UNO-Generalsekretär Antonio Guterres an der Grenze zwischen Ägypten und dem Gazastreifen
AP/Amr Nabil
Besuch in Rafah

Guterres beklagt „endlosen Alptraum“

UNO-Generalsekretär Antonio Guterres hat bei seinem Besuch in Ägypten Forderungen nach einer Waffenruhe im Gaza-Krieg erneuert. „Die Palästinenser in Gaza, Kinder, Frauen, Männer, stecken in einem endlosen Alptraum fest“, beklagte er am Samstag bei einem Besuch am Rafah-Grenzübergang.

„Gemeinden wurden ausgelöscht, Häuser zerstört, ganze Familien und Generationen ausgelöscht“, sagte Guterres. Er spreche im Namen „der großen Mehrheit der Welt, die genug von diesem endlosen Alptraum“ habe, sagte Guterres weiter. Der UNO-Generalsekretär forderte auch die Freilassung der Geiseln in der Gewalt der radikalislamischen Hamas. Das sei im „Geist des Mitgefühls“ des islamischen Fastenmonats Ramadan.

Israel forderte er erneut dazu auf, dringend benötigte Hilfsgüter in den Gazastreifen passieren zu lassen. Die lange Schlange blockierter Lastwagen mit Hilfsgütern auf der ägyptischen Seite der Grenze zu dem Palästinensergebiet, in dem Menschen vom Hungertod bedroht seien, sei mehr als tragisch. „Es ist ein moralischer Skandal.“ Außerdem sagte er: „Ich möchte, dass die Palästinenser in Gaza wissen: Ihr seid nicht allein.“ Am Samstag war Guterres für Gespräche in Ägypten eingetroffen und auch zur Grenze bei Rafah gereist.

UNO-Generalsekretär Antonio Guterres bei seiner Ankunft in Ägypten
Reuters/Mohamed Abd El Ghany
UNO-Generalsekretär Antonio Guterres bei seiner Ankunft in Ägypten

Waffenruhe: Votum in UNO-Sicherheitsrat verschoben

Eine geplante Abstimmung im UNO-Sicherheitsrat über eine Forderung nach einer sofortigen Gaza-Waffenruhe war zuvor am Samstag verschoben worden. Die Beratung zur Lage im Nahen Osten soll nun am Montag stattfinden. Es ist anzunehmen, dass hinter den Kulissen weiter verhandelt wurde, um einen Erfolg der Resolution im mächtigsten Gremium der Vereinten Nationen wahrscheinlicher zu machen.

Der Entwurf der Beschlussvorlage fordert eine „von allen Seiten respektierte sofortige Waffenruhe für den Monat Ramadan“. Diese solle zu einer „dauerhaften und nachhaltigen Waffenruhe“ führen, hieß es weiter. Zudem fordert der Resolutionsentwurf die sofortige und bedingungslose Freilassung aller Geiseln und betont die Notwendigkeit eines Ausbaus der Hilfslieferungen für die Zivilbevölkerung im Gazastreifen.

Tauziehen um Zustimmung

Die Resolution sollte von nicht ständigen Mitgliedern des mächtigsten UNO-Gremiums eingebracht werden. Es galt jedoch als wahrscheinlich, dass die USA, Israels Schutzmacht in dem Gremium, den Beschluss mit ihrem Veto blockieren würden. Erst am Freitag hatten die Vetomächte Russland und China wiederum eine von Washington vorgeschlagene Resolution scheitern lassen, die deutlich umfassender war, aber auch eine Waffenruhe forderte.

Eine Resolution im Weltsicherheitsrat braucht die Stimmen von mindestens neun der 15 Mitgliedsstaaten. Zudem darf es kein Veto der ständigen Mitglieder USA, Russland, China, Frankreich und Großbritannien geben. Resolutionen des Sicherheitsrats sind völkerrechtlich bindend. Wenn ein betroffener Staat sie ignoriert, kann das Gremium Sanktionen verhängen.

Gaza-Krieg: Guterres fordert Waffenruhe

UNO-Generalsekretär Antonio Guterres hat bei seinem Besuch in Ägypten seine Forderungen nach einer Waffenruhe im Gaza-Krieg erneuert.

