Kleidungsstück mit Nike-Logo liegt auf DFB-Trikot
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Nike statt adidas

DFB-Ausrüsterwechsel sorgt für Aufruhr

Paukenschlag bei der deutschen Fußballnationalmannschaft: Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) lässt den Vertrag mit Dauerpartner adidas auslaufen und wird ab 2027 vom US-Rivalen Nike ausgestattet. Diese einschneidende, vollkommen unerwartete, aber offenbar sehr lukrative Entscheidung verkündete der DFB am Donnerstag und fachte damit die nächste deutsche Debatte über Kommerz im Fußball an. Auch aus der Politik kam laute Kritik.

Die Partnerschaft mit dem US-Sportartikelhersteller soll im Jänner 2027 beginnen und bis 2034 dauern. Nike soll in dieser Zeitspanne alle deutschen Fußballnationalteams ausrüsten. „Wir freuen uns auf die Zusammenarbeit mit Nike und über das in uns gesetzte Vertrauen“, sagte DFB-Präsident Bernd Neuendorf. Die Entscheidung kommt kurz vor der Heimeuropameisterschaft, die im Juni beginnt und bei der das deutsche Team noch in adidas auflaufen wird. Für das Turnier hat man sich sogar am adidas-Standort Herzogenaurach in Franken einquartiert.

Hochrangige deutsche Politiker kritisierten die Entscheidung. „Ich kann mir das deutsche Trikot ohne die drei Streifen kaum vorstellen. Adidas und Schwarz-Rot-Gold gehörten für mich immer zusammen. Ein Stück deutscher Identität. Da hätte ich mir ein Stück mehr Standortpatriotismus gewünscht“, sagte Wirtschaftsminister und Vizekanzler Robert Habeck (Grüne).

Patriotismus schwang auch in den Worten von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) mit: „Adidas soll nicht mehr Nationaltrikot im Fußball sein? Stattdessen ein US Unternehmen? Halte ich für eine Fehlentscheidung, wo Kommerz eine Tradition und ein Stück Heimat vernichtet“, schrieb Lauterbach auf X (Twitter).

„Unverständlich“ und „unpatriotisch“

Die CSU-Bundestagsabgeordnete Dorothee Bär bezeichnete es ebenfalls auf X als „eine gnadenlose Fehlentscheidung“. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) zeigte laut „Bild“ kein Verständnis: „Deutscher Fußball ist Heimat pur – und kein Spielball internationaler Konzernkämpfe.“ CDU-Chef Friedrich Merz nannte die Entscheidung „unverständlich“ und „auch unpatriotisch“.

Auch Ministerpräsidenten deutscher Bundesländer meldeten sich zu Wort. Wenn adidas und Puma ein Markenzeichen für deutsche Qualität seien, dann würde er sich freuen, wenn das die Nationalmannschaft auch mit deutscher Qualität nach außen werbend zeige, sagte Thüringens Bodo Ramelow auf RTL/ntv. „Diese Reduzierung ausschließlich auf Geld und Dollar-Zeichen geht mir echt auf die Nerven“, sagte der Linke-Politiker.

„Amerikanische Fantasiemarke“

„Die drei Streifen gehören natürlich zu den vier Sternen, die wir auf der Brust tragen. Der Weltmeister trägt adidas, nicht irgendeine amerikanische Fantasiemarke. Deswegen finde ich das schon ein starkes Stück, was der DFB da macht“, meinte sein hessischer CDU-Kollege Boris Rhein.

Auch bei Fans und in Medienkommentaren herrschte helle Aufregung. In sozialen Netzwerken überwog die Kritik an der Entscheidung. In einem Kommentar im „Spiegel“ zu den streifenlosen Trikot wurde gefragt, ob der Ausrüsterwechsel vielleicht sogar „Landesverrat“ sei. In einer noch laufenden Onlineumfrage des Sportmagazins „kicker“ bezeichneten Freitagmittag 90 Prozent der Teilnehmer den Abschied von den drei Streifen auf den Trikots der Nationalelf als Fehler.

Adidas überrascht

Viele Jahrzehnte lang waren der DFB und adidas Partner. Der Sportartikelkonzern zeigte sich von der Entscheidung überrascht: „Wir sind vom DFB heute darüber informiert worden, dass der Verband ab 2027 einen neuen Ausrüster haben wird“, hieß es am Donnerstag in einer kurzen Mitteilung.

Die Entscheidung gegen adidas und pro Nike war offensichtlich von wirtschaftlichen Gesichtspunkten getrieben. Nach Informationen des „Handelsblatts“ soll sich Nike den Deal mehr als 100 Millionen Euro pro Jahr kosten lassen. Damit würde Nike die bisherige Vertragssumme von adidas verdoppeln. Bestätigt sind die Zahlen nicht, der DFB erklärte lediglich, Nike habe „das mit Abstand beste wirtschaftliche Angebot abgegeben“.

Deutsche Liga blies Investoreneinstieg ab

Eine Debatte über die Kommerzialisierung des deutschen Fußballs hatte erst vor Kurzem für viel Aufregung gesorgt. Der Plan der deutschen Bundesliga, Finanzinvestoren und Kapitalbeteiligungsgesellschaften an Bord zu holen, erzürnte Fußballfans. Mit Transparenten, aufs Spielfeld geworfenen Tennisbällen und andern Störaktionen protestierten die Fankurven lautstark – und schließlich erfolgreich: Die Deutsche Fußball Liga (DFL) lenkte Ende Februar ein und begrub ihre Pläne.

Symbole und politischer Kulturkampf

Das neue – noch von adidas gestaltete – Auswärtstrikot hatte zuletzt für viel Gesprächsstoff gesorgt. In sozialen Netzwerken sorgte das lila-pinkfarbene Jersey für heftige Debatten, als zu „unmännlich“ wurde es geschmäht. Darauf waren der DFB und adidas offenbar vorbereitet und präsentierten mehrere Videoclips, in denen die kritischen Töne wie auch die traditionelle Sichtweise auf das deutsche Trikot ironisch und humorvoll kommentiert werden.

Offizielle Trikots der deutschen Fußball-Nationalmannschaft für die Europameisterschaft 2024
APA/dpa/Daniel Karmann
Derzeit noch von adidas: Das neue deutsche Heimtrikot ist weiß, das für Auswärtsspiele lila-pinkfarben

Dass die deutsche Nationalmannschaft derzeit in der Kritik steht, liegt vor allem daran, dass sie sportlich die Erwartungen nicht erfüllen konnte. Bei den drei vergangenen Turnieren schnitt sie schlecht ab. Bei der WM 2018 und 2022 schied man in der Vorrunde aus, bei der EM 2021 im Achtelfinale. Vor allem rechtsgerichtete Fans führen das auf fehlende „deutsche Tugenden“ zurück, in sozialen Netzwerken hagelt es offen rassistische Kritik an Spielern der zweiten und dritten Generation von Zuwanderern.

Ein rosafarbenes Trikot und auch die Debatte über die Regenbogenkapitänsbinde zur WM in Katar sorgten für die Eröffnung von „Kulturkämpfen“, wie man sie aus der Politik kennt. Die schwache Mannschaft wird in Social-Media-Kommentaren häufig mit Kritik an der „Ampelkoalition“ von SPD, Grünen und FDP verknüpft. Beides sei, ist in vielen Postings zu lesen, symbolhaft für den Niedergang des „echten Deutschlands“. Sollte die deutsche Elf bei der Heim-EM schlecht abscheiden, werden diese Debatten wohl weiter Fahrt aufnehmen.