Cillian Murphy mit seinem „Oscar“
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Sieben Preise

„Oppenheimer“ räumt bei Oscars ab

Es ist gekommen, wie es offenbar kommen musste: „Oppenheimer“ hat in der Nacht auf Montag bei der 96. Oscar-Verleihung in Hollywood mit sieben Preisen bei 13 Nominierungen abgeräumt. „Barbenheimer“ ist somit entschieden: „Barbie“ holte nur den Preis für den besten Song. Die Verleihungsshow überzeugte mit Humor, Nacktheit auf der Bühne, imposanten Showeinlagen und einem „Umfaller“ auf dem roten Teppich.

Christopher Nolans Filmbiografie über den Erfinder der Atombombe, „Oppenheimer“, wurde zum besten Film gekürt. Hauptdarsteller Cillian Murphy erhielt den Oscar für den besten Hauptdarsteller, auch konnte Nolan die Ehrung als bester Regisseur entgegennehmen. Hinzu kamen Siege in den Sparten „Kamera“, „Schnitt“, „Filmmusik“ und für den besten Nebendarsteller: Hollywood-Veteran Robert Downey Jr. erhielt seinen ersten Oscar.

Murphy zeigte sich „überwältigt. Es war die kreativste und zufriedenstellendste Reise meiner Karriere.“ Er stehe als „stolzer Ire“ auf der Bühne. Da er im Film den Mitentwickler der Atombombe, Robert Oppenheimer, darstellt, ließ er ein politisches Statement folgen: „Wir leben alle in Oppenheimers Welt. Ich widme diesen Oscar den Friedensstifterinnen und Friedensstiftern dieser Welt.“

Nur Trostpreis für „Barbie“

Auf Platz zwei folgte Giorgos Lanthimos’ überdrehtes Feminismus-Märchen „Poor Things“. Der Film über eine erwachsene Frau mit dem Gehirn eines Kindes konnte am Ende vier seiner elf Nominierungen umsetzen, für Emma Stone als beste Hauptdarstellerin, für das Produktionsdesign, für Make-up und Frisuren sowie für das Kostümdesign.

Letztes Jahr war noch spekuliert worden, ob wohl „Barbie“ oder „Oppenheimer“ die meisten Oscars holen werde. An den Kinokassen lag „Barbie“ klar vorn, bei den Oscars reichte es trotz acht Nominierungen jedoch nur für einen Preis, jenen für den besten Song, „What Was I Made For?“ von Billie Eilish. Regisseurin Greta Gerwig und Hauptdarstellerin Margot Robbie waren gleich gar nicht nominiert worden, anders als Nebendarsteller Ryan Gosling, der aber auch leer ausging.

Fotostrecke mit 9 Bildern

Die US-indigenen Osage Singers and Dancers auf dem roten Teppich
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Die US-indigenen Osage Singers and Dancers auf dem roten Teppich. Um ihr Volk geht es in „Killers of the Flower Moon“
Sandra Hüller auf dem roten Teppich
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Sandra Hüller war als beste Hauptdarstellerin für ihre Rolle in „Anatomie eines Falls“ nominiert
Greta Gerwig auf dem roten Teppich
IMAGO/UPI Photo/Jim Ruymen
Greta Gerwig hatte mit „Barbie“ das Nachsehen, zuerst bei den Nominierungen, dann bei der Preisverleihung
Margot Robbie auf dem roten Teppich
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Margot Robbie – als „Barbie“ nicht nominiert, aber guter Laune. Bei Ryan Goslings auftritt als singender Ken musste sie viel lachen.
America Ferrera macht ein Selfie mit einem Fan
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Mehrfach wurde America Ferrera für ihre Nebenrolle in „Barbie“ gelobt
Da Vine Joy Randolph auf dem roten Teppich
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Da‘Vine Joy Randolph – hellblau und mit Schleppe
Christoph Waltz auf dem roten Teppich
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Österreichs Beitrag zu den Oscars: Christoph Waltz
Martin Scorcese und Francesca Scorcese
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Martin und Francesca Scorsese auf dem Weg zur Oscar-Verleihung
Ariana Grande auf dem roten Teppich
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Ariana Grande trug eine der wenigen spektakulären Roben. Sie freute sich später so mit Freundin Eilish über deren Oscar, dass ihr die Tränen kamen.

Auslandsoscar an „The Zone of Interest“

US-Schauspielerin Da’Vine Joy Randolph gewann den Oscar für die beste weibliche Nebenrolle. Die 37-Jährige wurde für ihre Rolle in dem Drama „The Holdovers“ von Regisseur Alexander Payne ausgezeichnet.

