Ein Kinder in Kaduna, Nigeria
AP/Sunday Alamba
Wieder Schule überfallen

Kindesentführungen in Nigeria nehmen zu

Im westafrikanischen Nigeria nehmen Entführungen von Kindern zu. Zuletzt wurde eine Schule in einer entlegenen Gegend überfallen und 15 Kinder verschleppt. Erst am Donnerstag waren 287 Mädchen und Buben aus ihrer Schule im Nordwesten des Landes verschleppt worden.

Samstagfrüh seien erneut schwer bewaffnete Täter in das Wohnheim einer Schule eingedrungen, sagte Polizeisprecher Ahmed Rufa’i am Sonntag. Auch eine Frau aus dem Dorf Gidan Bakuso im Bundesstaat Sokoto, in dem sich die Schule befindet, sei unter den Opfern, so der Sprecher. Die Polizei habe erst Stunden später von der Entführung erfahren, da das Dorf in einer sehr entlegenen Gegend sei, in der es kein Mobilnetz oder gepflasterte Straßen gebe, sagte der Sprecher. Das Dorf sei daher nicht mit Autos, sondern nur mit Motorrädern zugänglich.

Seit 2014 haben die islamistische Terrormiliz Boko Haram sowie kriminelle Gruppen zahlreiche Frauen und Kinder im Norden des bevölkerungsreichsten Landes Afrikas mit rund 220 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern entführt. In den vergangenen Monaten sind Entführungen stark gestiegen, vor allem im Bundesstaat Kaduna und anderen Teilen des Nordwestens.

Ein Kind mit einem Protestschild in Kaduna, Nigeria
Reuters
Ein Kind hält ein Protestschild hoch: „Wir schlafen Tag und Nacht nicht, weil uns gefährliche Banditen angreifen“

Erpressung von Lösegeld

Allein zwischen Juli 2022 und Juni 2023 seien laut der Wirtschafts- und Sicherheitsberatungsfirma SB Morgen Intelligence in Nigeria 3.620 Menschen bei 582 Entführungsvorfällen entführt worden. Laut SB Morgen wurde aufgrund Nigerias kriselnder Wirtschaft, steigender Inflation und hoher Arbeitslosigkeit die Erpressung von Lösegeld zum Hauptgrund für Entführungen.

Ende Februar war es bereits im nordöstlichen Bundesstaat Borno zu einer Massenentführung von Binnenvertriebenen gekommen. Nach Schätzungen der Vereinten Nationen wurden dabei mehr als 200 Menschen verschleppt. Neben Lösegeldzahlungen gehe es aber auch um Zwangsrekrutierung in bewaffnete Gruppen oder sexuelle Gewalt. Nur selten konnten Sicherheitskräfte bisher Entführungsopfer befreien.

UNICEF sieht „besorgniserregende Tendenz“

Nach der Massenentführung am Donnerstag reiste Vizepräsident Kashim Shettima am Samstag in das Dorf, um sich mit Vertretern lokaler Behörden und den Eltern der Opfer zu beraten. Präsident Bola Tinubu hatte die „abscheulichen“ Entführungen verurteilt und Sicherheits- sowie Geheimdienste angewiesen, nach den verschleppten Schülern zu fahnden. Auch der Vorsitzende der Kommission der Afrikanischen Union, Moussa Faki Mahamat, forderte am Sonntag die „sofortige und bedingungslose Freilassung“ der entführten Kinder.

Der Repräsentant des UNO-Kinderhilfswerks UNICEF, Cristian Munduate, bezeichnete den Anstieg der Kidnappings als alarmierend. „Diese jüngste Entführung ist wie jede zuvor, höchst verwerflich und Teil einer besorgniserregenden Tendenz von Angriffen auf Bildungseinrichtungen in Nigeria, insbesondere im Nordwesten, wo bewaffnete Gruppen ihre Gewalt- und Entführungskampagne intensiviert haben“, so Munduate.

Vor fast genau zehn Jahren, im April 2014, sorgte die Entführung von 276 Schülerinnen aus ihrem Internat in der Stadt Chibok für weltweites Entsetzen. Sie waren von Kämpfern der Boko Haram, die Mädchen und junge Frauen oft zur Zwangsheirat nötigen oder als Sex- und Haussklaven missbrauchen, verschleppt worden. Viele der Mädchen werden noch immer vermisst.