Abdel Fattah el-Sisi und Ursula Von der Leyen
IMAGO/Dirk Waem
EU-Ägypten-Deal

Umstrittene Stabilisierung für Sisi

Ein 7,4 Milliarden Euro schweres Partnerschaftsabkommen mit Ägypten hat die EU-Kommission am Sonntag geschlossen. Bei genauerer Betrachtung geht es bei dem Deal aber weniger als kolportiert um den Ausbau der Zusammenarbeit zur Eindämmung unerwünschter Migration, sondern laut Experten eher um eine Stabilisierung Ägyptens. Das wiederum wird als Stützung des autokratischen Systems von Präsident Abdel Fattah al-Sisi kritisiert.

Konkret umfasst das Abkommen nach EU-Angaben Kredite in Höhe von fünf Milliarden Euro, Investitionen im Umfang von 1,8 Milliarden Euro, 400 Millionen Euro für bilaterale Projekte wie Klimainitiativen sowie 200 Millionen Euro für Programme im Zusammenhang mit Migration.

Es gehe wohl darum, das ägyptische Regime mit Geld zu stabilisieren, damit diese unruhige Region nicht noch instabiler werde, sagte der Migrationsexperte Gerald Knaus am Sonntag in der ZIB2. Ägypten sei eigentlich kein wichtiges Herkunftsland von Migranten.

Der Deal reihe sich wohl in jene mit Tunesien und Libyen ein, so Knaus: Dem Versprechen von Geld stünden die Versprechen von Ländern gegenüber, Abfahrten „irgendwie“ zu stoppen. In Libyen ging das mit viel Gewalt einher. Die Verpflichtung, Menschen zurückzunehmen, sei aber – noch – nicht enthalten.

Migrationsdeal zwischen EU und Ägypten

Kanzler Karl Nehammer ist gemeinsam mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zu Besuch in Kairo. Dort wurde am Sonntag ein Migrationsdeal zwischen der EU und Ägypten fixiert.

Ausbildungs- statt Sicherheitsmaßnahmen

ORF-Korrespondent Karim El-Gawhary verwies in seiner Analyse am Montag im Ö1-Morgenjournal darauf, dass es bei den 200 Millionen Euro für Migrationsprojekte weniger um Sicherheitsmaßnahmen geht, vielmehr um Ausbildung und die Förderung legaler Migration, also um Arbeitskräfte, die in Europa tatsächlich auch gebraucht werden. Die EU selbst sprach von einem „ganzheitlichen Ansatz“: Dazu zählten „die Unterstützung legaler Migrationswege“ und der „Ausbau von Mobilitätsprogrammen“ wie den „Talent-Partnerships“.

El-Gawhary sieht in dem Partnerschaftsabkommen einen Versuch, den hoch verschuldeten ägyptischen Staat zu entlasten. Er verwies auch darauf, dass sich die EU in eine ganze Reihe von Ländern und Institutionen einreiht, aus denen Ägypten Milliarden erhalten hat, etwa von den Vereinigten Arabischen Emiraten und dem Internationalen Währungsfonds (IWF).

Als Mittel gegen Migration könne man den Deal so deuten, dass es wohl zu einer Auswanderungswelle kommen würde, sollte Ägypten wirtschaftlich kollabieren. Die technischen Details des Abkommens seien noch zu verhandeln, so El-Gawhary. Dabei müsse die EU wohl auf wirtschaftliche Reformen pochen, allen voran auf den Rückzug des Militärs aus der Wirtschaft. De facto habe die Armee wesentliche Wirtschaftszweige unter ihrer Kontrolle.

Kritik an „Belohnung“ für Diktatoren

Dass die EU damit Machthaber Sisi stabilisiere, kritisierten Menschenrechtsorganisationen teilweise schon vor dem Deal. In Ägypten säßen Tausende Menschen zu Unrecht unter schrecklichen Bedingungen hinter Gittern, hieß es von Amnesty International im Vorfeld. Die EU wurde aufgefordert, „klare Maßstäbe für die Menschenrechte“ einzufordern.

Vertragsunterzeichnung in Kairo
AP/Ägyptische Präsidentschaft
Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Abdel Fattah Sisi

Human Rights Watch beklagte in einer Stellungnahme, dass Sisi „Ägypten mit eiserner Faust regiert“ und die Opposition, Medien und Zivilgesellschaft unterdrücke. Jetzt werde diese „Unterdrückung mit neuer Unterstützung durch die EU belohnt“, hieß es in einer Erklärung.

Nicht nur von NGOs kommen solche Aussagen: Erst vergangene Woche hatten mehrere Mitglieder des Ausschusses für Auswärtige Angelegenheiten des EU-Parlaments den Deal mit Tunesien kritisiert: Sie warfen der EU-Kommission vor, ein „Geldbeschaffer für Diktatoren“ zu sein. Konkret wird der Fall von 150 Millionen Euro genannt, die Tunesien für Entwicklung und Migrationshilfe gegeben wurden und die direkt in die Hände des autoritär regierenden Präsidenten Kais Saied gewandert sein sollen.