Junge irische Frauen werben mit einem „Vote Yes Yes“-Schild für die  Referenden
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Premier zittert

Irland stimmt über Rolle der Frau ab

Die irische Bevölkerung stimmt am Freitag, dem Internationalen Frauentag, über Verfassungsänderungen bezüglich der Rolle der Frau und des Familienbegriffs ab. Laut Umfragen dürften die Referenden durchgehen – die Wahlbeteiligung gilt allerdings als große Unbekannte. Eine Ablehnung der Änderungen wäre nach Ansicht von Premierminister Leo Varadkar ein „Rückschlag für Irland“.

Konkret würden die als Familienzusatz und Pflegezusatz bezeichneten Vorschläge Änderungen am Wortlaut der irischen Verfassung aus dem Jahr 1937 bewirken. Der erste Vorschlag sieht vor, den Familienbegriff über die Ehe hinaus auszuweiten, um auch diejenigen einzubeziehen, die in „dauerhaften Beziehungen“ leben.

Der zweite Vorschlag sieht vor, die veraltete Formulierung zur Rolle der „Frau im Haushalt“ durch eine Klausel zu ersetzen, die die gegenseitige Fürsorge von Familienmitgliedern anerkennt. Aktuell heißt es in der Verfassung noch: „Der Staat erkennt an, dass die Frau durch ihr Leben zu Hause dem Staat eine Unterstützung gibt, ohne die das Gemeinwohl nicht erreicht werden kann.“ Weiters heißt es, der Staat müsse sich „darum bemühen sicherzustellen, dass Mütter nicht aus wirtschaftlichen Gründen gezwungen werden, Arbeit zu verrichten und dadurch ihre Pflichten im Haushalt zu vernachlässigen“.

Werbung für die Referenden in den Straßen Dublins
APA/AFP/Paul Faith
Die irische Bevölkerung stimmt am Freitag über Verfassungsänderungen ab

Umfragen: Mehrheit will Änderungen

Laut Umfragen – unter anderem der „Business Post“ von Ende Februar und der „Irish Times“ von Anfang Februar – beabsichtigt eine Mehrheit der Befragten, den beiden Änderungen zuzustimmen. Den Umfrageergebnissen der „Business Post“ zufolge gaben 52 Prozent der Befragten an, sie würden den ersten Verfassungszusatz zur Aufnahme der Worte „dauerhafte Beziehungen“ in die Verfassung unterstützen, während 22 Prozent angaben, das abzulehnen. Zwanzig Prozent äußerten sich unentschieden, während fünf Prozent sagten, sie würden überhaupt nicht abstimmen.

Beim Votum zur Rolle der Frau gaben 56 Prozent der Befragten an, dass sie die Änderung unterstützen würden, während sich 20 Prozent dagegen aussprachen. 19 Prozent waren unentschieden, während fünf Prozent sagten, sie würden überhaupt nicht abstimmen.

Politologin ortet „liberale Wende“

Die Wahlbeteiligung sorgt unter den politischen Akteuren für Besorgnis, wie etwa der Sender RTE berichtete. „Wenn wir über die Wahlbeteiligung sprechen, geht es wirklich darum, wer motivierter ist, zur Wahl zu gehen. Lange Zeit hatte man das Gefühl, dass einige der ‚Nein‘-Wähler, konservative Wähler, motivierter seien“, sagte die Politologin Theresa Reidy vom University College Cork gegenüber RTE.

„Aber es gibt definitiv eine breite liberale Wende in der Wählerschaft. Zwei Drittel der Wähler haben jetzt liberale Ansichten und liberale Werte. Wenn (die Wahlbeteiligung, Anm.) also wirklich niedrig ist, wird das die Nein-Stimmen begünstigen. Aber wenn man über 30 Prozent steigt und sich 40 nähert, wird es wahrscheinlich ausgeglichener sein“, sagte sie.

Leo Varadkar
Reuters/Carrie Davenport
Irlands Premier Leo Varadkar

Varadkar: Referenden als „Werteerklärung“

Fine-Gael-Politiker Varadkar sagte am Mittwoch in Bukarest, das Referendum sei „eine Werteerklärung darüber, wofür wir als Gesellschaft stehen“. „Ehrlich gesagt glaube ich, dass ein Nein ein Rückschlag für das Land wäre“, sagte er. „Vielen Menschen, Hunderttausenden Menschen und Kindern, würde es sagen, dass sie im Sinne unserer Verfassung nicht Teil einer Familie sind. Und das wäre meiner Meinung nach ein Rückschritt“, so der Premier.

„Es würde auch in Bezug auf die Pflege bedeuten, dass die sehr altmodische Sprache über Frauen im Haushalt und die Pflichten von Müttern im Haushalt beibehalten würde“, sagte er weiter. Der Taoiseach (Premier) sprach am Rande des Kongresses der Europäischen Volkspartei (EVP). Die beiden Referenden wurden von Varadkar als Mittel zur Streichung der Geschlechterungleichheit aus der Verfassung vorangetrieben.

Nur eine Partei lehnt beide Änderungen ab

Abgelehnt werden beide Verfassungsänderungen einzig von der Partei Aontu. Deren Gründer und Parteichef Peadar Toibin – der insbesondere als Abtreibungsgegner bekannt ist – erklärte dazu: „Sicher ist ein Teil der Sprache in den relevanten Artikeln veraltet und sollte aktualisiert werden.“ Diese seien allerdings „unfassbar schlecht geschrieben“.

Vertreter anderer Parteien wie der Labour Party sprachen ihre Unterstützung für die Verfassungsänderungen aus, äußerten aber vereinzelt auch Kritik an „schwammigen Formulierungen“. Außerdem wurde von Kritikerinnen und Kritikern bemängelt, dass die Änderungen mit Blick auf den Pflegezusatz nicht weit genug gingen.

Dass Pflege eine Familienangelegenheit bleibe, die breitere Gemeinschaft aber nicht einbezogen werde, sorgte für Enttäuschung bei Zivilrechtsgruppen und Oppositionsparteien. Das Ergebnis der beiden Referenden soll am Samstag bekanntgegeben werden.