Myanmar Militärs
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Myanmar

Gewalt letztes Druckmittel der Junta

Die Gewalt in dem vom Militär regierten Myanmar hat erneut zugenommen. Die durch einen Putsch 2021 in dem ostasiatischen Land an die Macht gekommene Armee setzt nun auf Bombardierungen von Dörfern mit zahlreichen Toten, um sich an der Macht zu halten. UNO-Generalsekretär Antonio Guterres äußerte sich am Dienstag besorgt. Der UNO-Sonderbeauftragte für die Menschenrechte in dem Land, Tom Andrews, sieht in den anhaltenden Luftangriffen ein Rückzugsgefecht der Armee. Die Tage der Junta seien gezählt, so Andrews.

Angriffe von Rebellen sind die größte militärische Herausforderung für das Regime in Myanmar, seit es 2021 nach einem rund zehnjährigen Demokratisierungsprozess erneut durch einen Putsch an die Macht gelangte. Die von den Luftangriffen betroffenen Dörfer im von Konflikten erschütterten Teilstaat Rakhaing gelten der Armee als aufständisch bzw. mit bewaffneten Rebellengruppen verbunden. Das Militär musste zuletzt im Kampf gegen zahlreiche Guerillagruppen teils schwere Verluste hinnehmen und gilt als geschwächt.

Die Junta sei angezählt. Das Militär verliere im wahrsten Sinne des Wortes an Boden, so Andrews in einem Interview mit Radio Free Asia (RFA) vor seiner Berichterstattung vor der UNO in Genf am Dienstag. Die Junta verliere Truppen. Sie habe auch jegliche Legitimität verloren und sei verzweifelt über die eigene Lage. Die Junta und ihre Armee verfielen zunehmend, dieser Verfall werde weitergehen, so Andrews in dem Interview.

Zerstörtes Gebäude in Nam Hpat Kar, im Nördlichen Staat Shan in Myanmar.
APA/AFP
Ein bei Angriffen der Armee zerstörtes Gebäude in Nam Hpat Kar im nördlichen Shan-Staat in Myanmar

Junta für „humanitäre Krise“ verantwortlich

Laut Andrews hat sich auch die Versorgungslage unter der Junta verschlechtert. Dass es eine humanitäre Krise gebe, liege an der Junta. „Vor dem Putsch war etwa eine Million Menschen auf humanitäre Hilfe angewiesen. Heute sind es 18,6 Millionen Menschen“, sagte Andrews in dem Interview.

Darüber hinaus beschränke das Militär den Zugang für diejenigen, die Bedürftigen humanitäre Hilfe leisten wollen. „Sie (die Armee, Anm.) blockieren Straßen und schaffen bürokratischen Hürden.“ Es sei eine schreckliche Situation, die durch die Junta noch verschlimmert und vorangetrieben werde, so Andrews.

Maßnahmen der Staaten „koordinieren“

Die Bevölkerung benötige die Unterstützung der internationalen Gemeinschaft. Diese habe es bis jetzt versäumt, diese Unterstützung in angemessenem Maße bereitzustellen. Andrews äußerte sich auch zur Flucht aus Myanmar: „Die Menschen überqueren die Grenze nicht, weil sie es wollen. Sie tun es, weil sie es müssen. Ihr Leben steht auf dem Spiel.“ Deshalb seien auch die internationale Gemeinschaft und die Nachbarländer von entscheidender Bedeutung, um die Menschen aus Myanmar zu unterstützen, die Sicherheit suchten.

Auch mit Waffenembargos und Sanktionen wie dem Einfrieren von Junta-Vermögen im Ausland sei der Bevölkerung gegen die Junta geholfen. Alle diese Maßnahmen würden die Junta schwächen. Andrews hielt allerdings fest, dass es noch keine Strategie dahinter gebe und es sich um Einzelmaßnahmen handle. Er wolle nun mit den Staaten sprechen, um die Maßnahmen gegen die Junta zu koordinieren, so Andrews über seine nächste Aufgabe am Dienstag.

