Das Schiff „USS Wilson Wharf“ legt von der Militärbasis Joint Base Langley-Eustis ab
APA/AFP/Roberto Schmidt
Mit Privatfirma

Gaza-Seebrücke als logistisches Großprojekt

Am Dienstag haben vier Schiffe der US-Armee von Virginia aus abgelegt, mit dem Ziel Gaza. An Bord sind tonnenweise Equipment und Stahl für Teile, die zusammengesetzt eine Anlegestelle ergeben sollen. So sollen künftig mehr dringend benötigte Versorgungsgüter nach Gaza gelangen – ein logistisches Großprojekt. Die USA verpflichteten dafür eine bisher kaum bekannte Privatfirma.

Die vier Schiffe verließen am Dienstag die Docks der Joint Base Langley-Eustis Richtung Atlantik, die Reise könnte bis zu einen Monat lang dauern. In Gaza angekommen sollen die geladenen Teile zusammengebaut werden. Die Hauptkomponenten bestehen aus einem schwimmenden Dock aus Stahlsegmenten, auf das Container entladen werden können, sowie einem zweispurigen, fast 550 Meter langen Pier.

Dieses „modulare Dammsystem“ soll künftig Schiffen ermöglichen, Vorräte und Medizin zur notleidenden Bevölkerung zu bringen – über zwei Millionen Mahlzeiten pro Tag sollen es laut Pentagon sein. Die UNO geht davon aus, dass inzwischen so gut wie alle Menschen im Gazastreifen Probleme haben, genug Nahrung zu finden.

Hunderte Soldaten am Werk

Nach dem Monat Seefahrt soll der Aufbau in etwa eine Woche in Anspruch nehmen, danach muss die Koordination bewältigt werden. Alles in allem rechnet das US-Militär mit rund zwei Monaten Vorlaufzeit, bis der erste Container entladen werden kann. Das Projekt Joint Logistics Over-the-Shore (JLOTS) ist nicht das erste seiner Art. Die USA haben ähnliche Anlandestellen auch in Kuwait, Somalia und Haiti errichtet.

Soldaten werden an der Militärbasis Joint Base Langley-Eustis verabschiedet
APA/AFP/Roberto Schmidt
Die Soldaten wurden in Virginia verabschiedet. Sie sollen in Gaza Hilfslieferungen ermöglichen.

Mehr als 1.000 US-Soldaten sollen an der Operation beteiligt, 500 direkt involviert sein – obwohl die offizielle Haltung des Weißen Hauses weiterhin lautet: „Keine US-Soldaten im Kriegsgebiet“. Das Pentagon wollte auch nicht bekanntgeben, wer die Container entladen und die Hilfsgüter an Land bringen soll.

Wie die BBC hingegen am Mittwoch meldete, hat sich das US-Militär zu diesem Zweck mit einer wenig bekannten Privatfirma namens Fogbow zusammengetan. Das Unternehmen werde geführt von ehemaligen US-Militärs und Geheimdienstlern.

Logistik in privaten Händen

Fogbow solle in erster Linie dazu dienen, den Transport von Hilfsgütern zu organisieren, nachdem diese an der Küste angekommen sind. Die Container würden geleert und der Inhalt auf Lastwagen verladen, um sie zu Verteilungspunkten weiter im Gazastreifen zu befördern, so die BBC. Das ist Teil eines von der US- und der israelischen Regierung genehmigten Plans. Fogbow sei, so ein Insider, noch auf der Suche nach Finanziers, man habe auch in Europa angeklopft. Längerfristig sei die Gründung einer von Spendern geführten Stiftung geplant, um Hilfsgüter nach Gaza zu führen.

