Mitglieder der Miliz „Freiheit für Russland“ mit einem Mörser
Reuters/Alex Babenko
Proukrainische Milizen

Haben russische Dörfer erobert

Bewaffnete russische Milizen, die im Sinne der Ukraine agieren, sind nach eigenen Angaben am Dienstag in russische Ortschaften nahe der ukrainischen Grenze eingerückt. Das Grenzdorf Tjotkino in der Region Kursk sei vollständig eingenommen worden, meldete eine der Milizen. Dasselbe gelte für eine weitere Ortschaft. Moskau dementiert und sagt, man habe alle Angriffe zurückgeschlagen. Die Berichte sind nicht überprüfbar, auch die Hintergründe liegen im Dunkeln.

„Die Legion ‚Freiheit Russlands‘, das ‚Russische Freiwilligenkorps‘ und das ‚Sibirische Bataillon‘ sind in die Gebiete Kursk und Belgorod im Rahmen einer gemeinsamen Operation vorgedrungen“, schrieb der in der Ukraine lebende Ex-Abgeordnete der russischen Duma, Ilja Ponomarjow, am Dienstag auf Telegram.

Ponomarjow berichtete, es habe Kämpfe in Tjotkino gegeben. Auch der Weiler Losowaja Rudka im Gebiet Belgorod soll unter Kontrolle der Putin-Gegner sein. Dazu wurden Videos unter anderem von einem Panzer in einem Dorf gezeigt.

Moskau dementiert

Das Verteidigungsministerium in Moskau teilte seinerseits mit, mehrere Angriffe Bewaffneter aus der Ukraine seien zurückgeschlagen worden. „Dank der aufopferungsvollen Aktionen russischer Soldaten wurden alle Angriffe durch ukrainische Terrorgruppen zurückgeschlagen.“ Laut russischen Angaben sollen dabei ein Mensch getötet und zehn weitere verletzt worden sein.

Die Angreifer seien von der russischen Armee durch die Luftwaffe, Raketen und Artilleriefeuer vertrieben worden, hieß es. Auch der „versuchte Angriff“ auf Tjotkino sei gescheitert. Die „Sabotagetrupps“ aus der Ukraine hätten in der Nacht grenznahe Dörfer beschossen, hieß es aus dem Ministerium weiter. Dann seien sie an drei Stellen im Gebiet Belgorod mit Panzern und gepanzerten Fahrzeugen vorgerückt.

Der russische Inlandsgeheimdienst FSB erklärte, seit Sonntag seien mehrere grenzüberschreitende Angriffsversuche in Belgorod und Kursk vereitelt worden. Kreml-Sprecher Dmitri Peskow versicherte, das russische Militär ergreife alle erforderlichen Maßnahmen, um die ukrainischen Angriffe abzuwehren. In der Stadt Kursk, der Hauptstadt von Belgorods Nachbarregion, wurden angesichts der Angriffe bis Ende der Woche die Schulen geschlossen. Er habe entschieden, „die Schulen auf Fernunterricht umzustellen“, sagte Bürgermeister Igor Kuzak.

Angriffe mit Drohnen und Raketen

Zudem hieß es aus Moskau, die Ukraine habe in der Nacht auf Dienstag mit zahlreichen Kampfdrohnen und Raketen mehrere Ziele angegriffen. Unter anderem wurden ein Treibstofflager, eine Raffinerie und ein Rathaus getroffen. Das am weitesten entfernte Ziel war laut Medien eine Ölraffinerie in Kstowo bei Nischni Nowgorod. Die Stadt liegt rund 800 Kilometer von der Ukraine entfernt.

Angriffe auf russische Grenzregion

Kurz vor der russischen Präsidentschaftswahl steht Russlands Grenzregion zur Ukraine durch russische Milizen, die auf der Seite Kiews kämpfen, verstärkt unter Beschuss. Die Ukraine griff gleichzeitig mit einer Serie von Drohnen russisches Gebiet an.

Die Ukraine, die im eigenen Land an der Front schwer unter Druck steht, hatte ihre Angriffe auf Russland in den vergangenen Monaten verstärkt und sich dabei besonders auf Grenzregionen wie Belgorod konzentriert.

Ukraine will nichts mit Milizen zu tun haben

Die russischen Militärangaben waren ebenso wie die Angaben der proukrainischen russischen Kämpfer nicht unabhängig überprüfbar. Von offizieller ukrainischer Seite wurde am Dienstag betont, die Kämpfer agierten auf eigene Faust. Der Sprecher des ukrainischen Militärgeheimdiensts, Andrij Jussow, betonte gegenüber Kiewer Medien, dass die Einheiten ausschließlich aus russischen Staatsbürgern bestünden.

„Auf dem Gebiet der Russischen Föderation handeln sie absolut autonom, selbstständig und setzen ihr gesellschaftlich-politisches Programm um“, sagte der Geheimdienstvertreter dem Internetportal Ukrajinska Prawda.

Spekulationen über Hintergründe

Die vermummten Kämpfer in ukrainischen Uniformen riefen in ihren Videobotschaften auch dazu auf, die Präsidentschaftswahl in Russland von Freitag bis Sonntag zu ignorieren. Dann will sich Kreml-Chef Wladimir Putin für weitere sechs Jahre wählen lassen. In sozialen Netzwerken kamen am Dienstag schnell Spekulationen über die möglichen Hintergründe auf – auch darüber, ob solche Berichte Putin schaden oder gar helfen könnten.

Es waren nicht die ersten Meldungen über ein Eindringen von der Ukraine aus auf russisches Gebiet in diesem Krieg. Im Mai und Juni 2023 gelang es „Freiheit für Russland“ und dem „Russischen Freiwilligenkorps“ nach eigenen Angaben, mehrere Siedlungen in Belgorod einzunehmen. Im März hatte sich das „Freiwilligenkorps“ zu einem Angriff auf die Grenzregion Brjansk bekannt. Russland hatte daraufhin die Ukraine mit einer Welle von Raketenangriffen überzogen.