Ausschusslokal im Parlament
ORF.at/Roland Winkler
„Rot-blauer Machtmissbrauch“

Wackliger Start für nächsten U-Ausschuss

Nach dem von SPÖ und FPÖ eingesetzten parlamentarischen COFAG-Untersuchungsausschuss startet nun auch jener, den die ÖVP angestrengt hat. Es geht um „rot-blauen Machtmissbrauch“ – Untersuchungsgegenstand ist die Frage, ob von SPÖ- und FPÖ-Regierungsbeteiligten „öffentliche Gelder im Bereich der Vollziehung des Bundes aus sachfremden Motiven zweckwidrig verwendet wurden“. Mit Dutzenden geladenen Auskunftspersonen verfolgt die ÖVP ein ambitioniertes, wegen Zeugenschwunds allerdings zumindest zum Auftakt ins Wackeln geratenes Programm.

Mit Wolfgang Peschorn, Präsident der Finanzprokuratur und nach dem Ende von Schwarz-Blau auch kurzzeitig als Innenminister eingesetzt, einem Mitarbeiter des Innenministeriums und dem ehemaligen Generalsekretär des Innenministeriums steht für Mittwoch zwar noch der zuletzt festgesetzte Ladungsplan.

Am Donnerstag werden die Abgeordneten aber wohl nur zusammenkommen, um das Nichterscheinen der für diesen Tag geladenen Auskunftspersonen feststellen zu müssen. Wie sich seit Ende letzter Woche abzeichnet, wird angesichts fehlender Zusagen der für Donnerstag geladenen Auskunftspersonen somit wohl nur der Mittwoch mit Befragungen verbracht werden.

Fokus auf Mitarbeitergehälter

Peschorn war bereits beim COFAG-Ausschuss, der die Covid-19-Finanzierungsagentur (COFAG) und deren Fördervergaben zum Inhalt hat, die erste Befragungsperson. Im Fokus der Befragung dürften die Amtszeit des nunmehrigen FPÖ-Chefs Herbert Kickl als Innenminister und dessen Ressortführung liegen.

Wie ÖVP-Fraktionsführer Andreas Hanger am Dienstag ankündigte, wolle die ÖVP Peschorn unter anderem zu einem Revisionsbericht befragen, in dem es um Kickls Kabinett und die dortigen Mitarbeitergehälter ebenso geht wie um den Stab von Kickls einstigem Generalsekretär Peter Goldgruber. Dieser kommt ebenso als Auskunftsperson. Geladen ist zudem der Leiter der Internen Revision im Innenministerium.

Drohung mit Beugestrafe

Der zweite Befragungstag dürfte angesichts fehlender Zusagen komplett ausfallen. Die ÖVP wollte an diesem Tag unter anderem Kickls ehemaligen Kabinettschef und nunmehrigen Klubchef im niederösterreichischen Landtag, Reinhard Teufel, befragen. Dieser sollte zunächst schon für Mittwoch geladen werden, „aktenbedingt“ verabschiedete sich die ÖVP aber von dieser Idee.

Seit Freitag versuchte man nun, ihn für kommenden Donnerstag zu laden, so Hanger, der dazu am Dienstag bei einer Pressekonferenz anfügte, dass Teufel seither auf Tauchstation und für die Parlamentsdirektion nicht zu erreichen gewesen sei.

Insgesamt hätten dem ÖVP-Fraktionsführer zufolge bisher fünf Personen aus dem „blauen Dunstkreis“ mit „teils fadenscheinigen Argumenten“ ihr Nichterscheinen angekündigt. „Wir werden uns diese blauen Fluchtversuche nicht bieten lassen“, so Hanger, dem zufolge man die Betroffenen neuerlich laden werde bzw. auch Beugestrafen beantragen werde.

