Schweizer Fahne neben den EU-Fahnen vor Berlaymont-Gebäude in Brüssel
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EU

Neuer Anlauf mit der Schweiz

Die EU-Kommission und die Schweizer Regierung verhandeln nach einer längeren Phase von Unklarheit und Stillstand wieder über ein engeres wirtschaftliches Verhältnis. Von „Erneuerung“ und „Vertiefung“ der Partnerschaft war am Montag in Brüssel die Rede. Und es soll schnell gehen. Das Ziel: ein Abkommen bis zum Ende des Jahres.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Bundesrätin Viola Amherd gaben bei einem gemeinsamen Auftritt das Startsignal – beide sprachen dabei davon, ein neues Kapitel in den gegenseitigen Beziehungen aufschlagen zu wollen. Die Beziehungen zwischen der EU und der Schweiz sind eng und gut, aber auch immer wieder kompliziert.

Neue Verhandlungen sollen die Beziehungen an manchen Stellen ausweiten und für Unternehmen übersichtlicher und berechenbarer machen. Beide Seiten sollen davon profitieren, dass die Märkte angeglichen werden. Geplant sind Abkommen über die Freizügigkeit von Bürgerinnen und Bürger, den Strommarkt und die Bereiche Verkehr, Gesundheit, Ernährungssicherheit und Forschung. Zehn Abkommen sind vorgesehen.

Vielzahl von Verträgen regeln Beziehungen

Das Verhältnis zwischen der Europäischen Union und der Schweiz wird in mehr als hundert bilateralen Verträgen geregelt. Für Außenstehende dominieren Ähnlichkeiten. Dass die Schweiz nicht Mitglied der Union und nicht Teil des Binnenmarktes ist, fällt nicht gleich auf. Die Schweiz allerdings achtet darauf, und die EU hat sich bis jetzt mit der Sonderstellung abgefunden, die Vorteile überwiegen die Nachteile.

Schweizer Bundespräsidentin Viola Amherd  und , EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen bei einer gemeinsamen Pressekonferenz
APA/AFP/Kenzo Tribouillard
Bundesrätin Viola Amherd und Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen

Erfolg und Scheitern nah beieinander

Der letzte Versuch einer Harmonisierung war 2021 gescheitert. Mehrere Jahre hatten die Schweiz und die EU über ein Rahmenabkommen verhandelt. Dann hieß es plötzlich in Bern: Verhandlungen beendet, Rahmenabkommen ade. Eine Erklärung, aus der man schlau wurde, gab es nicht. Entsprechend unfreundlich war eine Zeit lang die Stimmung, das Aussetzen der Zusammenarbeit im Sektor Wissenschaft und Forschung diente als Warnung.

Das Interesse aneinander bewirkte die Neuaufnahme von Gesprächen. Die EU ist die größte und wichtigste Handelspartnerin der Schweiz, die Schweiz ist ihrerseits der drittgrößte Investor in der Europäischen Union. Die wirtschaftlichen Interessen einten. Und eine Rolle spielte auch die politische Großwetterlage, die nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine auf einmal ganz im Zeichen von Gewalt, Krieg und Unsicherheit stand.

Zollamt Lustenau an der Grenze zwischen Vorarlberg und der Schweiz
ORF.at/Julia Hammerle
Die Grenzen in Europa bleiben – wie eng die Zusammenarbeit auch immer ist

Widerstand wegen Souveränitäts- und Lohnfragen

Schwierigkeiten und Widerspruch sind in den kommenden Monaten trotzdem absehbar. Die nationalkonservative Schweizer Volkspartei (SVP) wettert wie schon seinerzeit bei den Verhandlungen über ein Rahmenabkommen gegen Brüssel und warnt vor einem Ausverkauf Schweizer Interessen. Sie stößt sich gleich vorsorglich am Europäischen Gerichtshof, der künftig in Streitfällen eine Rolle und Instanz sein wird. Es geht um die Frage der Souveränität.

Und noch ein Deja-vu könnte es geben: Die Schweizer Sozialdemokraten und die Gewerkschaften warnen unter Hinweis auf die hohen Löhne in der Schweiz wie schon in der Vergangenheit vor Lohndumping und kündigen für den Fall, dass die niedrigeren Löhne in der EU in der Schweiz Preisdruck erzeugen, Proteste an.