Al-Shifa Krankenhaus in Gaza
APA/AFP
Al-Schifa-Spital

Israel ruft nun zu Evakuierung auf

Das israelische Militär hat die Bevölkerung im Gazastreifen zur Evakuierung des Al-Schifa-Spitals in Gaza-Stadt aufgefordert. „Um Ihre Sicherheit zu gewährleisten, müssen Sie das Gebiet sofort verlassen“, erklärte Armeesprecher Avichai Adrai am Montag via X (Twitter). Die Armee vollzog damit eine Kehrtwende. Zu Beginn ihrer Aktion gegen mutmaßliche Terroristen in dem Spital hatte sie noch erklärt, eine Evakuierung sei nicht nötig.

Das Militär verkündete am Nachmittag schließlich die Tötung eines ranghohen Funktionärs der Terrororganisation bei der Militäraktion im Krankenhaus. Es handle sich dabei um Faik al-Mabhuh, Leiter einer Abteilung für innere Sicherheit der Hamas, die auch für operative Einsätze zuständig sei, hieß es in einer gemeinsamen Mitteilung des Militärs und des Inlandsgeheimdiensts Schin Bet am Montag.

Mabhuh sei getötet worden, nachdem Geheimdienstinformationen über die Anwesenheit ranghoher Hamas-Mitglieder in dem Krankenhaus eingegangen seien, erklärte die Armee. Er habe sich bewaffnet in einem Gebäude des Krankenhauskomplexes versteckt gehalten und sei bei einer Konfrontation mit den Truppen getötet worden, hieß es in der Mitteilung. In dem Raum neben seinem Versteck seien mehrere Waffen gefunden worden. Augenzeugen berichteten von heftigen Schusswechseln innerhalb des Krankenhauses.

Evakuierungsaufruf erst nach Einsatzbeginn

Nach Angaben des israelischen Militärs wurden bei dem Sturm auf das Krankenhaus 20 bewaffnete Palästinenser getötet. Zudem seien Dutzende mutmaßliche Extremisten festgenommen worden, teilte die Armee am Nachmittag mit. Das Militär sei weiter dabei, in dem Spital „terroristische Aktivitäten zu vereiteln“.

Die Armee hatte die Bevölkerung erst Stunden nach Beginn der Aktion zum Verlassen des Spitals und der Umgebung aufgerufen. „Alle Menschen dort“ sollten sich erst in Richtung Westen und dann nach Süden in ein „humanitäres Gebiet“ begeben, sagte der Sprecher. Zunächst hatte die Armee mitgeteilt, dass die Patientinnen und Patienten das Spital nicht verlassen müssten. Die Truppen seien angewiesen worden, bei ihrer Aktion gegen ranghohe Anführer der Hamas vorsichtig zu agieren. Verletzungen von Patienten, Zivilisten und medizinischem Personal sollten vermieden werden, hieß es.

Panzer an der Grenze zwischen Israel und Gaza
Reuters/Amir Cohen
Panzer an der Grenze zwischen Israel und Gaza

Laut Hamas-Angaben brach bei der israelischen Militäraktion ein Brand aus. Frauen und Kinder seien wegen der Rauchentwicklung erstickt. In dem Komplex sollen sich „Zehntausende“ Vertriebene aufhalten. Die Hamas erklärte, das Klinikgebäude sei beschossen worden, ohne dass man sich um Patienten, medizinisches Personal oder Schutzsuchende gekümmert habe. Menschen seien in Operationsräumen und der Notaufnahme eingeschlossen.

Israel vermutete in Klinik Terrorstützpunkt

Die Kommunikation mit dem Krankenhaus sei abgerissen. „Es gibt Opfer, darunter Tote und Verletzte, und es ist unmöglich, jemanden zu retten, weil das Feuer so heftig ist“, hieß es in der Mitteilung der von den Terroristen kontrollierten Gesundheitsbehörde. Jeder, der sich den Fenstern nähere, werde ins Visier genommen.

