Kamera im BKA
ORF.at/Roland Winkler
Zitierverbot und Datenschutz

Pläne schüren Sorge um Pressefreiheit

Die Medienbranche schaut besorgt auf zwei Regierungsvorhaben, die die Pressefreiheit einschränken könnten. Schon bald muss eine bestehende Regelung zum Datenschutz repariert werden, was das Redaktionsgeheimnis unterlaufen könnte. Die ÖVP will die Materie offenbar mit dem von ihr gewünschten Verbot des Zitierens aus Ermittlungsakten verknüpfen.

Die Regierung muss nach einem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs (VfGH) bis Ende Juni die gänzliche Ausnahme für Medienunternehmen im Datenschutzgesetz (DSG) ändern. Medien sind bisher vom Datenschutzrecht ausgenommen, dem VfGH ging das aber zu weit. Künftig soll auch von Medien der Einzelfall abgewogen werden.

Dazu erarbeitete Justizministerin Alma Zadic (Grüne) mittlerweile einen Entwurf zur Novellierung des Datenschutzgesetzes. Dieser ist noch nicht öffentlich, stößt aber bereits auf Kritik. So wird befürchtet, dass der Datenschutzbehörde zu viel Kompetenz übertragen werden könnte und Journalistinnen und Journalisten indirekt ihre Quellen offenlegen müssten. Das würde journalistisches Arbeiten – speziell im Investigativjournalismus – kaum noch erlauben.

Der Entwurf des Justizministeriums würde „aus medienpolitischer Sicht die Arbeit in den Redaktionen massiv erschweren“, hieß es dazu auf APA-Anfrage von der für Medien zuständigen Ministerin Susanne Raab (ÖVP).

Aus dem Justizministerium hieß es dazu gegenüber ORF.at, die Bundesregierung arbeite gerade an der Neuregelung, und diese werde „den Investigativjournalismus und das Redaktionsgeheimnis weiterhin gewohnt hoch schützen“. Daten, die dem Redaktionsgeheimnis unterliegen, müssten niemals offengelegt werden. „Wenn es hier noch konkrete Punkte gibt, bei denen weitere Verbesserungen möglich sind, steht die Bundesregierung dem selbstverständlich offen gegenüber“, man warte derzeit auf die rechtliche Einschätzung des Verfassungsdienstes.

Bundeskanzleramt sieht Justizministerium zuständig

Das Bundeskanzleramt betonte am Freitag gegenüber ORF.at allerdings, dass Angelegenheiten des Datenschutzes in den Wirkungsbereich des Justizministeriums fielen.

„Dies gilt auch für die Beurteilung der Sachlichkeit des Entwurfs im Hinblick auf die Abwägung zwischen dem Recht auf freie Meinungsäußerung und Informationsfreiheit und dem Recht auf Datenschutz. Diese Zuständigkeiten waren im Bundesministeriengesetz 2020 aus dem Verfassungsdienst in das BMJ verschoben worden. Fragen zur Auslegung des Entwurfs sind daher an das Bundesministerium für Justiz zu richten. Ebenso ist die Übereinstimmung des Entwurfs mit dem Recht der Europäischen Union vom Bundesministerium für Justiz zu beurteilen.“ Eine verfassungsrechtliche Prüfung durch den Verfassungsdienst erfolge wie üblich im Zuge des Begutachtungsverfahrens.

ÖVP will Verbot des Zitierens aus Ermittlungsakten

Viele Aussagen, die einander ÖVP-Funktionäre zugesandt haben und die im Zuge der Korruptionsermittlungen bekanntwurden, haben ihren Weg an die Öffentlichkeit gefunden. Die ÖVP will verbieten, dass Medien Zitate aus Ermittlungsakten veröffentlichen. Die grüne Justizministerin Alma Zadic hat das bisher immer abgelehnt. Nun wird ein neuer Versuch unternommen, das Verbot einzuführen.

Verknüpfung mit Zitierverbot möglich

Die ÖVP will aber laut Medienberichten ohnehin nicht zustimmen, solange die Grünen nicht dem von der ÖVP geforderten Zitierverbot beipflichten. Dabei handelt es sich um Zitieren aus Akten aus einem nicht öffentlichen Verfahren. Sobald ein Verfahren öffentlich sei, dürfe auch zitiert werden, so Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP). Die Grünen sprachen sich in der Vergangenheit dagegen aus.

Nikolaus Forgo, Professor für Technologie- und Immaterialgüterrecht an der Universität Wien, warnte vor kurzem in einem „Presse“-Gastkommentar vor einer Nichtumsetzung der vom VfGH aufgetragenen DSG-Novellierung: „Österreich kippt dann von dem einen Extrem – fast komplette Verdrängung des Datenschutzes im Medienbereich – in das andere – fast komplette Verdrängung der Informations- und Meinungsfreiheit.“ Auch stellte er die Frage, wie Investigativjournalismus funktionieren solle, „wenn der, gegen den recherchiert wird, Auskunft zur Recherche verlangen, dieser widersprechen und Löschung beantragen könnte?“

Zitierverbot für OGH-Präsidenten unnötig

Auch der neue Präsident des Obersten Gerichtshofs (OGH), Georg Kodek, sagte in der ZIB2 am Mittwochabend, dass „Medienfreiheit ein ganz wichtiges Grundrecht“ sei. „Medien erfüllen in einer demokratischen Gesellschaft gerade auch für den Rechtsstaat eine fundamentale Rolle“, so Kodek. Jedoch agierten Medien nicht im rechtsfreien Raum. Es gebe andere Grundrechte, die der Gesetzgeber schützen müsse.

Neuer OGH-Präsident zum Verhältnis von Justiz und Politik

Georg Kodek, der neue Präsident des Obersten Gerichtshofs, sprach in der ZIB2 zum Verhältnis zwischen Justiz und Politik.

Das sei letztlich eine Gratwanderung. Klar sei aber: Könnte jeder Auskunft von Journalisten verlangen, woher sie Infos haben, wäre der Quellenschutz „total unterlaufen“. „Das kann es nicht sein“, so Kodek. Zum Zitierverbot gefragt meinte er, dass dieses mit den Ausnahmen für Medien im Datenschutzgesetz sachlich nichts zu tun habe. Auch vermisse er ein solches Verbot nicht.

SPÖ-Mediensprecherin Muna Duzdar ortete in einer Aussendung eine Gefahr für die Medienfreiheit und den Investigativjournalismus und drängte auf eine baldige Umsetzung des VfGH-Erkenntnisses. Das Zitierverbot, das die ÖVP mit einem Junktim erzwingen wolle, sei „ein Anschlag auf die unabhängige Berichterstattung“.