Zeltcamp bei Chan Junis
Reuters/Bassam Masoud
Rafah

Netanjahu billigt Pläne für Militäroperation

Israels Premier Benjamin Netanjahu hat Plänen für eine Offensive in Rafah zugestimmt und die Hamas-Vorschläge zu einer Freilassung bestimmter Geiseln abgelehnt. Die Armee bereite eine Evakuierung der Grenzstadt zu Ägypten vor, hieß es am Freitag aus seinem Büro. Zuvor hatte Netanjahu einen von der Terrororganisation Hamas vorgeschlagenen mehrstufigen Plan für eine an den Austausch von Geiseln und Häftlingen gekoppelte Waffenruhe zurückgewiesen.

Israel werde jedoch eine Delegation in das vermittelnde Golfemirat Katar entsenden, um die eigene Position für eine mögliche Einigung vorzutragen, hieß es zugleich. Bezüglich der Offensive in Rafah wurden keine Angaben gemacht, wann der Einsatz beginnen soll. Viele internationale Spitzenpolitiker lehnen einen Einsatz in Rafah aus Sorge um das Wohl der Zivilbevölkerung strikt ab.

Laut dem von Reuters am Freitag eingesehenen Konzept, das den internationalen Vermittlern überreicht wurde, hätte am Ende der Vereinbarungen der vollständige Rückzug der israelischen Truppen aus dem Gazastreifen stehen sollen. Netanjahu wies die Forderungen als unrealistisch zurück. Netanjahus erklärtes Ziel ist die Zerstörung der Hamas.

Grafik zur geplanten Offensive in Rafah
Grafik: APA/ORF; Quelle: BBC/ISW

Hamas-Plan in zwei Schritten

Der Plan der Hamas sah vor, in einem ersten Schritt Frauen, Kinder, ältere und erkrankte Menschen sowie Soldatinnen in ihrer Gewalt freizulassen. Im Gegenzug hätte Israel 700 bis 1.000 Palästinenser aus der Haft entlassen sollen. Darunter sollten rund hundert Personen sein, die zu lebenslanger Haft verurteilt wurden. Die Hamas wollte einer Feuerpause erst dann zustimmen, wenn man sich auf diesen ersten Schritt geeinigt habe.

In einem zweiten Schritt hätte dann ein Datum festgelegt werden sollen, bis zu dem sich alle israelischen Soldaten aus dem Gazastreifen zurückziehen müssen. Erst danach wollte die Hamas alle übrigen Geiseln freilassen. Auch mit dem neuen Vorstoß in den seit Wochen andauernden Verhandlungen, bei denen Israel und Hamas nicht direkt, sondern über Vermittler sprechen, waren unüberbrückbare Gegensätze bestehen geblieben.

Gaza: Netanjahu billigt Militäroperation in Rafah

Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat nach Angaben seines Büros am Freitag die Pläne für einen Militäreinsatz in Rafah im Süden des Gazastreifens gebilligt. Die Armee bereite sich neben dem operativen Einsatz darauf vor, die Zivilbevölkerung aus dem Gebiet zu bringen, hieß es in der Mitteilung.

Druck wegen humanitärer Katastrophe

Israels Regierung will den im Oktober mit dem Hamas-Überfall begonnenen Krieg erst beenden, wenn die islamistische Gruppierung vollständig vernichtet ist. Die Hamas besteht dagegen darauf, dass ein Abkommen den Krieg beenden muss. Wegen dieser Gegensätze war bereits im Februar ein ähnlicher in Paris ausgearbeiteter Plan gescheitert. Der damalige Vorschlag sah eine 40-tägige Unterbrechung aller Kampfhandlungen sowie den Austausch palästinensischer Häftlinge gegen israelische Geiseln vor.

Der Druck auf beiden Seiten war gewachsen, weil eine humanitäre Katastrophe für die palästinensische Bevölkerung im bereits großflächig zerstörten Gazastreifen droht. Eine israelische Militäroperation nun auch in Rafah im Süden nach Operationen im Norden und im Zentrum des Palästinensergebiets erhöht solche Sorgen. In Rafah leben derzeit rund 1,5 Millionen Menschen auf engstem Raum. Die UNO warnt, mindestens 576.000 Menschen stünden vor einer Hungersnot.

