Baumaterialien und Bagger auf Baustelle
ORF/Ákos Heves
Recycling

Ungenutzte Schätze aus der Baugrube

Aushubmaterialien und Abfälle aus der Bauwirtschaft machen einen Großteil des Abfallaufkommens in Österreich aus. Das Recycling von Baustoffen funktioniere in einigen Bereichen sehr gut, betont der Österreichische Baustoff-Recycling Verband (BRV) anlässlich des Weltrecyclingtages am Montag. Potenzial gebe es bei der Wiederverwertung von Bodenaushub. Fachleute plädieren indes für ein Umdenken bei der Planung von Gebäuden.

100 Millionen Tonnen mineralische Rohstoffe werden hierzulande jährlich im Hoch- und Tiefbau benötigt. In diese Kategorie fallen etwa Beton, Zement, Asphalt, Sand, Gips und Ziegel. Demgegenüber stehen ca. zehn Mio. Tonnen, die sich aus dem „Abbruch und Aufbruch“ von Baustellen gewinnen ließen, sagt Martin Car, Geschäftsführer des BRV, gegenüber ORF.at.

Heruntergebrochen auf einzelne Rohstoffe und Materialverbindungen zeigt sich ein anderes Bild. Bei Beton und Asphalt beträgt die Recyclingquote 95 Prozent, bei Mauerwerk sind es laut Car 68 bis 70 Prozent. Aus Beton lässt sich beispielsweise Betongranulat herstellen, das beim Straßenbau als Tragschichtmaterial Einsatz findet.

Deponieverbot für Asphalt und Beton

Seit 1. Jänner gilt in Österreich ein Deponieverbot für Beton, Asphalt, Straßenaufbruch und Gleisschotter. Ausnahmen gibt es keine, was für Bauverantwortliche – von Gemeinden über Bauunternehmen bis hin zu Häuslbauerinnen und Häuslbauern – durchaus eine Herausforderung darstellt, wie Car einräumt. Ab 2026 müssen dann auch Gipsplatten wiederverwertet werden.

Wichtig ist die mit Jahresbeginn in Kraft getretene Verordnung laut Car vor allem für die Bewusstseinsbildung: „Dass Beton, Asphalt, Straßenaufbruch und Gleisschotter immer in die Verwertung gehören und nie auf die Deponie.“ Und sei das Bewusstsein erst einmal vorhanden, „überlegt man sich auch, ob man Dinge wie Mauerwerk oder Bodenaushub, die nicht in der Verordnung stehen, lieber wiederverwertet“, so Car.

Schlummerndes Potenzial im Boden

Starker Aufholbedarf besteht beim Bodenaushub. Von den über 77 Mio. Tonnen Abfall, die 2021 landesweit anfielen, waren mehr als 46 Mio. Tonnen „Aushubmaterialien“, zeigen Zahlen des Umweltbundesamtes. Nur ein Bruchteil davon wird recycelt, 80 Prozent der Gesamtmenge werden deponiert. In 932 der 1.111 österreichischen Deponien wird laut Bundes-Abfallwirtschaftsplan Bodenaushub gelagert.

Erdhäufen auf Baustelle
ORF.at/Günther Rosenberger
Beim Recycling aus Bodenaushub gibt es noch Potenzial

Das Potenzial ist groß. „90 Prozent des klassischen Bodenaushubs eignen sich problemlos für den Einsatz bei Erdbauarbeiten sowie zur Herstellung von Recyclingbaustoffen, Beton oder Asphalt“, so Alois Fürnkranz vom Verband Österreichischer Entsorgungsbetriebe (VOEB) im Vorjahr in einer Aussendung.

Bodenaushub fällt beim Bau von Gebäuden und Straßen an und kann nicht nur Erde, sondern auch Sand, Schotter, Lehm und Ton enthalten – Materialien, die in der Bauindustrie dringend gebraucht werden. Ein Problem sei, dass die Deponierung von Bodenaushub sei derzeit wesentlich billiger als die Wiederverwertung sei, sagt Car.

