Wahlkommissionsvorsitzende vor einer Wand mit den vier zur Wahl stehenden Kandidaten
APA/AFP
Machtapparat des Kreml

Putin lässt sich wiederwählen

Der russische Präsident Wladimir Putin lässt sich wiederwählen. Die Präsidentschaftswahl, die de facto keine freie Wahl ist, findet bis Sonntag statt. Offenbar steht auch das ungefähre Ergebnis der Wahl, bei der keine Oppositionellen zugelassen wurden, bereits fest. Auch eine hohe Wahlbeteiligung soll es geben. Diese ist für den Kreml in Kriegszeiten als Propagandainstrument äußerst wichtig. Die russische Oppositionelle Julia Nawalnaja rief derweil zu Protesten in Russland auf.

Der 71-jährige Putin tritt an, um sich zum fünften Mal im Amt bestätigen zu lassen. Die zentrale Wahlkommission hatte Gegenkandidaten nicht zum Urnengang zugelassen. Putin, der seit bald einem Vierteljahrhundert an der Macht ist und seit mehr als zwei Jahren einen Angriffskrieg gegen die Ukraine führt, bewirbt die Wahl als Abstimmung über „Russlands Zukunft“. Den Krieg gegen die Ukraine stellt er vor allem auch als einen Kampf gegen westliches Vormachtstreben dar.

Russland erstreckt sich über elf Zeitzonen. Die Wahl beginnt im äußersten Osten und endet am Sonntag um 19.00 Uhr MEZ im Westen in der Ostsee-Exklave Kaliningrad. Insgesamt sind mehr als 112 Millionen Menschen in Russland zur Stimmabgabe aufgerufen – darunter 4,5 Millionen Menschen in den völkerrechtswidrig annektierten ukrainischen Gebieten Donezk, Luhansk, Saporischschja und Cherson. Hinzu kommen rund zwei Millionen Wahlberechtigte in anderen Ländern.

Wahlkommissionsvorsitzende Ella Pamfilova vor einer Wand mit den Fotos der vier zur Wahl stehenden Kandidaten
APA/AFP
Wladimir Putin und seine zugelassenen drei Scheinkandidaten

London: Druck auf Wähler in besetzten Gebieten

Die Scheinabstimmungen in den besetzten Gebieten sind völkerrechtswidrig und deshalb international nicht anerkannt. Auch der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba wies am Donnerstag erneut darauf hin. Die Urnengänge dort haben bereits begonnen. Es gibt Berichte, wie die ukrainischen Menschen teils in Anwesenheit schwer bewaffneter russischer Soldaten zur Stimmabgabe gedrängt werden.

Neben Donezk, Luhansk, Saporischschja und Cherson organisiert Moskau Abstimmungen auch auf der bereits 2014 annektierten Schwarzmeer-Halbinsel Krim. Auch nach britischer Einschätzung wird der Kreml eine hohe Wahlbeteiligung in besetzten Gebieten in der Ukraine angeben und entsprechend Druck ausüben. Damit solle der Eindruck einer demokratischen Entscheidung erweckt werden, obwohl von freier Wahl keine Rede sein könne.

Menschen geben in Mariupol ihre Stimme für die Russland-Wahl ab
Reuters/Alexander Ermochenko
Menschen bei der Stimmabgabe – hier im ukrainischen Mariupol, das von Russland besetzt wurde

Druck auch auf Personal in großen Unternehmen

Wie schon bei früheren Abstimmungen wird auch dieses Mal nicht nur in den besetzten Gebieten mit Betrug in großem Stil gerechnet – auch, weil es an Ort und Stelle keine Kontrolle durch unabhängige internationale Wahlbeobachter und -beobachterinnen geben wird. Als besonders anfällig für Manipulation gilt die Onlinestimmabgabe, weshalb Kreml-Kritiker und -Kritikerinnen den Russen und Russinnen davon abraten.

Hinweis

Der ORF widmet dem Geschehen in Russland einen Schwerpunkt in TV und Radio – mehr dazu in tv.ORF.at.

Die unabhängige Wahlbeobachtungsorganisation Golos, die seit Jahren in Russland als „ausländischer Agent“ gebrandmarkt ist, hat auch auf eine weitere Methode der Manipulation hingewiesen. So werde in den einzelnen Regionen schon im Vorfeld „massenhaft“ Druck auf Angestellte großer, teils staatlicher Unternehmen ausgeübt, damit diese ihre Stimme abgeben und so die Wahlbeteiligung in die Höhe treiben, heißt es in einem kürzlich veröffentlichten Bericht.

