Nach israelischem Luftschlag beschädigtes Gebäude in Rafah, Gaza
AP/Fatima Shbair
Vor Ramadan

Druck auf Israel und Hamas steigt

Bis zum Beginn des islamischen Fastenmonats Ramadan am 10. März hat Israel die Frist für eine Bodenoffensive in Rafah im Süden des Gazastreifens gesetzt. Das setzt sowohl Israel als auch die Hamas unter Druck, sich auf eine Feuerpause zu einigen.

Seit Wochen bemühen sich internationale Vermittler – allen voran Katar, die USA und Ägypten – um eine Waffenruhe vor Beginn des Ramadan. Am Wochenende wurden die Verhandlungen in Kairo fortgesetzt, am Montag sollen sie weitergehen. Im ägyptischen Staatsfernsehen hieß es am Montag, dass es einen „bedeutenden Fortschritt“ gegeben habe.

Der Beginn des Ramadan setze sowohl die Hamas als auch Israel unter Druck, so ORF-Korrespondent Karim El-Gawhary. Die Menschen im Gazastreifen hoffen auf humanitäre Hilfe. Entsprechend forderte die Hamas – nicht zuletzt für ihr Standing im Gazastreifen –, mindestens 500 Lkws mit Hilfslieferungen pro Tag. Das wäre der Stand wie vor dem Krieg. Verhungernde Palästinenser während der Ramadan-Feiern brächten wiederum Israel international und vor allem in der islamischen Welt in Bedrängnis, so El-Gawhary am Montag im Ö1-Morgenjournal.

Netanjahu: „Werden nicht kapitulieren“

Auf dem Tisch liegen ausgehandelte Vorschläge, laut denen die Kämpfe im Gazastreifen für sechs Wochen unterbrochen werden. Die Hamas soll etwa 40 israelische Geiseln im Austausch für 400 Palästinenser in israelischer Haft freilassen. Beide Seiten stellen aber weitere Forderungen.

Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hatte vor der neuen Verhandlungsrunde über einen Geiseldeal ein Einlenken der Hamas gefordert. „Wir unternehmen große Anstrengungen, um erfolgreich zu sein, aber eines ist Ihnen klar: Wir werden vor den wahnhaften Forderungen der Hamas nicht kapitulieren“, sagte er am Sonntagabend in Tel Aviv.

Netanjahu zeigte sich unnachgiebig. Es sei zu früh zu sagen, ob es in den nächsten Tagen ein Konzept für einen Deal geben werde. Er weise „den internationalen Druck zurück, den Krieg zu beenden“, bevor Israel alle Ziele erreicht habe. Ob mit oder ohne neue Vereinbarung, „wir werden bis zum totalen Sieg kämpfen“. Der rechtsextreme Polizeiminister Itamar Ben-Gvir fordert einem „Haaretz“-Bericht von Montag zufolge ein Ende der Verhandlungen. Es sei stattdessen notwendig, in „eine neue Phase intensiver Kämpfe“ überzugehen.

Hamas will keine Geiselliste veröffentlichen

Bei den Verhandlungen herrscht eine Pattsituation. Israel hält etwa auf einer Liste fest, welche Palästinenser nicht freigelassen werden sollen, und will Informationen über die Geiseln haben. Diese will die Hamas erst geben, wenn ein Waffenstillstand in Kraft ist. Deshalb nimmt am Montag kein israelischer Vertreter an den Gesprächen teil.

Die in London erscheinende katarische Tageszeitung „Al Araby Al Jadid“ zitierte einen ranghohen Hamas-Funktionär mit der Aussage, dass sich seine Organisation nicht zur Herausgabe einer Geiselliste zwingen lasse: „Dafür ist ein hoher Preis zu zahlen, in Form einer Linderung des Leids der Menschen in Gaza und eines umfassenden Waffenstillstands.“ In einem Interview mit der BBC teilte ein politischer Hamas-Funktionär zudem mit, dass gar keine Liste vorgelegt werden könne, da die Hamas selbst nicht wisse, wer von den Geiseln noch am Leben ist und wo sie sich befinden.

Kairo: Wieder Verhandlungen zu Geiseldeal

In der ägyptischen Hauptstadt Kairo werden die Verhandlungen über einen Geiseldeal und eine Waffenruhe im Gaza-Krieg fortgesetzt. Israel nimmt an den Gesprächen vorerst nicht teil.

Israelischen Medienberichten zufolge gebe es Zweifel, ob ein Abkommen vor Beginn des Ramadan noch möglich sei. Demzufolge versuche der Hamas-Führer im Gazastreifen, Jahja Sinwar, absichtlich, die Verhandlungen zu sabotieren, um während des Fastenmonats Unruhen im gesamten Nahen Osten zu provozieren.

Harris: Gibt „keine Ausreden“

In den USA, Israels engstem Verbündeten, verschärfte sich der Ton gegenüber Israel. US-Vizepräsidentin Kamala Harris forderte am Sonntag eine sofortige Feuerpause: „Unser Herz bricht (…) für all die unschuldigen Menschen in Gaza, die unter dem leiden, was eindeutig eine humanitäre Katastrophe ist.“ Die Bedingungen seien unmenschlich. Sie forderte Israel auf, deutlich mehr Hilfe in das Küstengebiet zu lassen und neue Grenzübergänge zu öffnen. Dazu gebe es „keine Ausreden“.

Harris wird noch am Montag mit Netanjahus Rivalen und Minister im israelischen Kriegskabinett, Benni Ganz, zusammentreffen. Er reiste ohne Zustimmung Netanjahus nach Washington, was Medienberichten zufolge intern für Kritik sorgte. Im Gegensatz zu Netanjahu drängt Ganz auf ein Abkommen. Die Freilassung der Geiseln sei dringlicher als die von Netanjahu zum Ziel erklärte Zerschlagung der Hamas. Am Dienstag steht ein Treffen mit US-Außenminister Antony Blinken auf dem Programm.

Türk warnt vor Flächenbrand

Man müsse alles tun, um einen größeren Flächenbrand zu verhindern, sagte der UNO-Menschenrechtsbeauftragte Volker Türk am Montag vor dem Menschenrechtsrat in Genf. Der Krieg zwischen Israel und der Hamas habe sich bereits auf Nachbarländer ausgeweitet: „Ich bin zutiefst besorgt, dass in diesem Pulverfass jeder Funke zu einem viel größeren Flächenbrand führen könnte.“