Freiwillige Kämpfer der „Karenni“ in im  Bundesstaat Kayah
Reuters
Freiwillige Kämpfer der Kayah im Kayah-Staat mobilisieren gegen die Junta

Guterres: Besorgt und beunruhigt

UNO-Generalsekretär Guterres äußerte sich am Dienstag besorgt über anhaltende Luftangriffe auf mehrere Dörfer mit offenbar zahlreichen Toten. Guterres sei „beunruhigt über Berichte zu anhaltenden Luftangriffen des Militärs, darunter in der Gemeinde Minbya, bei denen den Angaben zufolge viele Zivilisten getötet oder verletzt wurden“, sagte ein Sprecher.

Bei einem Luftangriff auf die Ortschaft Thar Dar waren laut Augenzeugenberichten in der Nacht auf Montag (Ortszeit) mindestens 20 Menschen getötet worden. „Erst wurde in unserem Dorf gekämpft, dann haben sie uns bombardiert“, sagte ein Bewohner der Nachrichtenagentur AFP.

Aufgrund der Kämpfe im an Bangladesch angrenzenden Teilstaat Rakhaing flohen in den vergangenen Monaten Zehntausende Menschen aus ihren Wohnorten. Rebellen der Gruppierung Arakan Army (AA) hatten im vergangenen November die Armee attackiert – und so eine seit 2021 andauernde Feuerpause unterbrochen. AA-Kämpfer nahmen unter anderem die Regionalhauptstadt Sittwe ein.

Pflichtrekrutierungen sollen Verluste kompensieren

Rund einen Monat nach der Ankündigung des Regimes, ein bisher inaktives Gesetz zur Wehrpflicht durchzusetzen, bereiten die Streitkräfte Pflichtrekrutierungen vor. Nach Angaben des Militärs betrifft das Gesetz etwa 14 Millionen Bürger und Bürgerinnen: 6,3 Millionen Männer und 7,7 Millionen Frauen. Insgesamt hat Myanmar etwa 55 Millionen Einwohner.

Demonstranten mit einem Bild von Aung San Suu Kyi vor dem Büro der Vereinten Nationen in Bangkok
Reuters/Chalinee Thirasupa
Eine Demonstration gegen die Junta zum dritten Jahrestag der Machtergreifung vor dem UNO-Büro in Bangkok in Thailand

Die Verluste der Armee im Kampf gegen Aufständische sollen durch die Pflichtrekrutierung kompensiert werden. Von der Junta entsandte Teams seien dabei, in Großstädten wie Yangon und der Hauptstadt Naypyidaw sowie in vielen kleineren Ortschaften Daten über mögliche Rekruten und Rekrutinnen zu sammeln, berichteten lokale Quellen und örtliche Medien.

Ankündigung löste Flüchtlingswelle aus

Die Junta hatte die Pflichtrekrutierung am 10. Februar verkündet. Männer im Alter zwischen 18 und 45 Jahren und Frauen im Alter zwischen 18 und 35 Jahren sollen für mindestens zwei Jahre zum Wehrdienst eingezogen werden. Angehörige bestimmter Berufsgruppen wie Ärzte und Ingenieure müssen sogar drei Jahre zum Militär. Laut Gesetz kann der Wehrdienst auf fünf Jahre verlängert werden. Wer sich weigert, dem droht eine Haftstrafe.

Die Ankündigung hatte in dem Krisenland umgehend eine Flüchtlingswelle ausgelöst. Zehntausende vor allem junge Menschen versuchen seither, ihre Heimat zu verlassen, insbesondere in Richtung Thailand.

Korruption blüht

Viele Eltern verhandelten derzeit mit den zuständigen Beamten, um zu verhindern, dass ihre Söhne und Töchter zum Militärdienst eingezogen werden, heißt es. Die Beamten wollen dafür aber laut Augenzeugenberichten Geld sehen. Für die zuständigen Militärs sei das die Chance, Geld von der Zivilbevölkerung zu erpressen.

Die Korruption blühe, heißt es weiter. Diejenigen, die nicht zahlen könnten, hätten das Nachsehen, berichtete die Nachrichtenagentur Khit Thit Media. In sozialen Netzwerken teilten zahlreiche Betroffene ihr Ängste, so die Agentur.