Nawalny-Tod Schlag gegen Opposition

Unabhängige Beobachter und Beobachterinnen weisen auch darauf hin, dass viele echte Oppositionspolitiker und -politikerinnen entweder ins Ausland geflohen oder in Russland festgenommen und zu teils drakonischen Haftstrafen verurteilt worden sind.

Für besonderes Entsetzen sorgte Mitte Februar zudem der Tod des inhaftierten Kreml-Gegners Alexej Nawalny, der vor einigen Jahren selbst einmal Präsidentschaftskandidat werden wollte.

Blumen am Grab von Navalny
Reuters
Das Grab von Kreml-Kritiker Alexej Nawalny

Nawalnaja: Putin ist ein Gangster

Kurz vor der Präsidentenwahl rief dessen Witwe, die Oppositionspolitikerin Julia Nawalnaja, dazu auf, die Wiederwahl des Kreml-Chefs nicht anzuerkennen. „Putin ist kein Politiker, er ist ein Gangster“, schrieb Nawalnaja in einem Gastbeitrag in der „Washington Post“. Für einen Mafiaboss sei sein Status wichtig, deshalb solle man ihm die internationale Anerkennung verweigern.

Julia Navalnaja
AP/yulia_navalnaya Twitter channel
Die Oppositionelle Julia Nawalnaja übernimmt die Rolle ihres getöteten Mannes Alexej Nawalny

„Leider sehen ihn zu viele Menschen im Westen immer noch als legitimen politischen Führer, diskutieren über seine Ideologie und suchen nach dem politischen Sinn seines Handelns“, so Nawalnaja.

Aufruf zum Protest Sonntagmittag

Wie verbreitet regierungskritische Stimmen seien, habe sich bei dem Besuch Tausender Menschen am Grab ihres Mannes in Moskau gezeigt, argumentierte sie. Nawalnaja möchte den politischen Kampf ihres Mannes fortführen. Sie rief auch die Bevölkerung in Russland dazu auf, Sonntagmittag wählen zu gehen. „Polden protiw Putina“ lautet der griffige Slogan – „Mittag gegen Putin“. Die erhofften Warteschlangen sollen ein Protestzeichen sein, das Behörden keine Angriffsmöglichkeit bietet.

Menschenmenge beim Begräbnis von Navalny
Reuters
Tausende strömten zum Abschied von Nawalny

Ergebnis steht so gut wie fest

Kremlnahe Meinungsforscher stimmten derweil die Russen und Russinnen nach dem Ausschluss der Opposition auf einen hohen Wahlsieg von Putin ein. Putin könne nach einer Befragung von Wahlberechtigten mit 82 Prozent der Stimmen rechnen, teilte das Meinungsforschungsinstitut Wziom am Montag in Moskau mit.

Die drei Mitbewerber, die Putin entweder offen unterstützen oder klar auf Kreml-Linie sind, gelten mit jeweils zwischen fünf oder sechs Prozent der Stimmen als chancenlos. Erwartet wird der Befragung zufolge eine Wahlbeteiligung von 71 Prozent.

Menschen in Moskau
AP/Dmitry Serebryakov
Wahlwerbung in Moskau

Ausdruck des Selbstbewusstseins des Machtapparats

Die staatsnahen Meinungsumfragen in Russland gelten vor allem als wichtiges Instrument für den Machtapparat, um die Wirksamkeit der Kreml-Propaganda etwa in den Staatsmedien zu messen. Das vom Kreml gesteuerte Staatsfernsehen, das vor allem von vielen älteren Russinnen und Russen auf dem Land genutzt wird, hat nach Meinung von Beobachtern starken Einfluss auf das Denken der Menschen. Putin wird dort traditionell als alternativlos dargestellt.

Russland-Wahl: Keine ernsthafte Konkurrenz für Putin

Am Wochenende wird in Russland gewählt. Überraschungen sind dabei keine zu erwarten. Kreml- und kriegskritische Gegenkandidatinnen und Gegenkandidaten wurden erst gar nicht zugelassen. Dass es keine echte Wahl ist, zeigen die drei Gegenkandidaten, die zugelassen worden sind.

Sollte Putin bei mehr als 80 Prozent der Stimmen landen, wäre das sein höchstes Ergebnis bei einer Präsidentenwahl. Das dürfte auch als Ausdruck eines hohen Selbstbewusstseins des Machtapparats gelten. 2018 kam er bei einer Wahlbeteiligung von 67,5 Prozent auf 76,7 Prozent der Stimmen.