Polizeiabsperrung am Ort des Anschlags
AP/Mindaugas Kulbis
Litauen

Entsetzen nach Angriff auf Nawalny-Vertrauten

Der Angriff auf den russischen Oppositionellen Leonid Wolkow im Exil in Litauen sorgt für Entsetzen. Die Nachrichten über den engen Vertrauten des in russischer Haft verstorbenen Regimekritikers Alexej Nawalny sei „schockierend“, sagte Litauens Außenminister Gabrielius Landesbergis. Auch Wolkow selbst reagierte in einem Video Mittwochfrüh auf die Attacke. Er wolle sich nicht einschüchtern lassen.

„Sie wollten buchstäblich Schnitzel aus mir machen“, so Wolkow. Er sprach in dem auf Telegram veröffentlichten Video von einem „typischen“ Angriff der Schergen des russischen Präsidenten Wladimir Putin. Wolkow wurde bei dem Angriff vor seinem Haus in Vilnius unter anderem der Arm gebrochen. Jemand habe ihm bei dem Angriff „etwa 15-mal auf das Bein geschlagen“.

„Das Bein ist irgendwie okay. Beim Gehen tut es weh. (…) Aber mein Arm ist gebrochen.“ Wolkow wurde vorübergehend in ein Krankenhaus eingeliefert, später aber wieder entlassen. Wolkows Ehefrau verbreitete Fotos ihres verletzten Ehemannes. Auf ihnen war unter anderem zu sehen, dass der 43-Jährige ein blaues Auge und Blut am Bein hatte, das durch seine Jeans drang.

Angriff mit Hammer

Nawalnys frühere Sprecherin Kira Jarmisch hatte zuvor erklärte, Wolkow sei zunächst in seinem Auto angegriffen worden. „Jemand hat ein Autofenster zerschlagen und Tränengas in seine Augen gesprüht“, schrieb sie im Kurzbotschaftendienst X (Twitter). „Danach hat der Angreifer begonnen, Leonid mit einem Hammer anzugreifen.“

Polizeiabsperrung am Ort des Anschlags
AP/Mindaugas Kulbis
Der Angriff ereignete sich in der Nähe von Wolkows Haus in Vilnius

Die Täter sollen für ihr Verbrechen zur Rechenschaft gezogen werden, forderte Außenminister Landesbergis. Wolkow will sich von dem Angriff nicht einschüchtern lassen: „Wir werden arbeiten und wir werden nicht aufgeben.“

Die litauische Polizei bestätigte, dass ein russischer Staatsbürger am späten Dienstagabend nahe seines Hauses in der litauischen Hauptstadt Vilnius angegriffen wurde. Die Untersuchungen laufen – es werde in mehrere Richtungen ermittelt, so die Polizei. Die Täter konnten noch nicht identifiziert werden. Die litauische Polizei setze „enorme Ressourcen“ ein, um den Angriff auf Wolkow zu untersuchen, hieß es am Mittwoch vom litauischen Polizeipräsidenten Renatas Pozela.

Litauischer Präsident: Anschlag geplant

Der litauische Präsident Gitanas Nauseda geht davon aus, dass der Anschlag auf Wolkow geplant war und im Zusammenhang mit anderen Provokationen gegen Litauen steht. Putin teilte Nauseda am Mittwoch eine Botschaft mit: „Hier hat niemand Angst vor dir.“ Der Anschlag sei „wahrscheinlich von Russland organisiert und ausgeführt“ worden, teilte die litauische Spionageabwehr mit. Es gebe möglicherweise Verbindungen mit der Ende der Woche beginnenden russischen Präsidentschaftswahl.

Die US-Botschafterin in Litauen, Kara McDonald, würdigte Wolkows „Widerstandsfähigkeit und Mut angesichts der jüngsten Versuche, ihn zum Schweigen zu bringen und einzuschüchtern“. Diese seien für andere Menschen inspirierend. „Das Nawalny-Team bleibt eine deutliche Stimme gegen die Unterdrückung und Brutalität des Kreml.“

Wolkow fürchtete um seine Sicherheit

Nur wenige Stunden vor dem Angriff gegen ihn hatte Wolkow gegenüber der russischen Nachrichtenseite Medusa mitgeteilt, dass er nach Nawalnys Tod auch um seine Sicherheit fürchte. „Das große Risiko ist jetzt, dass wir alle getötet werden. Warum, ist ziemlich offensichtlich.“ Auf Onlineplattformen hatte er am Tag vor dem Angriff noch ganz eindeutig Putin die Schuld an Nawalnys Tod zugeschrieben: „Putin hat Nawalny getötet. Und davor viele andere.“

Der Ex-Mitarbeiter von Alexej Nawalny, Leonid Wolkow
Reuters/Gerhard Mey
Wolkow will den Kampf gegen das Putin-Regime trotz des Angriffs nicht aufgeben

Der Angriff auf den russischen Oppositionellen im Exil erfolgt nur knapp einen Monat nach dem Tod Nawalnys und wenige Tage vor dem Urnengang, bei dem sich Putin wieder zum russischen Präsidenten wählen lassen möchte.

Seit 2019 im Exil

Wolkow stand Nawalny nahe, arbeitete auch für ihn als Stabschef. Bis 2023 leitete er die von Nawalny gegründete Antikorruptionsstiftung. Gemeinsam mit anderen Nawalny-Verbündeten war Wolkow 2019 ins Exil gegangen, nachdem die russischen Behörden Ermittlungen gegen die Stiftung eingeleitet hatten. Seit 2021 wird Wolkow wegen seiner Rolle bei Massenprotesten gegen den Kreml von den russischen Behörden gesucht.

Im selben Jahr wurden Nawalnys Gruppen als „extremistische“ Organisationen eingestuft. Der Angriff von Dienstagabend ist die erste Attacke, seit Nawalnys Verbündete Russland verlassen haben. Die meisten von Nawalnys engsten Verbündeten stehen auf der Fahndungsliste Moskaus und würden bei einer Einreise nach Russland mit langjährigen Haftstrafen rechnen müssen.