Person kommt aus Wahlkabine in Russland
APA/AFP/Stringe
Russland

Protestaufrufe für letzten Wahltag

In Russland geht am Sonntag die Präsidentschaftswahl zu Ende. Für den dritten und letzten Wahltag wurde noch einmal zu Protesten aufgerufen, vereinzelt hatte es bereits an Tag eins und zwei der Wahl Störaktionen gegeben. Mutmaßliche Teilnehmer und Teilnehmerinnen der Proteste sollen am Wochenende eine Art Warnung vor „Provokationen“ per SMS erhalten haben. Trotzdem schien der Protestaufruf erfolgreich.

Zu Protesten am Sonntag in Russland aufgerufen hatten unterschiedliche oppositionelle Initiativen. Ein Aufruf lautete, in der jeweiligen Zeitzone (es sind elf in ganz Russland) exakt um 12.00 Uhr wählen zu gehen, die entstehenden Warteschlangen vor den Wahllokalen sollten einen Eindruck davon geben, dass viele Menschen mit Präsident Wladimir Putin und seiner Politik nicht einverstanden sind.

Allerdings wurden auch Befürchtungen geäußert, dass es dabei erneut zu Festnahmen kommen könnte. Die Behörden warnten vor einer Teilnahme an der Aktion, in der sie „Anzeichen extremistischer Aktivitäten“ erkennen.

Wie mehrere russische Medien zuletzt berichteten, hatten Bürger in Moskau, deren kritische Haltung den Behörden bekannt ist, auf ihr Mobiltelefon Warnmeldungen unbekannter Absender erhalten. Sie sollten zur Wahl gehen, „aber ohne Warteschlangen und Provokationen“.

„Mittags gegen Putin“

Noch vor seinem Tod Mitte Februar in einer Haftanstalt hatte Russlands prominentester Oppositioneller Alexej Nawalny zu Protesten aufgerufen. Nun erneuerte seine Witwe Julia Nawalnaja den Aufruf und warb für die Protestaktion „Mittags gegen Putin“. Die Wähler sollen für einen der Gegenkandidaten Putins stimmen oder den Wahlzettel mit dem Schriftzug „Nawalny“ ungültig machen.

Laut dem Team um Nawalny versammelten sich zu Mittag im äußersten Osten Russlands in Wladiwostok, Nowosibirsk, Omsk, Irkutsk und anderen sibirischen Städten Menschen vor Wahllokalen, auch in Jekaterinburg am Ural. Auch andere Putin-Gegner wie der im Exil in Großbritannien lebende russische Geschäftsmann und Oligarch Michail Chodorkowski riefen die Menschen auf, keine Angst zu haben und an der Aktion teilzunehmen.

Ausgeschlossener Nadeschdin schließt sich Protest an

Der von der Wahl ausgeschlossene Oppositionspolitiker Boris Nadeschdin beteiligte sich persönlch an der friedlichen Protestaktion in der russischen Hauptstadt. Im Moskauer Institut für Physik und Technik, wo ein Wahllokal eingerichtet war, wurde er mit großem Applaus von Studenten empfangen, wie ein von ihm am Sonntag via Telegram veröffentlichtes Video zeigt.

„Ich denke, ihr werdet noch die Chance haben, für mich zu stimmen“, sagte er den Versammelten. Er kündigte die Veröffentlichung eigener Nachwahlbefragungen nach Schließung der Wahllokale an. Deren Ergebnisse unterschieden sich stark von dem, was die Obrigkeit erwartet habe, sagte er.

Vereinzelte Störaktionen

An den ersten beiden Wahltagen war es vereinzelt zu Protesten gekommen. In mehreren Fällen wurde grüne Farbe in Wahlurnen geschüttet, um Stimmzettel ungültig zu machen. Es handelte sich allerdings nur um eine kleine Zahl. Russlands Wahlleiterin Ella Pamfilowa sagte, Störaktionen seien aus 20 russischen Wahlregionen gemeldet worden. Außerdem habe es acht Brandstiftungen in Wahllokalen gegeben. Es gab zumindest zwei Festnahmen.

Ein Mann gibt seine Stimme bei der russischen Wahl ab
AP/Dmitri Lovetsky
Die Warnungen vor einer Störung der Wahl waren deutlich

Die Präsidentschaftswahl hatte am Freitag begonnen. Es gilt als sicher, dass sich Amtsinhaber und Kreml-Chef Putin eine weitere (die fünfte) sechsjährige Amtszeit sichern wird. Gegen Putin traten lediglich drei unbedeutende Kandidaten an. Alle bedeutenden Kritiker des russischen Präsidenten – wie etwa Nawalny – sind entweder tot, inhaftiert oder im Exil. Die Wahl endet am Sonntag mit der Schließung der Wahllokale in Kaliningrad um 19.00 Uhr MEZ. Danach werden erste Nachwahlbefragungen erwartet.

Nawalny-Gedenkstätte in Wien zerstört

Russinnen und Russen in Österreich konnten bzw. können am Sonntag ihre Stimme in der russischen Botschaft in Wien abgeben. Im Vorfeld gab es allerdings am Samstagabend einen ungewöhnlichen Vorfall: Eine gegenüber der diplomatischen Vertretung platzierte Gedenkstätte für den kürzlich in Haft verstorbenen populären russischen Oppositionellen Nawalny wurde zerstört.

Noch Samstagabend hatten Anhänger Nawalnys bis etwa 16.00 Uhr die improvisierte Gedenkstätte in der Reisnerstraße in Ordnung gebracht, frische Blumen hinterlegt sowie Kerzen angezündet. Seit dem 16. Februar waren dort auf einem Bauzaun außerdem zahlreiche Plakate und Fotos gehangen, in denen an Russlands führenden Oppositionspolitiker erinnert und im Zusammenhang mit seinem Tod Kritik am russischen Präsidenten Putin geübt worden war. Zwei der auffälligsten Plakate mit Slogans gegen Putin waren bereits in den letzten Wochen verschwunden.

Militärpolizisten, die routinemäßig die russische Botschaft bewachten, gaben keine Auskunft zu dem Vorfall, es sollen laut Angaben der Initiative Russians against war (Russen gegen Krieg) plötzlich zwei Männer ohne Erkennungszeichen aufgetaucht sein, die Gedenkstätte demontiert und „alles eingepackt und wegtransportiert“ haben.