Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) in der Pressestunde
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Schallenberg

Österreich lange „naiv“ gegenüber Russland

Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) hat in der „Pressestunde“ eingeräumt, dass sich Österreich gegenüber Russland lange Zeit „naiv und etwas blauäugig“ verhalten habe – mit dem Angriff auf die Ukraine habe sich das aber endgültig geändert. Zu den zuletzt ausgewiesenen russischen Diplomaten wollte der Außenminister nichts sagen – er verwies auf „rote Linien“.

Den Vorwurf, dass Österreich zu lasch gegen russische Unterwanderung und Geheimdienstaktivitäten vorgehe, wollte Schallenberg nicht gelten lassen: „Wir gehen scharf vor, wir beobachten ganz genau, was hier passiert“, so Schallenberg. Er habe sich auch schon vor dem Angriff Russlands auf die Ukraine nicht vor Taten gescheut, so Schallenberg, das habe man in der Vergangenheit „nicht so gehandhabt“.

Wenn man das Gefühl habe, dass sich jemand nicht an die Regeln für Diplomaten hält, dann ziehe man eine rote Linie. Die Reformen der Nachrichtendienste hätten wohl „Fuß gegriffen“, man arbeite sehr gut mit anderen Diensten zusammen. Bei Putin sei „der letzte Zweifel beseitigt worden“, man wisse, wofür er stehe. Umso problematischer sei die Rolle der FPÖ, die sich „mutwillig vor den Karren spannen“ lasse.

Österreich unterwandert?

Schallenberg sagte, Österreich gehe gegen geheimdienstliche Aktivitäten Russlands „scharf vor“.

„Freunde Putins in Österreich“

Überhaupt habe man manchmal das Gefühl, FPÖ stehe für „Freunde Putins in Österreich“. Parteichef Herbert Kickl sei ein „Sicherheitsrisiko“ für Österreich, Ex-FPÖ-Außenministerin Karin Kneissl, die aus ihrer Russland-Freundlichkeit keinen Hehl macht, spreche als Privatperson nicht für Österreich. Das oft kritisierte Russische Kulturinstitut sei ein Teil der Botschaft – man könne es nicht schließen, man dürfe „Recht nicht beugen“.

Verflechtungen der FPÖ mit Russland?

Schallenberg übte Kritik an der FPÖ: Sie lasse sich von Russland vor den Karren spannen, Parteichef Kickl sei ein „Sicherheitsrisiko“.

Kritik an Grünen

Die Implementierung einer neuen Sicherheitsstrategie für Österreich sei wichtig, sagte Schallenberg, Österreich sei „stets militärisch neutral gewesen, aber nicht gesinnungsneutral“. In den Arbeiten an einer neuen Strategie sei man in Verhandlung mit dem Koalitionspartner: „Unser Teil ist abgeschlossen“, bei den Grünen gebe es scheinbar noch „Probleme“, weil sie beim Kapitel Energie „Wunschdenken“ wohl „Realismus“ vorziehen wollten.

Bis 2027 wolle man jedenfalls „raus“ aus der Gasabhängigkeit von Russland, so Schallenberg. Gefragt nach österreichischen Unternehmen, die in Russland tätig seien, sagte er, dass das „Fingerzeigen auf einzelne Unternehmen etwa scheinheilig und teilweise Polemik“ sei. Klar sei, dass die „Sanktionen (gegen Russland, Anm.) wirken“, man solle nicht in die Propaganda verfallen, sie würden nicht wirken. Russland sei in Rezession, man sehe einen Umstieg auf Kriegswirtschaft.

„Mitnichten Beitrittsgelüste“

Die vom französischen Präsidenten Emmanuel Macron angestoßene Debatte über Bodentruppen in der Ukraine sei „mehr als überflüssig und unnötig“. Österreich werde nie Bodentruppen stellen oder Waffen liefern. „Wir werden uns da nicht reinziehen lassen.“ Überhaupt handle es sich nicht um einen Konflikt zwischen der NATO und Russland. Einen NATO-Beitritt Österreichs schloss Schallenberg aus, man habe „mitnichten Beitrittsgelüste“.

Vielmehr müsse Österreich im EU-Verbund Unterstützung leisten, mit dem Ziel, dass sich Putin nicht durchsetze. „So zu tun, als gebe es nur die NATO und jeder andere ist ein Illusionist und sieht nicht die Realitäten, halte ich für vollkommen verfehlt“, so Schallenberg. Österreichs Neutralität habe „einen Wert“.

Stärkere Kooperation mit der NATO?

Einen NATO-Beitritt Österreichs schloss Schallenberg aus, Österreich müsse im EU-Verbund Unterstützung leisten.

Seit bald zwei Jahren würden „Schwarzmaler“ immer wieder behaupten, dass die westliche Unterstützung für die Ukraine „kurz vor dem Einbrechen“ sei. Das habe aber nie zugetroffen, daraus solle man als Europa Selbstvertrauen ziehen – es werde weiter Unterstützung geben („Wir sind noch nicht einmal warmgelaufen“). Was die USA betreffe, gebe es dort wohl eine Art Grundkonsens zwischen Demokraten und Republikaner, dass eine Welt, in der Putin sich durchsetzt, keine gute Welt sei für die USA.

„Natürlich kein Blankoscheck“

Gefragt nach dem Gaza-Krieg und der zunehmenden Kritik an Israel dementierte Schallenberg, dass er sich mit Kritik zurückhalte („Das tue ich nicht“). „Israel hat ein Selbstverteidigungsrecht, aber das ist natürlich kein Blankoscheck“, so Schallenberg. Aber die Linie sei das Völkerrecht. Die Terrororganisation Hamas halte sich an nichts, Rechtsstaaten kämpfen gegen Terrorismus „immer mit einer Hand an den Rücken gebunden“, daran müsse sich Israel messen lassen.

Kritik von SPÖ, FPÖ und NEOS

In Reaktion auf Schallenbergs Aussagen bezeichnete SPÖ-Europaabgeordneter Andreas Schieder diese mit Blick auf die kommende Europawahl als „unglaubwürdig“. „Die Realität zeigt, dass die Konservativen auf EU-Ebene gemeinsame Sache mit den Rechtsaußenparteien machen. Die EVP ist in den letzten zwei Jahren immer weiter nach rechts gerückt“, betonte der Spitzenkandidat der größten Oppositionspartei bei der EU-Wahl in einer Aussendung.

Die FPÖ warf hingegen der ÖVP vor, die Neutralität auszuhöhlen und zu entwerten. Außenpolitiksprecherin Susanne Fürst kritisierte die Volkspartei in einer Aussendung etwa wegen der von ihr befürworteten Sanktionen für Russland: Diese würden „unserer eigenen Bevölkerung, unserem Wirtschaftsstandort“ schaden und die Teuerung befeuern, den Krieg aber nicht beenden. Es sei hingegen das Gebot der Stunde, „das neutrale Österreich als Ort für Friedensgespräche, für Diplomatie und konstruktiven Dialog ins Spiel zu bringen“, so Fürst.

NEOS-EU-Spitzenkandidat Helmut Brandstätter warf dem Außenminister „Schönfärberei, was Russland beziehungsweise das Vorgehen der Bundesregierung gegen Russland betrifft“, vor, und kritisierte, dass Österreich auch zwei Jahre nach Kriegsausbruch immer noch keine neue Sicherheitsstrategie habe, „immer noch genauso vom russischen Gas abhängig wie vor dem Krieg“ und „immer noch ein wahres Paradies für russische Spione“ sei.