Auf dem Gelände und um das Krankenhaus hätten kurz nach Morgengrauen Kämpfe begonnen. In einer gemeinsamen Erklärung von israelischer Armee und Geheimdienst hieß es dazu später: „Terroristen haben vom Krankenhaus aus das Feuer auf unsere Truppen eröffnet. Die Soldaten haben zurückgeschossen.“ Möglicherweise seien durch die Schüsse Menschen getroffen worden.

Israels Armee: Werden weiter gegen Hamas vorgehen

Das Al-Schifa-Krankenhaus ist eine der wenigen noch funktionierenden medizinischen Einrichtungen im Gazastreifen. Israel wirft der Hamas seit Längerem vor, Krankenhäuser als Unterschlupf zu nutzen. Die islamistische Gruppierung bestreitet das. Man werde weiter im Einklang mit dem Völkerrecht gegen die Hamas vorgehen, die systematisch Krankenhäuser und zivile Infrastruktur benutze, erklärte die Armee bei der Bekanntgabe des Einsatzes in der Klinik.

Die US-Regierung hatte Israels Darstellung gestützt, wonach die Hamas das größte Krankenhaus im Gazastreifen als Kommandozentrum und Waffenlager benutzt haben soll. Das israelische Militär war bereits Mitte November trotz internationaler Kritik in das Spital eingedrungen. Dort fand die Armee nach eigenen Angaben einen Tunnelkomplex der Hamas.

Zerstörtes Wohnhaus in Rafah
AP/Hatem Ali
Ein zestörtes Wohnhaus in Rafah

Der Chef der Weltgesundheitsorganisation (WHO), Tedros Ghebreyesus, äußerte sich am Montag besorgt über die Lage im Al-Schifa-Krankenhaus. „Krankenhäuser sollten niemals Schlachtfelder sein. Wir sind schrecklich besorgt über die Situation im Al-Schifa-Krankenhaus, die Gesundheitspersonal, Patienten und Zivilisten gefährdet“, so Tedros auf X (Twitter).

Israel schickt Delegation nach Katar

Bei den Verhandlungen über eine Feuerpause im Gazastreifen und die Freilassung von Geiseln soll es nach Angaben aus Teilnehmerkreisen ein Treffen zwischen dem Chef des israelischen Auslandsgeheimdienstes Mossad und hochrangigen Vertretern Katars und Ägyptens geben. Das Gespräch zwischen Mossad-Chef David Barnea und Katars Regierungschef Mohammed bin Abdulrahman Al Thani sowie hochrangigen Vertretern Ägyptens solle noch im Laufe des Tages in Doha stattfinden, erfuhr die Nachrichtenagentur AFP am Montag.

In Doha bemühen sich die Vermittler Katar, Ägypten und USA, die zuletzt ins Stocken geratenen Gespräche über eine vorläufige Waffenruhe und einen Austausch von israelischen Geiseln gegen palästinensische Häftlinge voranzubringen.

Das Sicherheitskabinett habe der Delegation aber nur ein allgemeines Mandat erteilt, schrieb der israelische Journalist Barak Ravid vom Nachrichtenportal Axios. Am 7. Oktober hatten Terroristen der Hamas und anderer Gruppierungen im Zuge des Massakers in Israel rund 250 Menschen verschleppt. Laut Israels Regierung sind noch rund 100 Geiseln am Leben. Das Massaker war der Auslöser des Krieges im Gazastreifen.

Markt vor einem zertörtem Gebäude in Rafah
AP/Fatima Shbair
Ein Markt vor einem zertörten Gebäude in Rafah

Borrell: Israel provoziert Hungersnot

Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell übte indes scharfe Kritik an Israel. Tausende Menschen in Gaza seien von einer Hungersnot betroffen, sagte der Spanier am Montag bei der Eröffnung einer Hilfskonferenz für Gaza in Brüssel. „Das ist inakzeptabel. Hungersnot wird als Kriegswaffe eingesetzt. Israel provoziert eine Hungersnot“, so Borrell.