Ein Arzt hört eine Patientin mit dem Stethoskop ab
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Momentum Institut

Ärztliche Versorgung zunehmend privatisiert

Während die Anzahl an Wahlärzten und -ärztinnen stetig zunimmt, ist die Zahl der Medizinerinnen und Mediziner mit Kassenvertrag rückläufig. Die ärztliche Versorgung in Österreich werde also zunehmend privatisiert, so eine Analyse des gewerkschaftsnahen Momentum Instituts von Mittwoch. Über die gesetzliche Kranken- und Unfallversicherung hinaus versicherten sich gleichzeitig überwiegend Besserverdienende, so das Momentum Institut weiter.

Das Momentum Institut untermauert in der Analyse die Entwicklung auch mit Zahlen. So kamen 2006 etwa 10,1 Kassenärztinnen und -ärzte auf 10.000 Einwohnerinnen und Einwohner. 2023 waren es laut Statistik nur noch 9,1 Mediziner und Medizinerinnen mit Kassenverträgen.

Bei Wahlpraxen hingegen geht die Entwicklung in die entgegengesetzte Richtung, so das Momentum Institut. Waren es vor 18 Jahren noch 7,9 Wahlärzte und -ärztinnen je 10.000 Einwohner und Einwohnerinnen, stieg die Zahl im Jahr 2023 auf 12,3 und damit um 55,7 Prozent an.

Weniger Betreuung für mehr Menschen

Das Fazit von Momentum: Im Schnitt müssen weniger Kassenärztinnen und Ärzte also immer mehr Patientinnen und Patienten betreuen. „Ein schlechterer Betreuungsschlüssel bedeutet aber weniger Zeit für die einzelnen Anliegen. Diagnosen, brauchen aber ihre Zeit, denn die Gesundheit eines Menschen ist etwas Komplexes, wie zum Beispiel bei chronisch Erkrankten“, so Leonard Jüngling, Ökonom am Momentum Institut.

Aufgeschlüsselt in Allgemein- und Fachärztinnen zeichnet sich ebenfalls ein klares Bild. Waren es unter den facheinschlägigen Ärztinnen und Ärzten 2006 noch 5,5 Wahlärztinnen bzw. Wahlärzte, stieg die Zahl 2023 bereits 9,3. Auch bei den Wahlallgemeinmedizinern und -medizinerinnen zeigt sich im Zeitraum ein Zuwachs von 2,4 auf 3,0.

„Zweiklassenmedizin wird befeuert“

In den Fachbereichen mit Kassenvertrag reduzierte sich die Anzahl von 4,9 auf 4,7. Einen ähnlichen Rückgang zeigen die Daten laut Momentum auch bei den Allgemeinärztinnen und Ärzten mit Kassenvertrag: Waren es 2006 noch 5,1, gab es 2023 nur noch 4,4 pro 10.000 Einwohnern und Einwohnerinnen. Dahinter steckt auch ein finanzielles Motiv. Im Fachbereich sind die Gehälter im Schnitt höher.

„Vor diesem Hintergrund ist der Anstieg bei den facheinschlägigen Wahlärztinnen und Wahlärzten wenig überraschend, aber nicht minder bedenklich, da das die Entwicklung zu einer Zweiklassenmedizin in Österreich weiter befeuert“, so Jüngling weiter.

Forderungen an die Politik

Auch in Sachen Zusatzversicherung gibt es eine Spaltung zwischen Arm und Reich. „Eine Analyse der privaten Kranken- und Unfallversicherungen zeigt außerdem, wer es sich leisten kann, versichert sich zusätzlich privat“, so Jüngling. „Im ärmsten Einkommenszehntel sind weniger als 20 Prozent zusätzlich zur gesetzlichen Versicherung versichert. Im reichsten Zehntel sind hingegen mehr als sechs von zehn Menschen zusatzversichert. Mit dem siebten Einkommenszehntel ist mehr als die Hälfte der Personen privat versichert“, so die Analyse des Momentum Instituts.

„Aus zahlreichen Studien wissen wir, dass Armut krank macht. Eine Zweiklassenmedizin, in der man sich eine gute medizinische Versorgung nur kaufen kann, sofern man das Geld dazu hat, kann also nicht das politische Ziel sein. Gerade um eine gute gesundheitliche Versorgung für alle Menschen zu gewährleisten, wäre es umso wichtiger, dass man das Kassensystem und Krankenhäuser sowie Primärversorgungszentren nicht finanziell ausdünnt oder kaputtspart“, so Jüngling.