Eingeschlagene und mit Folie verhüllte Fenster eines Pkws nach einem russischen Angriff in Belgorod (Ukraine)
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Russland

Kämpfe überschatten zweiten Wahltag

Angriffe in der Ukraine, Angriffe auf russisches Territorium und angeblich auf das Wahlsystem Moskaus: Der zweite Tag der Präsidentschaftswahl in Russland ist wie der erste auch im Ausnahmezustand verlaufen. Der ukrainische Geheimdienst meldete eine Cyberattacke auf Russland. Dort wiederum sollen Wählerinnen und Wähler einschüchternde SMS zur Wahl erhalten haben. Moskau meldete außerdem die Abwehr von „Sabotageaktionen“.

In der Ukraine wurden nach Angriffen auf die grenznahe Region Sumy Ortschaften nach anhaltendem Beschuss durch die russischen Streitkräfte evakuiert, in Russland kam es am Samstag nach Angaben des örtlichen Gouverneurs Dmitri Asarow nach ukrainischen Drohnenangriffen in der Region Samara auf zwei Erdölraffinerien zu einem Brand in einer der beiden Anlagen.

Der ukrainische Geheimdienst meldete – unbestätigt – einen erfolgreichen Cyberangriff auf das Onlinewahlsystem in Russland. „Die Website der russischen Behörden ist abgestürzt. Das Wahlsystem ist abgestürzt“, hieß es dazu am Samstag aus Kiew gegenüber der ukrainischen Nachrichtenagentur Ukrinform. Hacker des Geheimdienstes hätten alle Sicherheitssysteme umgehen können. „Das wird jetzt bis zum Ende der Abstimmung weitergehen.“ Die Wahl dauert noch bis Sonntag.

Wehrschütz (ORF) über Russland-Wahl in besetzten Gebieten

ORF-Korrespondent Christian Wehrschütz berichtet über die russische Präsidentenwahl, die auch in den besetzten Gebieten abgehalten wird – wogegen Kiew protestiert.

Cyberangriff auf Kreml-Partei

Außerdem, so der ukrainische Geheimdienst, würden Cyberangriffe auf die Präsenz der Kreml-Partei Geeintes Russland durchgeführt. Die russische Regierungspartei hatte bereits zuvor von einem Hackerangriff berichtet. Die Onlinepräsenz der Partei sei durch eine Denial-of-Service-Attacke (DDoS) lahmgelegt und alle nicht unbedingt erforderlichen Dienste eingestellt worden.

Auch Kreml-Chef Wladimir Putin gab seine Stimme von seinem Büro aus online ab. In Wahllokalen gab es Protestaktionen, indem Farbe in den Wahlurnen geleert wurde, um abgegebene Stimmzettel ungültig zu machen.

Putin vor fünfter Amtszeit

Nach fast einem Vierteljahrhundert an der Macht will sich der 71-jährige russische Präsident Wladimir Putin mit der Abstimmung eine fünfte Amtszeit für die nächsten sechs Jahre sichern. Nach Angaben der Wahlleitung sind mehr als 100 Millionen Menschen im größten Flächenstaat der Erde aufgerufen, ihre Stimme abzugeben.

Verteilt über elf Zeitzonen läuft die Abstimmung bis Sonntagabend um 19.00 Uhr MEZ. Die Opposition ist von der Wahl ausgeschlossen, die drei anderen zugelassenen Kandidaten sind politisch auf Linie des Kreml.

Russland spricht von versuchter Sabotage

Nachdem die russische Armee am Freitag die Hafenstadt Odessa angegriffen hatte – es gab laut ukrainischen Angaben mindestens 20 Todesopfer – griffen die ukrainischen Streitkräfte ihrerseits Ziele auf russischem Territorium an. Außerdem meldete die russische Seite, dass Angriffe offenbar proukrainischer Verbände abgewehrt und „Versuche, das Territorium der Russischen Föderation mit ukrainischen Sabotage- und Erkundungskampfgruppen zu infiltrieren“, abgewehrt worden seien.

Nicht näher genannte proukrainische Angriffe

In den Regionen Belgorod und Kursk hatten sich kurz vor Beginn der russischen Präsidentschaftswahl die Angriffe solcher nicht näher genannten proukrainischen Kräfte verstärkt. Am Freitag hatte das Verteidigungsministerium in Moskau erklärt, alle Attacken „in den vergangenen drei Tagen“ vereitelt zu haben.

Ein zerstörter Lkw nach einem russischen Angriff in Belgorod (Ukraine)
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Das grenznahe Belgorod war Ziel ukrainischer Angriffe

Auch aus der Luft wurde die Region Belgorod in den vergangenen Tagen verstärkt angegriffen. Am Samstag meldete die Regionalregierung zumindest zwei Tote, das russische Verteidigungsministerium erklärte, dass über die Grenzregionen Belgorod und Kursk Raketen, Flugkörper und Drohnen abgeschossen worden seien.

Wegen der ukrainischen bzw. proukrainischen Angriffe hat die russische Grenzstadt Belgorod Schulen und Einkaufszentren vorerst geschlossen. „Auf Grundlage der gegenwärtigen Lage haben wir beschlossen, dass die Einkaufszentren in Belgorod und der Region Belgorod am Sonntag und Montag nicht öffnen“, erklärte Regionalgouverneur Wjatscheslaw Gladkow.

Schulen im russischen Belgorod geschlossen

Die Schulen in der Stadt sowie in acht Bezirken der Region bleiben am Montag und Dienstag geschlossen, sagte Gladkow. In sozialen Netzwerken waren Aufnahmen von brennenden Gebäuden in Belgorod zu sehen. Nach ukrainischen Drohnenangriffen auf zwei Erdölraffinerien in der Region Samara stand am Samstag laut Regionalgouverneur Asarow eine der Anlagen in Flammen.

In Russland war am Samstag in oppositionellen Medien die Rede von Droh-SMS an regierungskritische Wählerinnen und Wähler. Darin soll es als eine Art Warnung geheißen haben: „Unabhängig davon, dass du Ideen extremistischer Organisationen unterstützt, freuen wir uns, dass du in Moskau wählen wirst.“ Dann sei eine Aufforderung, „ruhig“ an der Wahl teilzunehmen, gefolgt – „ohne Warteschlangen und Provokationen“. Wer hinter den Nachrichten, die auf Telegram und Signal verschickt wurden, steckt und wie die Empfänger ausgewählt wurden, war nicht bekannt.

Bereits am ersten Wahltag am Freitag hatte es in Russland vereinzelt Berichte über Protestaktionen gegeben. In einigen Wahllokalen schütteten Männer und Frauen Farbe in die Wahlurnen oder legten sogar kleinere Brände. Es kam zu mehreren Festnahmen wegen „Vandalismus“. Vor einem Wahllokal in einer russisch besetzten Region der Ukraine explodierte laut der örtlichen Wahlkommission eine Bombe.

Laut offiziellen russischen Angaben lag die Beteiligung am zweiten Tag der Wahl am Samstag bereits bei über 50 Prozent. Der Kreml soll eine Mindestbeteiligung von 70 Prozent anstreben. Für Sonntag, den dritten Tag der Wahl, wurde von Regierungskritikern zu Protesten aufgerufen. Die Behörden werteten diese als „Anzeichen extremistischer Aktivitäten“.