Zerstörtes Wohngebäude in Rafah
Reuters/Mohammed Salem
Trotz Kritik

Netanjahu pocht auf Offensive in Rafah

Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu pocht trotz Kritik der USA und anderer Staaten auf eine israelische Militäroffensive in Rafah im Süden des Gazastreifens. „Wir sind dem Sieg sehr nahe“, sagte er am Sonntag im Interview mit Medien der Verlagsgruppe Axel Springer. Die von der radikalislamischen Hamas veröffentlichten Opferzahlen wies Netanjahu zurück.

Nach dem Beginn der Offensive gegen die letzten Hamas-Bataillone in Rafah werde die „intensive Phase“ der Kämpfe vier bis sechs Wochen dauern. „Wir haben drei Viertel der Hamas-Bataillone vernichtet“, sagte er. Nun aufzugeben sei absurd, sagte der Politiker des nationalkonservativen Likud gegenüber der „Bild“, Welt-TV und „Politico“.

Die Strategie der Terrororganisation „besteht darin, den internationalen Druck auf Israel zu erhöhen und die internationale Gemeinschaft dazu zu bringen, Israel davon abzuhalten, die endgültige Niederlage der Hamas-Truppen herbeizuführen“.

Gaza-Krieg: USA machen Druck

Trotz des Beginns des muslimischen Fastenmonats Ramadan sind ein Waffenstillstand im Gaza-Krieg und ein Geiseldeal in weite Ferne gerückt. Die USA machen in den Verhandlungen weiter Druck.

Eine rasche Feuerpause erwartet Netanjahu nicht. Bei den Verhandlungen kämen die Unterhändler mit nichts zurück, sagte er. Er gehe davon aus, dass die Hamas derzeit kein Abkommen wolle, so Netanjahu. Die Gespräche waren am Donnerstag von der Hamas vorerst abgebrochen worden.

Netanjahu sieht Bevölkerung hinter sich

Die Kritik von US-Präsident Joe Biden wies Netanjahu zurück. Eine „überwältigende Mehrheit“ der Israelis stehe hinter ihm, sagte der Premier. „Wenn der US-Präsident damit meint, dass ich eine Privatpolitik gegen den Wunsch der Mehrheit der Israelis verfolge und das Israels Interessen schadet, dann liegt er in beiden Punkten falsch“, sagte er. Die Israelis würden die Maßnahme unterstützen, „die wir ergreifen, um die übrig gebliebenen Bataillone der Hamas zu zerstören“.

Israel müsse eine „Wiederholung des Massakers vom 7. Oktober“ verhindern. Biden hatte in einem Interview mit dem US-Fernsehsender MSNBC mit Blick auf Netanjahu gesagt: „Meiner Meinung nach schadet er Israel mehr, als dass er dem Land hilft.“ Netanjahu habe „ein Recht, Israel zu verteidigen, ein Recht, die Hamas weiter zu verfolgen“. Er müsse aber „den unschuldigen Menschen, die als Folge der ergriffenen Maßnahmen ums Leben kommen, mehr Aufmerksamkeit schenken“. Es gebe rote Linien, es dürfe nicht noch weitere 30.000 tote Palästinenserinnen und Palästinenser geben.

Netanjahu: „13.000 Terroristen getötet“

Netanjahu trat auch den Opferangaben der Hamas-Behörden im Gazastreifen entgegen. Die Zahl der getöteten Zivilpersonen sei weitaus geringer als die genannten 31.000 Opfer. Israels Armee habe nämlich „mindestens 13.000 Terroristen“ getötet. „Damit liegt die Zahl der zivilen Opfer vermutlich bei einem Verhältnis von 1,5 zu eins. Jetzt ist es nur noch eins zu eins“, sagte Netanjahu.

Weiter schwere Kämpfe

Im Gazastreifen ging die israelische Armee indes weiter militärisch vor. Nach von unabhängiger Seite nicht überprüfbaren Angaben der von der islamistischen Hamas kontrollierten Behörden starben infolge von mehr als 60 Angriffen am Sonntag insgesamt mindestens 85 Palästinenser.

Anspannung um Ramadan-Beginn in Jerusalem

Israel bereitet sich angesichts des Gaza-Krieges mit erhöhten Sicherheitsmaßnahmen auf den muslimischen Fastenmonat Ramadan vor. Tausende Polizisten sollen in den engen Gassen der Altstadt von Jerusalem eingesetzt werden, wo Zehntausende Gläubige auf dem Weg zur Al-Aksa-Moschee erwartet werden, einem der wichtigsten Heiligtümer in der islamischen Welt.

Die israelische Armee meldete ihrerseits 30 getötete palästinensische Kämpfer. Im Zentrum des Gazastreifens hätten die Soldaten bei Luftangriffen und mit Panzern und Scharfschützen 13 Kämpfer getötet, weitere 17 in Chan Junis im „Häuserkampf“.

Hilfslieferung per Schiff verzögert sich

Unterdessen verzögerte sich die erste Schiffslieferung über einen humanitären Seekorridor von Zypern aus. Wie der zypriotische Rundfunk berichtete, wird das Schiff der spanischen Hilfsorganisation Open Arms wegen technischer Schwierigkeiten wohl erst am Montag vom Hafen Larnaka auslaufen können. Die 400 Kilometer lange Fahrt dürfte mindestens 48 Stunden dauern.

Nach Angaben der zypriotischen Regierung hat das Schiff rund 200 Tonnen Trinkwasser und Medikamente dabei. Die Lieferung soll die US-Organisation World Central Kitchen an der Küste des Gazastreifens in Empfang nehmen. Die Lieferung soll über eine aus Schutt errichtete provisorische Anlegestelle im Gazastreifen landen, hieß es. Laut der Organisation befinden sich weitere 500 Tonnen Lebensmittel noch auf Zypern.

Riad fordert Ende „abscheulicher Verbrechen“

Saudi-Arabiens König Salman rief die internationale Gemeinschaft in seiner Botschaft zum muslimischen Fastenmonat Ramadan unterdessen dazu auf, den „abscheulichen Verbrechen“ im Gazastreifen ein Ende zu setzen. „Während wir in diesem Jahr den Beginn des Ramadan erleben, sind unsere Herzen voller Trauer über das anhaltende Leiden unserer palästinensischen Brüder, die einer unerbittlichen Aggression ausgesetzt sind“, sagte der König am Sonntag.

Salman forderte konkret, die „Einrichtung sicherer humanitärer Korridore und Hilfskorridore zu gewährleisten“. Bemühungen um einen Waffenstillstand und Geiseldeal zum Ramadan waren zuvor gescheitert.