Anwalt sieht Milliardenschaden durch heimisches Baukartell

Im Burgenland ist gestern der Prozess um ein Baukartell mit sieben Schuldsprüchen zu Ende gegangen. Die sieben Unternehmer wurden jeweils zu Geldstrafen von 4.800 bis 75.000 Euro verurteilt. Ein Angeklagter erhielt eine Diversion. Die fünf beteiligten Firmen müssen Verbandsgeldbußen von bis zu 29.200 Euro zahlen – mehr dazu in burgenland.ORF.at.

Das burgenländische Baukartell ist allerdings nur eine Tangente in einem weitaus größeren österreichweiten Komplex. Zum Baukartell in Österreich wurden heute Schadensschätzungen in mehrfacher Milliardenhöhe genannt – die Rede war von einem Gesamtschaden zwischen zehn und 17 Milliarden Euro im Kartellzeitraum 2002 bis 2017.

Die Summe nannte der Anwalt und Kartellrechtsexperte Michael Brand gegenüber dem Ö1-Mittagsjournal. Er vertritt Dutzende Gemeinden, Wohnbauträger und private Firmen, die sich durch das Baukartell geschädigt fühlen.

Noch vor Ostern soll ein von ihm bestelltes Gutachten eine exakte Schadenssumme darstellen. Kurz nach Ostern plant Brand erste Schadenersatzklagen gegen Baufirmen beim Handelsgericht – gemeinsam mit dem Prozessfinanzierungsunternehmen LitFin.

Schätzung beruft sich auf internationale Studien

Die Schätzung zum extrem hohen Schaden kommt unter Bedachtnahme internationaler Studien zustande, die besagen, dass sich Kartelle für die Teilnehmer nur auszahlten, wenn sich die Einnahmen für die Firmen um 15 bis 20 Prozent erhöhen. Mit insgesamt etwa 40 beteiligten Firmen kommt man auf die zehn bis 17 Mrd. Euro.

„Das halte ich für durchaus realistisch“, sagte Brand. „Sie haben einen Kartellzeitraum von 2002 bis ’17, es waren alle großen österreichischen Bauunternehmen beteiligt.“

Zahlen für Bauindustrie „aus der Luft gegriffen“

Die Vereinigung Industrieller Bauunternehmungen Österreichs (VIBÖ) reagierte mit Unverständnis auf die genannten Schadenswerte. „Angesichts der aktuellen Berichterstattung zum Thema Baukartell sind wir sehr verwundert über die im Raum stehenden Behauptungen zum Schaden. Die genannten Summen sind aus der Luft gegriffene Fantasiezahlen, entbehren jeglicher Basis und sind in keinster Weise nachvollziehbar“, teilte VIBÖ-Präsident Peter Krammer der APA mit.

Die Bauindustrie stehe zu ihrer Verantwortung. „Wir haben unser Fehlverhalten aufgearbeitet und Vorsorgen getroffen, um in Zukunft derartige Vorfälle zu verhindern.“ Die VIBÖ-Mitglieder seien compliance-zertifiziert, „um sicherzustellen, dass derartige Vorfälle der Vergangenheit angehören“.

„Wir befinden uns aktuell mit einigen Auftraggebern in Gesprächen über mögliche Schadenersatzansprüche. Diese Gespräche verlaufen sehr konstruktiv, sind aber noch nicht abgeschlossen“, betonte Krammer. Die in den Medien kolportierten Zahlen entsprächen bei Weitem nicht jenen Beträgen, die sich aus dieser „seriösen Aufarbeitung“ ergäben.