Die britische Produktion „The Zone of Interest“ von Jonathan Glazer gewann den Oscar für den besten internationalen Film. Die auf Deutsch gedrehte, experimentelle Auseinandersetzung mit dem Holocaust gewann außerdem den Oscar für den besten Ton, schildert Glazer doch den Alltag von Auschwitz-Kommandant Rudolf Höß und dessen Familie, die direkt neben dem KZ leben, das ausschließlich über die Tonspur präsent ist.

Der Preis für die beste Dokumentation ging an „20 Tage in Mariupol“. Ein ukrainisches Team der internationalen Nachrichtenagentur AP in Mariupol dokumentiert darin trotz Belagerung die Gräueltaten der russischen Invasion. Studio-Ghibli-Legende Hayao Miyazaki holte mit „Der Junge und der Reiher“ den Oscar für den besten Animationsfilm. Eine Liste sämtlicher Preisträgerinnen und Preisträger bei den diesjährigen Oscars findet sich ganz unten im Artikel.

Der Spaßfaktor

Eine Hauptrolle bei jeder Oscar-Verleihung spielt der Humor, und der war in der Vergangenheit oft schlecht genug, am allerschlechtesten aber bei der letzten Golden-Globes-Verleihung, die Jo Koy versenkte. Moderator Jimmy Kimmel und sein 24-köpfiges Team an Gagschreibenden machten ihre Sache jedoch gut.

Unter die Gürtellinie ging es nur, als Kimmel in der Eröffnungsrede Downey Juniors Penisform thematisierte: Der Schauspieler sei „so charmant, so talentiert, er hat jeden Award gewonnen, den es gibt. Ist das eine Preisträgerrede in deiner Hosentasche, oder hast du einen sehr rechteckigen Penis?“

Grafik zur Oscar-Verleihung
Grafik: APA/ORF; Fotos: AFP

Dann sprach Kimmel über seine Frau, die früher den gemeinsamen Kindern eher noch Marlboros gegeben hätte als Barbies – aber das habe sich durch Gerwigs Film, der die Puppe als Feministin neu erfand, geändert. Als eine der Besonderheiten nannte Kimmel, dass wieder wie schon 1976 Jodie Foster (63, nominiert als beste Nebendarstellerin in „Nyad“) und Robert De Niro (80, nominiert als bester Nebendarsteller in „Killers of the Flower Moon“) nominiert gewesen seien (damals beide für ihre Rollen in „Taxi Driver“). 1976 sei Foster jung genug gewesen, De Niros Tochter zu sein, heute jedoch sei sie 20 Jahre zu alt, seine Freundin zu werden. Foster nickte lachend.

Oscar-Blase kurzzeitig geplatzt

Ebenso wichtig wie der Moderator des Abends: das Unterhaltungsprogramm – auch hier wurde alles richtig gemacht. Eilish trat mit „What Was I Made For“ auf, in einer braven schwarzen Steppjacke, mit einem noch braveren schwarzen Rock und den bravsten Riemchenschuhen, dazu noch ein Mascherl um den Hals: Falls es so etwas wie ein Anti-Barbie-Outfit gibt, dann dieses. Die BBC trumpft mit Expertise auf: „In Anlehnung an den eleganten Stil des Films Clueless von 1995 trug Billie Eilish einen Tweed-Blazer von Chanel, hohe Socken und hochhackige Mary-Jane-Schuhe.“ Der Auftritt jedenfalls war gefühlvoll und bekam Standing Ovations.

Ein weiteres Highlight waren die US-indigenen Osage Singers and Dancers mit ihrer Aufführung eines traditionellen Tanzes anlässlich der Nominierungen für „Killers of the Flower Moon“, in dem es um das historische Schicksal des Volkes der Osage geht. Dieser Auftritt fiel so sehr aus der ganzen glamourösen Oscars-Welt, dass man sich als Zuseher einen Moment lang wie ein realer Mensch in einer realen Welt fühlte. Für das kurzzeitige Platzen der Hollywood-Bubble gab es ebenfalls Standing Ovations – und Hauptdarstellerin Lily Gladstone kämpfte mit den Tränen.

Ganz Hollywood, aber sehr lustig war die aberwitzige Inszenierung des Songs „I’m Just Ken“ aus „Barbie“ mit Ken-Darsteller Gosling im pinkfarbenen Kostüm am Mikrofon. Dieser Mann hat viele Talente. Singen gehört eher nicht dazu. Dafür gab es ein Gitarrensolo von Slash, und der weiß, was er tut.

