Stadtansicht von Lissabon
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Patt nach Portugal-Wahl

Zähe Regierungsbildung erwartet

In Portugal hat die vorgezogene Parlamentswahl am Sonntag einen starken Rechtsruck gebracht. Dem vorläufigen Endergebnis zufolge lag der Mitte-rechts-Block Demokratische Allianz (AD), dem auch die konservativen Sozialdemokraten (SD) angehören, mit 29,5 Prozent knapp vor den bisher regierenden Sozialisten (PS) mit rund 28,7 Prozent. Die rechtsextreme Partei Chega kam auf über 18 Prozent. Bisher mit absoluter Mehrheit von den Sozialisten regiert, war Portugal eines der letzten Bollwerke gegen Rechtsextremismus in Europa gewesen – eine zähe Regierungsbildung wird erwartet.

Die AD kam nach Auszählung von 99 Prozent der Stimmen auf 79, die PS auf 77 Sitze von insgesamt 230 im Parlament. Chega bekommt 48 Sitze. Die Auszählung der im Ausland abgegebenen Stimmen steht noch aus und wird nach offiziellen Angaben noch mehrere Tage in Anspruch nehmen. Allerdings beanspruchte der sozialdemokratische Spitzenkandidat der AD, Luis Montenegro, schon in der Nacht auf Montag den Sieg für sich.

Der sozialistische Rivale Pedro Nuno Santos räumte seine Niederlage ein und kündigte den Gang in die Opposition an. Da seine beiden möglichen linken Koalitionspartner ebenfalls deutlich an Stimmen verloren, gibt es für Nuno Santos keine Chance, eine linke Minderheitsregierung anzuführen.

Luis Montenegro
AP/Armando Franca
Luis Montenegro gibt vor Anhängerinnen und Anhängern seinen Sieg bekannt

Die Wahl zeigt den Aufstieg der Rechtsextremen: Chega konnte ihren Stimmenanteil von der letzten Wahl 2022 mit 7,2 Prozent auf 18,1 Prozent bei diesem Urnengang mehr als verdoppeln. Abgeschlagen auf den weiteren Plätzen landeten die Liberalen (IL) und der Linksblock (Bloco de Esquerda (BE)) mit 5,1 bzw. 4,5 Prozent der Stimmen und die Kommunisten mit 3,3 Prozent. Die Grünen kamen ebenfalls auf 3,3 Prozent.

Montenegro schließt Kooperation mit Chega erneut aus

Die Regierungsbildung dürfte sich schwierig gestalten, die AD hatte im Vorfeld des Urnenganges jegliche Vereinbarungen mit der Chega ausgeschlossen. Für die politischen Parteien im neuen Parlament sei es entscheidend, verantwortungsvoll zu handeln und „die Wünsche des portugiesischen Volkes“ zu erfüllen, das ihm den Sieg beschert habe, so Montenegro in den frühen Morgenstunden vor Anhängern und Anhängerinnen.

Er werde sich beim Regieren nicht auf Chega verlassen und keine Absprachen mit der Partei treffen, sagte er und erteilte damit einer Zusammenarbeit erneut eine Abfuhr. Deren rassistische, fremdenfeindliche und populistische Einstellung sei nicht mit den Werten seiner Partei vereinbar, hatte er bereits im Wahlkampf gesagt.

Andre Ventura
AP/Joao Henriques
Chega-Vorsitender Andre Ventura will seine Partei in der Regierung sehen

Experte prognostiziert baldige Neuwahl

Der Chega-Vorsitzende, der ehemalige TV-Sportkommentator Andre Ventura, sah das anders. Er sagte nach Bekanntgabe des vorläufigen Wahlergebnisses, die Wahl zeige „eindeutig, dass die Portugiesen eine Regierung aus AD und Chega wollen“. Die gemäßigt linke Sozialistische Partei und die konservative Sozialdemokratische Partei wechseln einander seit Jahrzehnten an der Macht ab. Eine Koalition der beiden großen Parteien bzw. Wahlbündisse PS und AD gilt traditionellerweise als ausgeschlossen.

Nuno Santos erteilte einer Koalition bereits vor der Wahl eine klare Absage: Er und Montenegro hätten eine zu „unterschiedliche Vision von Portugal, von unserer Gesellschaft und unserer Politik“. Fachleute rechnen daher mit einer baldigen Neuwahl.

Hält der „Cordon sanitaire“ gegen Chega?

Für die Regierungsbildung sind die SD und die AD von kleineren Partnern abhängig. In der Vergangenheit hatten die Sozialisten mit den Kommunisten oder dem kleinen Linksblock in der Regierung koaliert. Die große Frage ist, ob Chega trotz aller wiederholten Ablehnung in zähen Verhandlungen nicht doch zum Königsmacher wird.

Der „Cordon sanitaire“, also die Weigerung, mit rechtsextremen Parteien zusammenarbeiten, habe „für andere europäische Demokratien nicht funktioniert, und Portugal wird ein weiteres Beispiel sein“, sagte Antonio Costa Pinto, Politikwissenschaftler an der Universität Lissabon, im Vorfeld der Wahl im „Guardian“.

Jahr mit großer Symbolik

Im Wahlkampf hatten die Immobilienkrise, niedrige Löhne, schlechte Gesundheitsversorgung und vor allem Korruption, die von vielen Wählerinnen und Wählern als typisch für die großen Parteien angesehen wird, eine Rolle gespielt.

Die Wahl war auch wegen eines Jubiläums politisch aufgeheizt. Sie fiel mitten in die Vorbereitungen auf den 50. Jahrestag der Nelkenrevolution am 25. April, an dem die Demokratie gefeiert wird. 1974 wurde friedlich die rechte Diktatur gestürzt, und ausgerechnet die Wahl im Jubiläumsjahr könnte nun zu einer Regierungsbeteiligung der Rechtsextremen führen.

Pedro Nuno Santos
APA/AFP/Patricia De Melo Moreira
Pedro Nuno Santos geht mit seinen Sozialisten in die Opposition

Die Wahl war notwendig geworden, da der sozialistische Premier Antonio Costa Anfang November wegen Korruptionsermittlungen der Justiz gegen ihn und andere Regierungsmitglieder zurückgetreten und vom früheren Infrastrukturminister Nuno Santos an der Parteispitze ersetzt worden war. Costa wies zwar jede Schuld von sich, sagte aber, die Position des Regierungschefs sei mit einem Verdacht, eine Straftat begangen zu haben, nicht vereinbar.