U-Ausschuss zu rot-blauem Machtmissbrauch

Am Mittwoch beginnt der parlamentarische Untersuchungsausschuss zu angeblichem rot-blauen Machtmissbrauch in früheren Regierungen. Der U-Ausschuss wurde auf Verlangen der ÖVP eingesetzt, die anderen Parteien haben im Vorfeld den Sinn der Untersuchung in Frage gestellt.

Ladungsliste mit prominenten Namen

Im Verlauf des U-Ausschusses erwartet die ÖVP schließlich auch FPÖ-Chef Kickl selbst im Ausschuss. Der genaue Termin steht noch nicht fest. Aufseiten der FPÖ befinden sich mit Norbert Hofer, Beate Hartinger-Klein und Mario Kunasek noch weitere ehemalige Regierungsmitglieder auf der laut APA offenbar bis zu 35 Personen umfassenden ÖVP-Ladungsliste.

Von der SPÖ wurden hier unter anderen die beiden Ex-Kanzler Christian Kern und Werner Faymann genannt. Auskunft erwartet sich die ÖVP hier Berichten zufolge auch von Faymanns ehemaligem Kabinettschef im Verkehrsministerium, Josef Ostermayer, der zweiten Nationalratspräsidentin Doris Bures, Jörg Leichtfried, Norbert Darabos und Hans Peter Doskozil. An wie vielen Befragungstagen SPÖ-Vertreter geladen werden, ist bisher noch offen.

Gagen, Beraterverträge, Marsalek

Grundsätzlich hänge die Ladung der Auskunftspersonen auch am Umfang der gelieferten Akten, so Hanger, dem zufolge „bei Weitem“ noch nicht alle Unterlagen geliefert worden seien, die man angefragt habe. Neben Fragen zu den im Kabinett Kickl gezahlten Gagen will die ÖVP Beraterverträgen, aber auch Teufels Dienstautonutzung auf den Grund gehen. Als weitere Themen nannte Hanger neben der Affäre um das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) auch die Kontakte des mit Spionagevorwürfen konfrontierten und auf der Flucht befindlichen Ex-Wirecard-Vorstandsmitglieds Jan Marsalek zu Kickl sowie die Causa FPÖ-Finanzen in der Steiermark.

ORF.at-Berichterstattung

ORF.at berichtet über den COFAG-U-Ausschuss und den „Rot-Blau“-U-Ausschuss direkt aus dem Sitzungslokal im Parlament.

Klar definiert ist wie bei U-Ausschüssen üblich der zur Untersuchung stehende Zeitraum. Demnach will die ÖVP die Regierungsbeteiligungen der SPÖ und der FPÖ in der Zeit von 11. Jänner 2007 bis 7. Jänner 2020 unter die Lupe nehmen. Auf der Suche nach einer möglichen zweckwidrigen Verwendung öffentlicher Gelder in von „roten“ bzw. „blauen“ Ministern und Ministerinnen geleiteten Ressorts interessiere sich die ÖVP konkret für Inseratenschaltungen, Medienkooperationsvereinbarungen, Umfragen, Gutachten, Studien und andere Auftragsvergaben, heißt es dazu vonseiten der Parlamentskorrespondenz.

Zudem seien die Besetzung von Leitungspositionen in der Bundesverwaltung und bei ausgegliederten Rechtsträgern sowie etwaige staatsanwaltliche Ermittlungen Teil des – insgesamt sieben Beweisthemen umfassenden – Untersuchungsgegenstands. Inhalt des von der ÖVP verlangten U-Ausschusses sei schließlich ebenfalls die COFAG, wie das Parlament per Aussendung festhält. „Dabei interessiert die ÖVP-Fraktion, ob der SPÖ oder der FPÖ nahestehende natürliche oder juristische Personen aus ‚unsachlichen Gründen‘ über Steuerbegünstigungen, Steuernachlässe oder andere Begünstigungen bevorzugt behandelt worden sind.“

Eng gesteckter Zeitrahmen

Neben dem 13. und 14. März sind noch der 10. und 11. April sowie der 7. und 8. Mai als Befragungstage, bei denen jeweils maximal vier Auskunftspersonen geladen werden dürfen, vorgesehen. Dazu kommt der 23. Mai als möglicher Reservetag. Die Vorlage des Endberichts ist dann für 1. Juli geplant. Hinter dem eng gesteckten Zeitrahmen des 29. parlamentarischen U-Ausschusses in der Zweiten Republik liegt wie beim COFAG-Ausschuss die spätestens im Herbst anstehende Nationalratswahl: Per Gesetz müssen parlamentarische U-Ausschüsse drei Monate vorher beendet werden.