Verhandlungen in Doha

Unterdessen machte sich eine israelische Delegation erneut auf den Weg nach Doha, um über eine befristete Waffenruhe und eine Geiselfreilassung zu verhandeln. Unter Führung des Chefs des Auslandsgeheimdienstes Mossad, David Barnea, soll sich die israelische Abordnung am Samstag in der katarischen Hauptstadt mit CIA-Direktor William Burns, Katars Ministerpräsidenten Mohammed bin Abdulrahman Al Thani und dem ägyptischen Geheimdienstminister Abbas Kamel treffen.

Die USA, Katar und Ägypten vermitteln in den sich bereits über mehrere Wochen hinziehenden indirekten Gesprächen zwischen Israel und der Hamas. Diese zielen darauf ab, dass die Islamisten während einer sechswöchigen Waffenruhe 40 israelische Geiseln freilassen. Israel soll im Gegenzug mehrere hundert palästinensische Häftlinge aus Gefängnissen entlassen. Die Hamas fordert auch, dass das israelische Militär die in den Süden des Gazastreifens vertriebenen Palästinenser und Palästinenserinnen in ihre Wohnorte in der Mitte und im Norden des Küstengebiets zurücklässt. Israel will derzeit nur Frauen und Kinder zurückkehren lassen.

Kirby: Differenzen werden kleiner

Aus Washington kamen zuletzt vorsichtig optimistische Signale. „Wir glauben, dass wir (einer Einigung, Anm.) näher kommen, dass die Differenzen kleiner werden“, sagte der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrates der USA, John Kirby, am Freitag (Ortszeit). Die Art und Weise, wie die Gespräche verliefen, sei ein „gutes Zeichen“. Allerdings gebe es kein Datum für einen Abschluss, den es erst geben könne, wenn über das gesamte Paket eine Einigung erzielt wird.

Netanjahu in Kriegskabinett unter Druck

Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu sah sich unterdessen im Kriegskabinett starkem Druck ausgesetzt, die Verhandlungsvollmachten der Delegation für Doha zu erweitern. In der Runde, in der auch der aus der Opposition kommende Ex-General Benni Ganz sitzt, sei es am Freitag „dramatisch“ zugegangen, berichtete der TV-Sender Channel 12. Der Chef des Inlandsgeheimdienstes Schin Bet, Ronen Bar, habe damit gedroht, nicht nach Doha zu fliegen, wenn die Delegation, der er angehört, nicht flexibler verhandeln dürfe.

Auslöser des Gaza-Krieges war der Terrorüberfall der Hamas und anderer Gruppen am 7. Oktober im Süden Israels. Die Terroristen töteten 1.200 Menschen und verschleppten 250 weitere als Geiseln in den Gazastreifen. Israel griff das Küstengebiet an, um die Hamas zu zerschlagen. Dabei kamen nach Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde bisher rund 32.000 Palästinenser und Palästinenserinnen ums Leben, wobei diese Zahl sowohl Zivilisten als auch Kämpfer enthält. Von den Geiseln, die die Hamas nach einer ersten Runde von Freilassungen im November noch in ihrer Gewalt hält, dürften nach israelischen Schätzungen noch knapp 100 am Leben sein.

Internationale Kritik an israelischem Vorgehen

Der Verlauf des Krieges stößt mittlerweile auf starke internationale Kritik. Selbst die USA, Israels engster Verbündeter, beanstanden offen die häufig von Israel vorgenommene Beschränkung des Zugangs für humanitäre Hilfe. Besonders ablehnend verhält sich Washington zu der von Netanjahu mehrfach angekündigten Bodenoffensive in der südlichen Stadt Rafah, um die letzten vier Bataillone der Hamas zu zerschlagen.

In dem Ort an der Grenze zu Ägypten halten sich derzeit 1,5 Millionen Menschen auf. „Eine größere Bodenoffensive (…) würde den Tod von noch mehr Zivilisten, noch größeres Chaos bei der Bereitstellung von humanitärer Hilfe riskieren“, sagte US-Außenminister Antony Blinken am Freitag bei einem Besuch in Tel Aviv.

Netanjahu beteuert, dass sein Militär Pläne für eine sichere Evakuierung Rafahs habe. „So einen glaubwürdigen Plan haben wir noch nicht gesehen“, sagte US-Sicherheitsratssprecher Kirby. Anfang kommender Woche soll Israel hochrangige Delegationen nach Washington schicken, um die entsprechenden Pläne zu zeigen.