Umfaller auf dem roten Teppich

Auf dem roten Teppich war es zu keinerlei Skandalen gekommen – und auch die Roben und Anzüge des Abends waren großteils nicht der Rede wert. Eine Ausnahme war vielleicht das spektakuläre hellblaue Kleid samt Schleppe von Nebenrollenpreisträgerin Randolph. Und dann gab es da einen Umfaller – wörtlich: Netflix-Star Liza Koshy, die mit ihren gigantisch hohen Schuhen auf den roten Teppich fiel – es aber mit Humor nahm und sitzend den Fotografinnen und Fotografen winkte.

Bei jenen Hollywood-Prominenten, die die Preise verliehen, stand ebenfalls Humor hoch im Kurs. Ganz besonders charmant war der Auftritt der „Twins“-Kollegen von 1988, Arnold Schwarzenegger und Danny DeVito. Als Gemeinsamkeit hatten sie herausgefunden, dass sie beide einmal in einem Film von Batman zur Strecke gebracht worden waren. Schwarzeneggers Charakter war von der Liebe gekillt worden, jener von DeVito wurde aus dem Fenster geworfen.

Wrestler John Cena wiederum durfte die schlüpfrigste Showeinlage liefern. Als „Flitzer“ betrat er völlig nackt, nur mit dem Nominiertenkuvert vor seinem Geschlechtsteil, die Bühne. Außer seinem außergewöhnlich trainierten Körper zeigte er dabei ein Paar Gesundheitsschlapfen. Viele anerkennende Ohs aus dem Publikum waren ihm sicher. Ob sie den Schlapfen galten?

Appell gegen „Entmenschlichung“

Im Vorfeld war befürchtet worden, dass die Oscars angesichts der Nahost-Krise ähnlich wie zuletzt die Berlinale zum Schauplatz politischer Agitation werden könnten. Nur vereinzelt trugen Gäste Palästinenser-Solidaritätsbuttons, und „The Zone of Interest“-Regisseur Glazer sprach von einer „Entmenschlichung“, die wie damals auch heute stattfinde – und zwar sowohl bei den Attentaten des 7. Oktober als auch derzeit im Gazastreifen.

Ebenfalls politisch wurde Moderator Kimmel mit zwei Seitenhieben auf den Ex-US-Präsidenten und Präsidentschaftsbewerber Donald Trump. Er las ein Posting Trumps vor, in dem dieser Kimmel als „schlechtesten Oscar-Gastgeber aller Zeiten“ kritisierte. Kimmel konterte: „Sollten Sie nicht längst im Gefängnis sein?“

Letzte Beobachtung der Oscars-Nacht: Ein bisserl patschert moderierte Hollywood-Legende Al Pacino (83) den Oscar für den besten Film an. Er verlas nicht einmal die Nominierten, sondern sagte nur: „Zehn wunderbare Filme wurden nominiert, aber nur einer wird den Preis für den besten Film erhalten. Und dafür muss ich an den Umschlag gehen.“ Im Publikum regte sich Gelächter, als er etwas zauderte und weiter kommentierte: „Und das werde ich tun. Da kommt er. Und meine Augen sehen ‚Oppenheimer‘.“ An diesem Punkt setzte Musik ein, die Menge jubelte, Pacino war befreit, die Oscars 2024 Geschichte.

Die 23 Oscars

Bester Film "Oppenheimer"
Beste Regie Christopher Nolan ("Oppenheimer")
Beste Hauptdarstellerin Emma Stone ("Poor Things")
Bester Hauptdarsteller Cillian Murphy ("Oppenheimer")
Beste Nebendarstellerin Da'Vine Joy Randolph ("The Holdovers")
Bester Nebendarsteller Robert Downey Jr. ("Oppenheimer")
Bester internationaler Film "The Zone of Interest"
Bester Animationsfilm "Der Junge und der Reiher"
Bestes Originaldrehbuch "Anatomie eines Falls"
Bestes adaptiertes Drehbuch "American Fiction"
Beste Kamera "Oppenheimer"
Bester Schnitt "Oppenheimer"
Bestes Kostümdesign "Poor Things"
Bestes Produktionsdesign "Poor Things"
Bestes Make-up und Frisuren "Poor Things"
Beste visuelle Effekte "Godzilla Minus One"
Bester Sound "The Zone of Interest"
Beste Musik "Oppenheimer"
Bester Song "What Was I Made For?", Billie Eilish ("Barbie")
Bester Dokumentarfilm "20 Tage in Mariupol"
Bester animierter Kurzfilm "War is over! Inspired by the Music of John & Yoko"
Bester Kurzfilm "Ich sehe was, was du nicht siehst"