebe keinen Stromgenerator und keinen Sauerstoff mehr an Ort und Stelle.

WHO über Angriffe in Rafah: „Empörend und unsäglich“

Eine scharfe Reaktion löste am Samstag ein mutmaßlicher israelischer Luftangriff auf die im Süden Gazas gelegene Stadt Rafah aus. Der Chef der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zeigte sich aufgebracht über Berichte über den Tod mehrerer Palästinenser. Diese seien „empörend und unsäglich“, schrieb Tedros Adhanom Ghebreyesus auf X (Twitter).

Laut der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde starben dabei mindestens elf Menschen. Die Angaben ließen sich zunächst nicht unabhängig überprüfen. Unter den Getöteten seien zwei Mitarbeiter des Gesundheitswesens, so der WHO-Chef. Gesundheitspersonal und Zivilisten müssten jederzeit geschützt werden. „Wir fordern Israel dringend auf, das Feuer einzustellen.“

Israels Militär hatte am Abend mitgeteilt, die Armee habe eine Gruppe von Kämpfern der mit der Hamas verbündeten Miliz Islamischer Dschihad angegriffen. In Rafah leben derzeit rund 1,5 Millionen Menschen auf engstem Raum. Bei den meisten von ihnen handelt es sich um Flüchtlinge, die aus anderen Teilen Gazas vor den Kämpfen geflohen sind. Auch in Chan Junis griff die Armee rund 50 Ziel der Hamas an. Unter anderem hätten die Luft- und Artillerieschläge Tunnel, Bunker, Stützpunkte und Raketenabschussstellungen der Hamas zerstört, hieß es.