Gipfel ermöglicht Nutzung russischer Vermögen für Waffen

Die EU-Staats- und -Regierungschefs haben sich gestern in der umstrittenen Frage, die Erträge aus eingefrorenen russischen Vermögen für Waffen- und Munitionskäufe zur Verteidigung der Ukraine heranzuziehen, auf eine weitere Vorgehensweise geeinigt.

Der EU-Gipfel fordert den Rat laut Schlussfolgerungen dazu auf, auf Basis der Vorschläge des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell weiterzuarbeiten. Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) hatte sich vor dem Ratstreffen noch skeptisch gezeigt.

Von der Leyen: Erste Zahlungen schon im Juli möglich

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sagte in der Abschlusspressekonferenz, dass die ersten Gelder an die Ukraine bereits im Juli fließen könnten. Der Rat (der Mitgliedsstaaten) müsse nun rasch einen Vorschlag verabschieden.

Die EU-Kommission rechnet mit Zinserträgen von bis zu drei Milliarden Euro pro Jahr. Mit dem Geld könnte etwa Munition für die Ukraine gekauft werden. „Die Staatschefs verstehen, wie dringend die Lage ist, rasch zu handeln, damit die Gelder rasch genutzt werden können, um die Ukraine zu unterstützen, auch militärisch“, sagte Ratspräsident Charles Michel.

90 Prozent der Zinsgewinne für Waffenkauf

EU-Außenbeauftragter Borrell hatte zuletzt vorgeschlagen, dass die EU 90 Prozent der Zinsgewinne eingefrorener russischer Vermögensgüter für den Kauf von Waffen für die Ukraine über die Europäische Friedensfazilität verwende.

Zehn Prozent sollten in den Wiederaufbau der Ukraine und in die Stärkung der Kapazitäten der ukrainischen Verteidigungsindustrie fließen. Die Ukraine soll auch von einer EU-Verteidigungsstrategie profitieren, die u. a. mehr gemeinsame Militäreinkäufe vorschlägt.

Selenskyj: „Aggressor sollte höchsten Preis für Krieg zahlen“

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj forderte in seiner Videoansprache an die EU-Spitzen, „der Aggressor sollte den höchsten Preis für den Krieg zahlen“. Es sei „nur fair, wenn sowohl die Gewinne aus den russischen Vermögenswerten als auch die Vermögenswerte selbst“ der Unterstützung und dem Wiederaufbau der Ukraine und „zum Teil dem Kauf von Waffen zur Beendigung des Terrors dienen“.

Beistand auch „so intensiv wie nötig“

„Wir beschleunigen unsere militärische Unterstützung – Munition, Raketen, Luftverteidigungssysteme“, teilte EU-Ratspräsident Michel via X mit. Vor allem auf Druck der Osteuropäer hieß es in der nun angenommenen Gipfelerklärung erstmals, die Europäer wollten der Ukraine nicht nur „so lange wie nötig“, sondern auch „so intensiv wie nötig“ beistehen.

Die Europäische Investitionsbank (EIB) wird aufgefordert, Kredite für die Verteidigungsindustrie zu erleichtern. Die EIB solle zudem „ihre Definition von Gütern mit doppeltem Verwendungszweck anpassen“, heißt es in der Erklärung. Erlaubt sind derzeit nur eng begrenzte Investitionen in Güter, die zu zivilen wie militärischen Zwecken genutzt werden können, etwa in Drohnen. Bisher investiert die EU-Förderbank mit Sitz in Luxemburg vorrangig in Projekte für mehr Klimaschutz.