Ministerium: Neue Verordnung auf dem Weg

Hinzu kommt: Gesetzlich wird Bodenaushub größtenteils als Abfall behandelt. Ausnahmen gibt es für offensichtlich nicht verunreinigten, natürlich gewachsenen Boden, der unter bestimmten Kriterien schon jetzt nicht als Abfall qualifiziert werden muss.

Car spricht sich für eine Vereinfachung der Rechtslage aus: „Wenn der Boden analysiert ist und sämtlichen Anforderungen und Grenzwerten entspricht, sollte er als Wertstoff angesehen werden. Dann hätte man auch einen Markt für diesen Baustoff.“ Bei Beton und Asphalt sei das bereits der Fall.

Das Klimaministerium arbeitet dazu aktuell an einer entsprechenden „Abfallende-Verordnung“. Diese soll „noch im laufenden Jahr einer Begutachtung zugeführt werden“, betont man im Ministerium gegenüber ORF.at. Unter Abfallende versteht man, vereinfacht gesagt, wann bestimmte Abfälle nach gewissen Kriterien nicht mehr als Abfälle eingestuft werden.

Wesentlich bei der in Arbeit befindlichen Verordnung sei die „Verknüpfung mit der bereits bestehenden Recycling-Baustoff-Verordnung, in der für Recyclingbaustoffe entsprechender Qualität bereits ein Abfallende vorgegeben wird“, heißt es aus dem Klimaministerium.

„Mit Recycling allein ist es nicht getan“

Gemäß der EU-Abfallrahmenrichtlinie sollte Abfall im Optimalfall stets verwertet werden. Österreich hat sich mit der Kreislaufwirtschaftsstrategie das Ziel gesetzt, den Verbrauch von Primärrohstoffen bis 2030 um ein Viertel zu senken. Für die Bauwirtschaft bedeutet das Einsparungen von 25 Mio. Tonnen an mineralischen Rohstoffen.

Angesichts der ambitionierten Vorgaben fordern Fachleute ein Umdenken bereits bei der Planung von Gebäuden. „Baustoffrecycling ist wichtig, aber allein ist es damit nicht getan“, sagt Peter Maydl von der Kammer der Ziviltechnikerinnen und Ziviltechniker (zt) im Gespräch mit ORF.at.

Ansatzpunkt sei „die maximale Nutzung des Gebäudebestandes“, so der ehemalige Vorstand des Instituts für Materialprüfung und Baustofftechnologie der TU Graz. Dazu bedürfe es „verbindlicher Entscheidungskriterien zur Prüfung, ob eine Bauaufgabe nicht auch durch Bestandssanierung anstelle eines Abbruchs oder eines Neubaus erfüllt werden kann“, heißt es in einem Positionspapier der Interessenvertretung.

Emissionsbilanz als Steuerungsmechanismus

Als möglichen Steuerungsmechanismus sieht Maydl den Emissionsausstoß. Er schlägt vor, die Treibhausgasbilanz eines Gebäudes über dessen Lebenszyklus als Grundlage für die Baubewilligung zu nehmen. Ein weiterer Hebel sei eine höhere CO2-Bepreisung: „Man könnte alles mit rein ‚kapitalistischen‘ Methoden regeln, wenn die Preise die ökologische Wahrheit abbilden würden“, sagt er.

Zt-Kammerpräsident Daniel Fügenschuh plädiert ebenfalls für „Kostenwahrheit“: „Wenn man bereits beim Einkauf von Material berücksichtigt, was die Entsorgung kostet, wäre ein großer Schritt getan.“

In der Praxis ließe sich das über das „Building Information Modeling“ („BIM“) bewerkstelligen. Mit Hilfe von Software werden Daten eines Bauwerks digital modelliert. Die Anwendung kommt bei der Planung von Gebäuden zum Einsatz und „enthält bereits Informationen zu den Bauteilen“, sagt Fügenschuh. Zudem entwickelten sich auch die Energieausweise – sie geben an, wie energieeffizient ein Bauwerk ist – in diese Richtung, so der Architekt.