Den Vorsitz führt in beiden U-Ausschüssen gemäß Verfahrensordnung Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP). Verfahrensrichterin ist ebenfalls in beiden Untersuchungsausschüssen Christa Edwards, Richterin am Oberlandesgericht Wien. Zum stellvertretenden Verfahrensrichter im „Rot-blauer Machtmissbrauch“-Untersuchungsausschuss wurde Wolfgang Köller bestimmt. Als Verfahrensanwälte fungieren wie beim COFAG-Ausschuss Michael Kasper bzw. Barbara Schütz als seine Stellvertreterin.

FPÖ im Fokus

Politikexpertin Helma Poschner (ORF) spricht über die Pressekonferenz mit Andreas Hanger (ÖVP), wo Kritik in Richtung FPÖ geäußert wird, unter anderem, ob es bei dem U-Ausschuss nun nur noch um die FPÖ geht.

„Aufklärung, die hat keine Farbe“

Nachdem bereits Hanger den Ausschuss bei seiner Pressekonferenz am Dienstag mehrfach als „blauen Machtmissbrauch“-U-Ausschuss bezeichnet hatte, richtet sich auch bei den Grünen der Fokus Richtung FPÖ. Grünen-Fraktionsführerin Meri Disoski sprach am Dienstag etwa von Hinweisen auf ein wahres „Gagenparadies“ in den FPÖ-geführten Ministerien.

Verstärktes Interesse gebe es aber auch an der einst unter Ex-FPÖ-Gesundheitsministerin Hartinger-Klein versprochenen Patientenmilliarde – die dem Steuerzahler unterm Strich dann 215 Millionen Euro gekostet habe. Inwieweit im U-Ausschuss auch noch Zeit für die SPÖ bleibt, werde sich weisen, so Disoski, die dazu sagte: „Unsere Liebe gilt der Aufklärung, die hat keine Farbe.“

Kritik an der FPÖ kam von NEOS-Fraktionsführer Yannick Shetty. Deren fehlendes Aufklärungsbedürfnis sei „anmaßend, wenn auch wenig überraschend“, meinte er schriftlich gegenüber der APA. Im Namen von NEOS forderte er ein Verbot von Regierungsinseraten in Partei- und parteinahen Medien sowie eine drastische Beschränkung der Regierungsausgaben und eine Reduzierung des Rahmenvertrags, also einen Deckel für Regierungsinserate.

„Weiterhin keine Klarheit“

FPÖ-Generalsekretär Christian Hafenecker, Fraktionsvorsitzender seiner Partei in beiden U-Ausschüssen, bezeichnete die Äußerungen Hangers als „hilflose ÖVP-Märchenstunde aus purer Verzweiflung“. In einer Aussendung sprach er von einer „hemmungslosen Selbstanklage“ der Volkspartei und dem Versuch, die Aufklärung im Rahmen des COFAG-U-Ausschusses zu sabotieren.

So wie die FPÖ stellte im Vorfeld auch die SPÖ nicht nur die Sinnhaftigkeit, sondern auch die Verfassungskonformität infrage. Daran hat sich auch nach dem Gang zum Verfassungsgerichtshof (VfGH) nichts geändert. Wie SPÖ-Fraktionsführerin Eva-Maria Holzleitner Anfang März in diesem Zusammenhang sagte, gebe es auch weiterhin keine Klarheit darüber, ob der von der ÖVP ins Leben gerufene Untersuchungsausschuss überhaupt verfassungskonform sei.