Illustration zum Thema Arbeitsmarkt mit Puzzleteilen
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Arbeitsmarkt

Lücke tut sich auf zwei Seiten auf

Der Arbeitsmarkt ist in Bewegung: Die Zahl der Personen ohne Job ist laut Daten der Statistik Austria vom Dienstag im Vorjahr gestiegen, gleichzeitig auch die der Erwerbstätigen, offene Stellen gibt es nach wie vor viele. Geburtenstarke Jahrgänge scheiden aus dem Berufsleben aus und hinterlassen eine Lücke. Ein weiteres zentrales Thema ist „weniger arbeiten“ – auch wenn das Abstriche bedeutet.

Ein deutlicher Trend zeigt in Richtung Teilzeit, wobei diese teils „erzwungen“, teils gewünscht ist. Laut den am Dienstag veröffentlichte Zahlen beruhte der Beschäftigungszuwachs im letzten Jahr zu 75 Prozent auf einem Plus bei Teilzeitbeschäftigten. Die Zahl der Vollzeitbeschäftigten stieg um 0,3 Prozent oder 9.700, die der Teilzeitbeschäftigten deutlich stärker um 2,3 Prozent oder 30.800.

Jeder achte Mann (13,4 Prozent) und jede zweite erwerbstätige Frau (50,6 Prozent) hätten im Vorjahr angegeben, auf Teilzeitbasis zu arbeiten, so die Statistik Austria in der Aussendung. Meist ergibt sich das aus familiären Umständen. Fast 40 Prozent der Frauen hätten als Grund Betreuungsaufgaben genannt. Hauptsächlicher Faktor ist das fehlende Angebot an Kinderbetreuungsmöglichkeiten, speziell auf dem Land.

Auch Abschlag in Kauf genommen

Kinderlose Frauen zwischen 25 und 49 Jahren arbeiten laut Daten von 2023 zu 61,7 Prozent auf Vollzeitbasis, aber nur 10,4 Prozent der Frauen mit einem Kind im Alter unter drei Jahren. Bei Männern mit Kind „lässt sich dieser Effekt nicht feststellen“, so die Statistik Austria. Und: Nicht alle 1,4 Millionen Beschäftigten, „die Teilzeit arbeiten, tun dies auch freiwillig“. Im letzten Jahr wollten über 205.000 Erwerbstätige (14,8 Prozent) ihre Arbeitszeit erhöhen.

Noch deutlicher zeigt sich allerdings ein Gegentrend, nämlich „der Wunsch nach weniger Arbeitsstunden pro Woche“, den 21,3 Prozent (659.000) der Erwerbstätigen auf Vollzeitbasis äußerten, auch wenn damit ein finanzieller Verlust in Kauf genommen werden muss, wie es in der Aussendung heißt.

Generationenwechsel hinterlässt Lücke

Die zweite Lücke neben jener, die der Trend zu Teilzeit hinterlässt, ist das Ausscheiden der geburtenstarken Jahrgänge vom Arbeitsmarkt, heißt es von der Statistik Austria zum Schwerpunktthema „Arbeitsmarkt im Fokus“. Die „nach wie vor unterdurchschnittliche Erwerbsbeteiligung der über 55-Jährigen“ stelle „eine weitere strukturelle Herausforderung“ dar, obwohl diese in den letzten Jahren deutlich gestiegen sei.

Laut aktuellen Daten nahm die Zahl der Erwerbstätigen im Alter zwischen 55 und 64 Jahren zwischen 2004 (27,1 Prozent) und 2023 (57,3 Prozent) deutlich zu. Im internationalen Vergleich liegt Österreich damit allerdings im EU-Schnitt weiter deutlich zurück.

Debatte über unterschiedliche „Potenziale“

Um Teilzeit und längere Beschäftigung drehen sich seit Monaten Debatten, Anfang des Monats hatte ÖVP-Wirtschafts- und -Arbeitsminister Martin Kocher ein „extrem großes Potenzial“ bei Personen im Alter vor der Pensionierung, bei der Frauenbeschäftigung, bei Stundenerhöhungen von Teilzeitarbeitskräften, arbeitslosen Personen und in der Zuwanderung geortet.

Grafik zeigt Erwerbstätigenquote und Teilzeitquote im EU-Vergleich
Grafik: APA/ORF; Quelle: Statistik Austria/Eurostat

Folglich, so die Statistik Austria, würden „im aktuellen Diskurs auch ältere Personen häufig als mögliches Reservoir zur Bewältigung des Arbeitskräfte- bzw. Fachkräftemangels genannt“. Allerdings: Sind Beschäftigte erst einmal aus dem Erwerbsleben ausgeschieden, „scheint es unter den gegebenen Rahmenbedingungen schwierig zu sein, sie wieder für den Arbeitsmarkt zu gewinnen“.

Hindernisse auf dem Rückweg in die Arbeitswelt

Nur ein kleiner Prozentsatz der 55- bis 64-Jährigen würde wieder einen Job annehmen wollen, in der Gruppe der 60- bis 64-Jährigen nur noch 5,7 Prozent. Zusatz: „Nicht allen wäre eine unmittelbare Arbeitsaufnahme überhaupt möglich.“ Basis der Daten ist die europäische Arbeitskräfteerhebung (AKE).

Rund die Hälfte der 55- bis 59-Jährigen gab laut der Erhebung an, aufgrund einer Erkrankung bzw. Behinderung nicht mehr arbeiten zu können, etwas mehr Männer als Frauen. Jede zehnte Frau führte als Grund Betreuungspflichten an, „während für Männer Betreuungsaufgaben keine Rolle spielten“.

Österreicher arbeiten kürzer als im EU-Schnitt

Im EU-Vergleich standen 2022 in Schweden noch 77,3 Prozent der 55- bis 64-Jährigen im Erwerbsleben, in Deutschland 73,3 Prozent, im EU-Schnitt 62,3 Prozent, Österreich lag vor zwei Jahren mit 56,4 Prozent auf Platz 19 der EU-27, Schlusslicht war Luxemburg mit 46,6 Prozent.

Grafik zur Arbeitslosenquote seit 2012
Grafik: APA/ORF; Quelle: AMS

Laut Mikrozensuserhebung der Statistik Austria stieg die Zahl der Arbeitslosen im Vorjahr auf 240.900 Personen, mit 4,5 Millionen aber auch die der Erwerbstätigen. Die Anzahl der offenen Stellen lag mit 206.400 „weiterhin auf einem sehr hohen, wenn auch rückläufigen Niveau“. Aufgrund des demografischen Wandels werde sich der Arbeitskräftemangel, so die Prognose, dennoch „künftig eher noch verschärfen“.