Israel nennt Pläne unrealistisch

Ministerpräsident Netanjahu meinte zum Plan der Hamas, diese halte an „unrealistischen Forderungen“ fest. Der Druck, den Katar als Vermittler zwischen Israel und der palästinensischen Seite auf die Hamas ausübe, beginne zu wirken, meinte Netanjahu nach Angaben seines Büros. Das Golfemirat soll damit gedroht haben, Mitglieder der Hamas aus Katar auszuweisen und ihnen kein Geld mehr zu geben, sollten sie bei den Verhandlungen nicht einlenken. Die Angaben ließen sich zunächst nicht unabhängig überprüfen.

Seitens der USA wurde unterdessen die Kritik an Netanjahu immer lauter. Der einflussreiche demokratische Mehrheitsführer im US-Senat, Chuck Schumer, forderte Neuwahlen in Israel. Er bezeichnete Netanjahu als Hindernis für Frieden – unter anderem durch seine Ablehnung einer Zweistaatenlösung. Netanjahus Likud-Partei entgegnete, das israelische Volk sei gegen eine internationale Anordnung zur Errichtung eines Palästinenserstaates.

Der ägyptische Präsident Abdel Fattah al-Sisi bekräftigte vor Netanjahus Ankündigung, dass er sich weiter für eine Feuerpause im an sein Land angrenzenden Gazastreifen einsetzen wolle. Zudem strebt er eine Aufstockung der Hilfslieferungen an. Der Präsident möchte, dass die von dem Kämpfen aus ihren Häusern vertriebenen Palästinenser aus dem Süden der Region in den Norden zurückkehren können.

Armeesprecher: Zivilbevölkerung schützen

Ein israelischer Armeesprecher bekräftigte am Freitag, im Fall eines Militäreinsatzes in Rafah müsse die Bevölkerung von dort in Sicherheit gebracht werden. Man vermute in der Stadt an der Grenze zu Ägypten nicht nur die Führung der Hamas, sondern dort befänden sich auch die verbliebenen Bataillone der islamistischen Terrororganisation, sagte Sprecher Arje Schalicar. Aus Israels Sicht ist ein Sieg über die Hamas ohne Einsatz in der Stadt an der Grenze zu Ägypten nicht möglich. Hilfsorganisationen warnen vor vielen weiteren zivilen Todesopfern.

Auch US-Außenminister Antony Blinken, der am Freitag im Rahmen eines Wien-Besuchs Bundeskanzler Karl Nehammer und Außenminister Alexander Schallenberg (beide ÖVP) traf, forderte gemeinsam mit seinem Amtskollegen angesichts der geplanten Offensive auf Rafah einen Plan zum Schutz der Zivilbevölkerung. „Ein derartiger Plan ist uns noch nicht vorgelegt worden“, betonte Blinken vor Journalistinnen und Journalisten.

Hilfsschiff in Gaza angekommen

Nach mehrtägiger Fahrt kam ein erstes mit Hilfsgütern beladenes Schiff vor der Küste des Gazastreifens an. Wie Fotos und Videos der Nachrichtenagentur AFP zeigen, befand sich die „Open Arms“ der gleichnamigen spanischen Nichtregierungsorganisation mit 200 Tonnen Lebensmitteln der US-Hilfsorganisation World Central Kitchen (WCK) an Bord Freitagfrüh in Sichtweite des Palästinensergebiets.

Schiff mit Hilfshilferungen
Reuters/Mohammed Salem
Das erste Schiff mit Hilfsgütern für den Gazastreifen war vor mehreren Tagen von Zypern aus gestartet

Nach Angaben einer beteiligten Hilfsorganisation werden die Hilfsgüter derzeit ausgeladen. „World Central Kitchen entlädt den Lastkahn, der nun mit dem Anlegesteg verbunden ist“, erklärte die Sprecherin der US-Organisation am Freitag.