das portugiesische Parlamentsgebäude in Lissabon
IMAGO/Maurício Abreu
Portugal wählt

Korruptionsskandale helfen Rechtspopulisten

Gleich mehrere Korruptionsskandale werfen ihre Schatten auf die Parlamentswahl in Portugal am Sonntag. Die vorgezogene Wahl war notwendig geworden, da der sozialistische Premierminister Antonio Costa im November nach Hausdurchsuchungen seinen Rücktritt erklärt hatte. Es wird erwartet, dass die Skandale für einen Auftrieb der Rechtspopulisten sorgen.

Denn die Skandale führten zu einer großen Unzufriedenheit in der Bevölkerung, Ressentiments gegen die herrschende politische Klasse, die die weit rechts stehende, nationalistische und populistische Partei Chega („Es reicht“) noch weiter schürte. Sie machte sich den Kampf gegen die Korruption zu ihrem Hauptanliegen, „Portugal muss aufgeräumt werden“, so einer ihrer Slogans.

Die Rechtsaußenpartei des ehemaligen TV-Sportkommentators Andre Ventura sprach sich aber auch gegen „illegale Einwanderung“ und für Todesstrafe aus, wie der „Guardian“ schreibt. Auch setzt sich Chega für mehr bilaterale Wirtschaftsabkommen und mehr Freiheit von der EU ein. Politische Gegner und Gegnerinnen werfen Chega vor, häufig auf Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und Demagogie zu setzen.

CHEGA-Parteichef Andre Ventura
APA/AFP/Patricia De Melo Moreira
Andre Ventura, Chef der populistischen Rechtsaußenpartei Chega, im Wahlkampf

Aus für „Cordon sanitaire“?

Der Stimmenanteil für Chega stieg bereits bei dem letzten Urnengang von 1,3 Prozent (2019) auf 7,3 Prozent 2022. Laut den Prognosen könnte die Partei durch das derzeitige Protestklima ihre Stimmen mehr als verdoppeln. Die seit etwa fünf Jahren existierenden Partei des ehemaligen Sozialdemokraten Ventura könnte damit zum Königsmacher werden.

Der „Cordon sanitaire“, also die Weigerung, mit rechtsextremen Parteien zusammenarbeiten, habe „für andere europäische Demokratien nicht funktioniert, und Portugal wird ein weiteres Beispiel sein“, so Antonio Costa Pinto, Politikwissenschaftler an Universität Lissabon im „Guardian“.

Pedro Nuno Santos (PS)
Reuters/Pedro Nunes
Pedro Nuno Santos, Chef der Sozialisten, bei einer Wahlveranstaltung

50. Jahrestag der Nelkenrevolution

Die Wahl ist deshalb auch wegen eines Jubiläums politisch aufgeheizt. Sie fällt mitten in die Vorbereitungen für den 50. Jahrestag der Nelkenrevolution am 25. April, an dem die Demokratie gefeiert wird. 1974 wurde friedlich die rechte Diktatur gestürzt, und ausgerechnet die Wahl im Jubiläumsjahr könnte nun zu einer Regierungsbeteiligung der Rechtspopulisten führen.

Kopf-an-Kopf von Sozialisten und Sozialdemokraten

Um den ersten Platz wird ein Duell des Chefs der Sozialisten (PD), Pedro Nuno Santos, und dem der Sozialdemokraten (PSD) Luis Montenegro erwartet. Die Abstände in den jüngsten Umfragen sind so gut wie nicht vorhanden, ein Kopf-an-Kopf-Rennen wird erwartet. Die Sozialisten kämen auf 29 Prozent, während die Sozialdemokraten auf 31 Prozent laut der Vorhersage kämen, wie der „Guardian“ schreibt. In anderen Umfragen sind die beiden Parteien gleichauf.

Luis Montenegro (PSD und AD)
Reuters/Pedro Nunes
Luis Montenegro, Chef der Sozialdemokraten und Führer der Demokratischen Allianz, im Wahlkampf

Santos ist ehemaliger Minister für Wohnungsbau und Infrastruktur. Der Sozialdemokrat Montenegro leitet die Demokratische Allianz, eine Gruppierung der Sozialdemokraten mit zwei kleineren Parteien rechts der Mitte, die sich für die Wahl gebildet hat. Insgesamt steht ein gutes Dutzend Parteien und Bündnisse zur Wahl. Die Mitte-links stehende Sozialistische Partei und die Mitte-rechts stehenden Sozialdemokratische Partei wechseln einander seit Jahrzehnten an der Macht ab.

Suche nach Bündnissen

Für die Regierungsbildung sind sie jedoch von kleineren Partnern abhängig. In der Vergangenheit hatten die Sozialisten mit den Kommunisten oder dem kleinen Linksblock (Bloco de Esquerda) in der Regierung koaliert. Der Linksblock unter Mariana Mortagua käme laut Prognose auf vier Prozent.

Die Sozialdemokraten könnten sich indes Chega für eine Koalition zuwenden. Mortagua warnte erst jüngst in einem Interview mit dem „Guardian“, dass eine Beteiligung der Rechten oder Rechtspopulisten an der Regierung soziale Errungenschaften zunichtemachen könnte. So sieht sie etwa die Abtreibungsrechte in Gefahr.

Wahlplakat von Mariana Mortagua (Linksblock)
AP/Armando Franca
Eine Wahlwerbung des Linksblocks

Costa-Rücktritt unter schweren Vorwürfen

Die Wahl war notwendig geworden, da der sozialistische Premier Antonio Costa Anfang November wegen Korruptionsermittlungen der Justiz gegen ihn und andere Regierungsmitglieder zurückgetreten und vom früheren Infrastrukturminister Santos an der Parteispitze ersetzt worden. Costa wies zwar jede Schuld von sich, sagte aber, die Position des Regierungschefs sei mit einem Verdacht, eine Straftat begangen zu haben, nicht vereinbar.

Wenige Stunden vor dem Rücktritt Costas hatte die Polizei Dutzende Wohnungen und Büros und auch die Residenz des Regierungschefs durchsucht. Es geht dabei um den Verdacht illegaler Praktiken wie Bestechlichkeit und Vorteilsnahme bei der Vergabe von Konzessionen zum Lithiumabbau sowie bei der Produktion von grünem, also mit Ökostrom erzeugtem Wasserstoff.

Skandal um Socrates

Doch auch ein zweiter sozialistischer Premier muss sich vor Gericht verantworten: Jose Socrates war von 2005 bis 2011 Premierminister des Landes. In den letzten Wochen entschied ein Gericht in Lissabon, dass Socrates wegen Korruption angeklagt wird.

Die Affäre beschäftigt seit Langem die portugiesische Justiz. Socrates musste Ende 2014 für neun Monate in Untersuchungshaft. Im Oktober 2017 erfolgte die Anklageerhebung, im April 2021 gab ein Richter grünes Licht für das Hauptverfahren. Dem wegen seines luxuriösen Lebensstils ins Gerede gekommenen Ex-Premier wird vorgeworfen, während und nach seiner Amtszeit 34 Millionen Euro angenommen zu haben.

Rücktritte auch bei PSD

Doch auch die PSD wird von einem Skandal erschüttert. Korruptionsermittlungen auf Madeira führten im Wahlkampf zum Rücktritt zweier sozialdemokratischer Funktionäre. Der Skandal wurde pikanterweise am selben Tag bekannt, an dem die Sozialdemokraten in der Hauptstadt Lissabon ein Antikorruptionsplakat mit dem Slogan „So kann es nicht weitergehen“ präsentierten.