Der Erfolg der Mission hängt von der Sicherheit ab – sowohl Kriegshandlungen als auch große Menschenmengen stellen Risiken dar. Daher soll es eine kleine Pufferzone geben, damit Zivilisten nicht zum Pier gelangen können. Zudem würden die israelischen Streitkräfte (IDF) weitere Sicherheitsmaßnahmen durchführen, so die BBC. Fogbow werde wohl nur begrenzte logistische Aufgaben wahrnehmen.

Auf dem Land und in der Luft

Fachleute und NGOs betonten in den vergangenen Tagen, dass Hilfsgüter über den Seeweg Lieferungen an Land nicht ersetzen könnten. Dazu sei der Bedarf zu groß. Die Bedingungen im Kriegsgebiet, Sicherheitsvorfälle und Restriktionen von israelischer Seite erschweren aber die Lieferungen mit Lkws enorm.

Daher wird doch verstärkt auf alternative Wege gesetzt. Am Dienstag stach etwa das Schiff „Open Arms“ der gleichnamigen Hilfsorganisation aus dem zypriotischen Hafen von Larnaka in Richtung Gazastreifen in See. Der umgebaute Schlepper zieht ebenfalls eine Plattform, auf die Hilfsgüter geladen worden sind – rund 200 Tonnen Trinkwasser, Medikamente und Lebensmittel. Von Jordanien initiiert, bringen zudem Flugzeuge der USA und Frankreichs Hilfsgüter per Luftbrücke in den Gazastreifen.

Blinken: Schutz von Zivilisten Priorität

US-Außenminister Antony Blinken appellierte erneut an Israel, die humanitäre Situation im Gazastreifen zu verbessern und den Schutz der Zivilbevölkerung sicherzustellen. US-Präsident Joe Biden habe bereits deutlich gemacht, dass das Priorität haben müsse, sagte Blinken in Washington. Es dürfe keine zweitrangige Überlegung sein. „Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg“, sagte Blinken.

US-Staatssekretär Anthony Blinken
APA/AFP/Getty Images/Chip Somodevilla
US-Außenminister Antony Blinken ermahnt Israel

Die US-Regierung schaue auf die israelische Regierung, um sicherzustellen, dass der Schutz der Zivilisten und die Versorgung der Menschen, die Hilfe brauchten, Vorrang hätten. „Das muss an erster Stelle stehen“, auch wenn Israel das Notwendige tue, um sich zu verteidigen und der Bedrohung durch die Terrororganisation Hamas zu begegnen, sagte Blinken.

USA drängen auf Feuerpause

Die USA versuchten mit allen Mitteln, die humanitäre Hilfe zu verstärken. Dennoch sei der „effektivste Weg“ eine Feuerpause. „Es liegt gerade ein sehr guter Vorschlag auf dem Tisch. Die Frage ist, ob die Hamas diesen Vorschlag annehmen wird“, sagte Blinken. Man tausche sich intensiv jeden einzelnen Tag, beinahe stündlich mit Katar und Ägypten aus, um zu sehen, wie man einen Deal erreichen könnte.

Die EU forderte Israel indes zur Öffnung weiterer Übergänge in den Gazastreifen auf, um zusätzliche Hilfe in das Palästinensergebiet zu lassen. Der EU-Kommissar für humanitäre Hilfe und Krisenschutz, Janez Lenarcic, schrieb auf X (Twitter), dabei müsse auch der Norden einbezogen werden. Zudem müsse Israel allgemein die Zollschranken senken.

Israel kündigte an, mehr humanitäre Hilfe in den Gazastreifen zu lassen. „Wir versuchen, das Gebiet mit humanitärer Hilfe zu überschwemmen“, so der Sprecher des Militärs, Daniel Hagari, gegenüber ausländischen Journalisten. Dazu zählten Konvois, ergänzt durch Abwürfe aus der Luft und Hilfslieferungen auf dem Seeweg. Hagari räumt jedoch ein, dass die Lieferung von Hilfsgütern nur ein Teil des Problems sei. Es müsse mehr getan werden, um das Problem der gerechten und effizienten Verteilung zu lösen.