Brennende Barrikaden auf Haiti
Reuters/Ralph Tedy Erol
Gewalt eskaliert

Diplomatisches Personal verließ Haiti

Angesichts der Gewalteskalation in Haiti haben die USA und die Europäische Union (EU) ihr gesamtes diplomatisches Personal aus dem Karibikstaat ausgeflogen. Das Personal sei an einen sichereren Ort außerhalb des Landes gebracht worden, sagte ein EU-Sprecher am Montag in Brüssel. Er begründete den Schritt mit der „dramatischen Verschlechterung der Sicherheitslage“ in Haiti.

Die EU sei „äußerst besorgt“ über die Entwicklungen der vergangenen Tage in Haiti, sagte der Sprecher in Brüssel weiter. Zuvor hatten bereits die USA den Abzug von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen aus ihrer Botschaft in der Hauptstadt Port-au-Prince bekanntgegeben. Österreich hat in Haiti nach Angaben des Außenministeriums keine Botschaft, es wird von der Botschaft in Kuba mitbetreut.

Angesichts der eskalierenden Bandengewalt forderte der UNO-Sicherheitsrat die politischen Vertreter des Karibikstaates zu Verhandlungen über Neuwahlen auf. Ziel müsse es sein, die „demokratischen Institutionen“ im Land wiederherzustellen, erklärte das höchste UNO-Gremium am Montag. Der Sicherheitsrat rief die bewaffneten Banden auf, „ihre destabilisierenden Aktionen sofort einzustellen“.

Haitis Regierungschef Ariel Henry
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Haitis Regierungschef Ariel Henry

Die Gewalt in Haiti war in Abwesenheit von Haitis Regierungschef Ariel Henry eskaliert, während sich dieser auf einer Auslandsreise in Kenia befand. Die bewaffneten Banden im Land fordern den Rücktritt Henrys, der eigentlich Anfang Februar aus dem Amt scheiden hätte sollen. Henry regiert seit der Ermordung des Präsidenten Jovenel Moise am 7. Juli 2021, seitdem hat es keine Wahlen gegeben.

Keine Einreise für Henry via Dominikanischer Republik

Henry hatte sich stattdessen Ende Februar mit der Opposition darauf verständigt, bis zur Abhaltung von Neuwahlen gemeinsam zu regieren. Seit seiner Kenia-Reise kehrte er offenbar wegen der Sicherheitslage nicht nach Haiti zurück und befindet sich weiter in Puerto Rico. Beide internationale Flughäfen in Haiti sind überdies wegen der Gewalt geschlossen. Eine Einreise über die Dominikanische Republik ist ebenfalls ausgeschlossen.

Der Präsident der Dominikanischen Republik, Luis Abinader, erklärte Henry am Samstag zur unerwünschten Person. Aus Sicherheitsgründen sei dieser nicht willkommen, teilte Abinaders Büro mit. Die Krise in Haiti stelle auch eine direkte Bedrohung der Stabilität und Sicherheit der Dominikanischen Republik dar. Das bei Urlaubern und Urlauberinnen beliebte Land liegt wie Haiti auf der Karibikinsel Hispaniola.

Bandenchef Jimmy Cherizier, alias „Barbecue“
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Bandenchef Jimmy Cherizier, alias „Barbecue“ (Zweiter von links)

„Unberechenbare Sicherheitslage“

Die bewaffneten Banden in Haiti, die den größten Teil von Port-au-Prince sowie Straßen im Rest des Landes kontrollieren, griffen Polizeistationen, Gefängnisse und Gerichte an. Am Freitag hatten nach Angaben der haitianischen Polizeigewerkschaft bewaffnete Männer den Präsidentenpalast und das Polizeipräsidium in Port-au-Prince angegriffen. Mehrere Angreifer seien getötet worden. Als mächtigster Bandenchef gilt Jimmy Cherizier, alias „Barbecue“.

Ein Sprecher des deutschen Außenministeriums in Berlin bezeichnete die Lage in Haiti am Montag als „sehr angespannt“, die Zustände seien „furchtbar“. Die Ausreise des diplomatischen Personals begründete er mit der „sehr zugespitzten und unberechenbaren Sicherheitslage“. „Es gibt eine Reihe großer gut bewaffneter Banden, die das Staatswesen herausfordern“, sagte der Sprecher weiter. Die haitianische Regierung habe internationale Schutztruppen in das Land eingeladen, um dabei zu helfen, Sicherheit und Ordnung wiederherzustellen. Dazu habe sich unter anderem Kenia bereiterklärt, fügte der Sprecher hinzu.

Polizeikräfte in den Straßen von Haiti
Reuters/Ralph Tedy Erol
Polizeikräfte in den Straßen von Port-au-Prince

Außenministerium: Keine Österreicher in Haiti

Laut dem österreichischen Außenministerium in Wien sind aktuell „keine österreichischen Reisenden in Haiti registriert“. Für den Karibikstaat würde zudem bereits seit Dezember letzten Jahres eine Reisewarnung gelten, hieß es am Montag auf APA-Anfrage.

Haiti steckt seit Jahren in einer schweren Krise, zu der neben Bandengewalt auch politische Instabilität und wirtschaftliche Not gehören. Allein in den vergangenen fünf Jahren hat sich die Zahl der auf humanitäre Hilfe angewiesenen Menschen in dem Land nach UNO-Angaben verdoppelt.