Aufkleber zeigt WikiLeaks-Gründer Julian Assange mit verklebtem Mund
APA/AFP/Daniel Leal
Deal mit USA?

Hoffnungsschimmer für Assange

Hoffnung auf baldige Freilassung aus seiner Gefangenschaft in London kann sich möglicherweise der WikiLeaks-Gründer Julian Assange machen. Laut einem „Wall Street Journal“-Bericht arbeitet das US-Justizministerium an einem Deal, der den jahrelangen Rechtsstreit über Assanges Auslieferung beenden könnte. Nach sieben Jahren Asyl in der ecuadorianischen Botschaft in London sitzt er seit knapp fünf Jahren in Auslieferungshaft.

Wie das „Wall Street Journal“ am Mittwoch unter Berufung auf Insider berichtete, erwäge das US-Justizministerium, die derzeit 18 Anklagen nach dem Spionagegesetz fallen zu lassen, falls sich Assange wegen Missbrauchs geheimer Dokumente schuldig bekennen sollte, was eine Ordnungswidrigkeit darstellt. Assange könnte sich aus dem Gefängnis heraus darauf einlassen, ohne einen Fuß in die USA zu setzen.

Die knapp fünf Jahre in britischer Haft würden auf die US-Strafe für die reduzierte Anklage angerechnet, und Assange könnte das Londoner Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh, in dem er einsitzt, wahrscheinlich schon kurz nach der Einigung verlassen, so das „Wall Street Journal“. Assanges Anwalt Barry Pollack bestritt jedoch, Kenntnis von derartigen Plänen des US-Justizministeriums zu haben.

Außenansicht des Hochsicherheitsgefängnisses Belmarsh in London
IMAGO/ZUMA Press
Seit knapp fünf Jahren sitzt Assange im Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh im Osten von London

175 Jahre Haft drohen

„Wir können nur sagen, dass wir keine Hinweise darauf erhalten haben, dass das Justizministerium beabsichtigt, den Fall zu lösen, und dass die USA mit der gleichen Entschlossenheit weitermachen wie eh und je, um seine Auslieferung in allen 18 Anklagepunkten zu erwirken und ihn einer Gefängnisstrafe von 175 Jahren auszusetzen“, so Pollack. Das US-Justizministerium kommentierte den „Wall Street Journal“-Bericht nicht.

Bisher will die US-Regierung Assange wegen Spionagevorwürfen den Prozess in den USA machen. Ihm drohen bis zu 175 Jahre Haft. Washington wirft dem Aufdecker vor, geheimes Material von US-Militäreinsätzen im Irak und in Afghanistan gestohlen, veröffentlicht und damit das Leben von US-Informanten in Gefahr gebracht zu haben.

Assanges Anwälte hingegen sehen darin nur die Arbeit eines investigativen Journalisten und verurteilen die Strafverfolgung als Vergeltungsaktion Washingtons, weil WikiLeaks durch die Veröffentlichungen auch Kriegsverbrechen aufdeckte. Für eine Freilassung des 52-Jährigen setzen sich weltweit Menschenrechtsorganisationen und Journalistenverbände ein.

Warten auf Gerichtsentscheid

Derzeit wartet Assange auf die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes in London, ob ihm ein volles Berufungsverfahren zusteht. Für den 52-Jährigen wäre es die letzte Chance, sich vor einem britischen Gericht gegen seine Abschiebung zu wehren. Sollte der Berufungsantrag abgelehnt werden, muss Assange binnen 28 Tagen an die USA ausgeliefert werden. In diesem Fall bliebe ihm noch der Gang vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg.

Unterstützer des WikiLeaks-Gründers Julian Assange vor dem Obersten Gerichtshof in London
IMAGO/ZUMA Wire/Vuk Valcic
Vor dem Gericht Royal Courts of Justice fordern Demonstrantinnen und Demonstranten die Freilassung Assanges

Eine Auslieferung wäre für die Regierung von Joe Biden politisch schwierig, insbesondere in einem Wahljahr, schreibt das „Wall Street Journal“. Die demokratische Regierung unter Barack Obama hatte eine Anklage erwogen, sich letztlich aber dagegen entschieden, weil sie befürchtete, dass das als Angriff auf die Pressefreiheit verstanden würde.

Unter der republikanischen Regierung von Donald Trump wurde Assange dann auf Grundlage des Spionagegesetzes von 1917 angeklagt. Es ist der erste Fall, in dem dieses Regelwerk auf die Veröffentlichung von Geheiminformationen angewendet wird. Seither wird er in Belmarsh festgehalten – unter Bedingungen, die der damalige UNO-Sonderberichterstatter über Folter, Nils Melzer, nach einem Besuch als „psychische Folter“ beschrieb.

Ehefrau fürchtet um Assanges Leben

Assange war 2012 in die ecuadorianische Botschaft in London geflohen. Damals wurde ihm in Schweden Vergewaltigung vorgeworfen – ein Verfahren, das später eingestellt wurde. Ecuador gewährte dem Australier politisches Asyl, das er sieben Jahre lang in der Botschaft verbrachte – eine Situation, die er mit dem Leben auf einer Raumstation verglich.

„Weltjournal“: Julian Assange – Warten auf Entscheidung

Die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs in London zur Auslieferung von Julian Assange lässt noch auf sich warten. Das „Weltjournal“ zeigt, wie der Aufdecker von den USA zu einem der gefährlichsten Widersacher gestempelt wurde und welch hohen Preis der mittlerweile 52-Jährige für seine Haltung bezahlt.

Nach einem Machtwechsel in Quito übergab Ecuador Assange 2019 der britischen Polizei. Seither wird er im Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh im Osten Londons festgehalten. „Wenn er ausgeliefert wird, wird er sterben“, befürchtet seine Frau Stella Assange. Seine körperliche und psychische Verfassung sei schlecht, jeder weitere Tag im Gefängnis eine Gefahr für sein Leben. Gutachter beschreiben Assange als depressiv und suizidgefährdet.