Altstadt in Sarajevo
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Bosnien und Herzegowina

Empfehlung für EU-Beitrittsgespräche

Bosnien und Herzegowina ist einer Mitgliedschaft in der Europäischen Union einen Schritt näher. Am Dienstag empfahl die EU-Kommission Beitrittsverhandlungen mit dem Westbalkan-Staat. Bosnien habe „beeindruckende Schritte in unsere Richtung gemacht“, sagte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Aber einige Hindernisse bleiben.

Bosnien-Herzegowina mit seinen rund 3,2 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern und umgeben von Kroatien, Serbien und Montenegro hat seit Ende 2022 den EU-Kandidatenstatus. Mit Österreich hat das Land einen Unterstützer auf dem Weg in die EU. Von der Leyen strich am Dienstag in einer Rede vor dem EU-Parlament in Straßburg „beeindruckende Schritte“ des Landes hervor.

„In gerade einmal etwas mehr als einem Jahr wurden größere Fortschritte erzielt als zuvor in über zehn Jahren“, sagte sie. Weiters sei das Land dabei, wichtige Gesetze zu verabschieden. Als Beispiele nannte die Kommissionspräsidentin ein Gesetz zur Vermeidung von Interessenkonflikten, das sieben Jahre feststeckte, und eines zur Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung.

„In Zeiten geopolitischer Verwerfungen“

„Natürlich bedarf es weiterer Fortschritte, um in unsere Union aufgenommen zu werden. Aber das Land zeigt, dass es die Beitrittskriterien erfüllen kann und die Bestrebungen seiner Bürgerinnen und Bürger unterstützt, Teil unserer Familie zu werden“, so von der Leyen.

Ursula von der Leyen vor dem EU-Parlament in Straßburg
APA/AFP/Frederick Florin
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sieht Bosnien auf dem Weg in Richtung EU-Beitritt

Außerdem habe sich das Land vollständig an die Außen- und Sicherheitspolitik der EU angeglichen, was vor allem in „Zeiten geopolitischer Verwerfungen von entscheidender Bedeutung“ sei. Verbesserungen sah die Kommission entsprechend bei der Steuerung der Migration („Migrationsmanagement“) über den Balkan.

Entscheidendes Thema EU-Außengrenze

Die Verhandlungen mit der EU-Grenzschutzagentur Frontex über eine Vereinbarung zu einer stärkeren Zusammenarbeit an den EU-Außengrenzen könnten beginnen, sobald der Ratsvorsitz das Verhandlungsmandat gebilligt hat. Das bosnische Justizministerium habe zugestimmt, die Urteile des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) für das ehemalige Jugoslawien in das Strafregister des Landes aufzunehmen, so von der Leyen weiter.

Mit ihrer Empfehlung bereitet die Kommission den Weg, damit die EU-Staats- und -Regierungschefs auf ihrem Gipfel in Brüssel kommende Woche offiziell den Beginn der Verhandlungen beschließen können. Bosnien hatte seinen Beitrittsantrag am 15. Februar 2016 gestellt und ist seit 15. Dezember 2022 offizieller Beitrittskandidat. Der EU-Gipfel hatte im Dezember 2023 die Aufnahme der Beitrittsgespräche mit der Bedingung in die Wege geleitet, dass weitere Reformschritte zu erfüllen seien.

Positive Reaktionen aus Österreich

Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) begrüßte die Entscheidung der EU-Kommission. „Ich freue mich, dass sich unser Einsatz gelohnt hat!“, schrieb er auf X (Twitter). „Das Land hat hart an Reformen gearbeitet und enorme Fortschritte gemacht. Österreich war und ist ein engagierter und starker Partner der Westbalkan-Staaten und ihrer europäischen Integration“, versicherte Nehammer.

Grafik zu EU-Erweiterungsperspektiven inkl. Bosnien
Grafik: APA/ORF; Quelle: APA

Auch Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) lobte das „starke Signal für die EU Integration des Westbalkans“. Es sei „an der Zeit, dass die Staats- und Regierungschefs der EU die verstärkten Reformfortschritte anerkennen und Bosnien auf seinem Weg unterstützen“.

Justizministerin Alma Zadic (Grüne) zeigte sich ebenfalls erfreut: „Das ist ein wichtiger Schritt für ein starkes und geeintes Europa.“ Es stärke auch das Vertrauen der Menschen in Bosnien in die Zukunft ihres Landes. Österreich unterstütze die Beitrittsländer bei den notwendigen Justizreformen.

Sarajevo erwartet grünes Licht

Wenn der EU-Gipfel kommende Woche zusammenkommt, rechnet Bosnien mit der Zustimmung zum Beginn von Verhandlungen. „Wir erwarten grünes Licht als politische und strategische Botschaft an die Bürger von Bosnien-Herzegowina, aber auch an Russland“, das vor allem zur Republika Srpska gute Beziehungen pflegt,
sagte der bosnische Außenminister Elmedin Konakovic unlängst. „Wenn wir in den Zug einsteigen, ist das auch die Botschaft an Russland, sich aus diesem Teil der Welt zurückzuziehen.“

Da allerdings die Zustimmung der 27 EU-Staaten zu Verhandlungen selbst bei einer entsprechenden Empfehlung der EU-Kommission nicht sicher ist, appellierte Konakovic an die Union, „Führungsstärke zu zeigen“. Seine Regierung hoffe, dass „nicht Bürokratie über Leadership“ gewinne: „Wir werden die bürokratischen Vorgaben erfüllen, aber nun hoffen wir auf Leadership.“

Empfehlung noch kein Freifahrtschein

Die Empfehlung für Beitrittsgespräche mit der Union bedeutet keineswegs, dass alle Hürden beseitigt sind. Es ist auch offen, wie lange die Gespräche dauern werden. Die Türkei etwa wurde 1999 EU-Kandidat – und ist aktuell von der EU denkbar weit weg. Es ist theoretisch auch möglich, dass Beitrittsverhandlungen negativ ausgehen.

Von den sechs Westbalkan-Staaten Serbien, Bosnien, Montenegro, Kosovo, Albanien und Nordmazedonien ist aktuell nur noch der Kosovo kein Beitrittskandidat. Allerdings hat auch das kleinste Land Südosteuropas bereits einen Antrag auf EU-Mitgliedschaft gestellt.

Für den jüngsten Staat Europas war es ein eher symbolischer Akt: Die EU-Mitgliedschaft ist für das seit 2008 unabhängige Land derzeit nicht in Reichweite. Haupthindernis ist, dass fünf EU-Länder – Spanien, Rumänien, die Slowakei, Griechenland und Zypern – den Kosovo nicht anerkennen.