Slovakischer Präsidentenpalast
IMAGO/Tomas Tkacik
Slowakei

Stichwahl um Präsidentenamt nötig

Die Frage, wer in der Slowakei neues Staatsoberhaupt wird, entscheidet sich erst in einer Stichwahl. Am 6. April werden der von der liberalen Opposition unterstützte Ex-Außenminister und Diplomat Ivan Korcok und der zum Regierungslager gehörende sozialdemokratische Parlamentspräsident Peter Pellegrini gegeneinander antreten, wie die staatliche Wahlkommission am Sonntagvormittag bestätigte. Die Wahl gilt als entscheidender Richtungsweiser für die künftige politische Entwicklung des Landes.

Die erste Runde der Präsidentschaftswahl gewann Korcok mit 42,5 Prozent, wie die Wahlkommission heute Früh mitteilte. Pellegrini kam auf 37,0 Prozent. Keiner der neun Kandidaten erreichte die absolute Mehrheit – daher muss eine Stichwahl entscheiden. Die Wahlbeteiligung von 51,9 Prozent war eine der bisher höchsten überhaupt seit Einführung der Direktwahl in der Slowakei im Jahr 1999. Laut dem Chef des slowakischen Statistikamtes, Martin Nemky, dauerte der gesamte Prozess der Stimmenauszählung in der Nacht auf Sonntag nur knapp vier Stunden. Das war um eine Stunde weniger als bei der letzten Präsidentenwahl vor fünf Jahren.

Die Auszählung der Stimmen ging unerwartet spannend zu Ende. Zunächst führte Pellegrini deutlich vor Korcok. Nach Auszählung der letzten Wahlbezirke drehte sich das Ergebnis nach Mitternacht aber zugunsten Korcoks um. Drittstärkster Kandidat wurde der prorussische Nationalist und ehemalige Justizminister Stefan Harabin mit 11,7 Prozent.

Stimmabgabe des slovakischen Präsidentschaftskandidaten Ivan Korcok
APA/AFP/Tomas Benedikovic
Ex-Außenminister Ivan Korcok ist bei der Auszählung der Stimmen vorangelegen

Am Sonntagvormittag äußerte sich erstmals auch Ministerpräsident Robert Fico zum Wahlausgang der ersten Runde. Er war in der Wahlnacht nicht in der Wahlzentrale von Pellegrini erschienen, um ihn zu unterstützen. „Vorerst alles nach Plan“, erklärte der Sozialdemokrat in einem sozialen Netzwerk. Seiner Partei Smer-SSD (Richtung Slowakische Sozialdemokratie) lagen im Vorfeld Analysen vor, aufgrund derer er den Sieg Korcoks erwartet habe. „Wir hatten einen Sieg von Ivan Korcok in der ersten Runde um drei Prozentpunkte erwartet“, behauptete Fico.

Haltung zu Russland als Konfliktthema

Pellegrini ist ein Verbündeter des russlandfreundlichen Regierungschefs Ficos, welcher der Ukraine militärische Hilfe zur Verteidigung gegen Russland verwehrt. Der 48-Jährige hat unter anderem die Souveränität der Ukraine infrage gestellt und Kiew zum Friedensschluss mit Russland aufgerufen.

Ex-Außenminister Korcok ist hingegen ein entschiedener Unterstützer der Ukraine und vertritt ähnliche Ansichten wie die scheidende Präsidentin Zuzana Caputova, die von sich aus nicht für eine zweite Amtszeit kandidierte. Er wird von der Opposition im Land unterstützt.

Stimmabgabe des slovakischen Präsidentschaftskandidaten Peter Pellegrini
APA/AFP/Vladimir Simicek
Der sozialdemokratische Parlamentspräsident Peter Pellegrini zählt zu den beliebtesten Politikern des Landes

Caputova wollte nicht erneut antreten

Caputova wollte kein zweites Mal antreten. Sie hatte sich einigen Maßnahmen der neuen Regierung unter Fico in den vergangenen Monaten mit den ihr zur Verfügung stehenden Mitteln entgegengestellt. So brachte sie etwa die umstrittene Justizreform vor das Verfassungsgericht. Zudem ermöglicht ihr das Präsidentenamt ein Vetorecht bei Gesetzesvorschlägen und sie kann Richter für das oberste Verfassungsgericht ernennen.

„Herrschaft der Immunität und Straffreiheit“

Das Gericht stoppte Teile der Justizreform. Geblieben sind aber die Auflösung der Sonderstaatsanwaltschaft, die sich mit hochrangigen Korruptionsfällen beschäftigte und auch gegen Vertraute Ficos ermittelte, sowie reduzierte Strafen für Wirtschaftskriminalität und Korruption. Fico will laut dem Slowakei-Experten Grigorik Meseznikov, Direktor des Instituts für öffentliche Angelegenheiten (IVO), „die Herrschaft der Immunität und Straffreiheit“ für sich und seine Vertrauten wieder herstellen. Das Ergebnis der Präsidentschaftswahl werde mit darüber entscheiden, wie ihm das gelingt.

Mit einer knappen Mehrheit im Parlament setzt Fico seit seiner neuerlichen Machtübernahme schrittweise Maßnahmen, die die Demokratie unterwandern. Er tauschte die Führung der Polizei und anderer wichtiger Behörden aus. Zuletzt kündigte er Pläne für den Umbau des öffentlich-rechtlichen Rundfunks an. Stattdessen soll ein staatliches Medium nach dem Vorbild Ungarns kommen.

Sorge vor Wegfall der korrigierenden Stimme

Die Sorge von politischen Beobachtern ist, dass diese korrigierende Stimme einer Präsidentin wie Caputova bei einem Sieg Pellegrinis fehlen würde. Denn er ist ein Verbündeter Ficos. Er betont zwar, keine großen Änderungen in der Außenpolitik anzustreben, aber er kritisierte auch nicht die prorussische Politik der Regierung – seine Hlas-Partei ist selbst Teil der Regierungskoalition. Fico lehnt etwa Waffenlieferungen an die Ukraine ab und ruft Kiew zum Friedensschluss mit Moskau auf.

Pellegrini zählt zu den beliebtesten Politikern des Landes. Er war bereits nach 2018 vorübergehend Premierminister, nachdem sich Fico wegen des Mordes an dem Investigativjournalisten Jan Kuciak zurückziehen musste. Pellegrini, früher Smer-Mitglied, spaltete sich mit seiner sozialdemokratischen Hlas-Partei von Ficos Smer ab, kehrte nun aber doch wieder in dessen Regierung zurück.

Einige Beobachter hatten erwartet, dass Pellegrini mäßigend auf Fico einwirken könnte. Das hat sich nicht realisiert. Vielmehr habe er das Interesse, Präsident zu werden, über alles andere gestellt, erklärte Milan Nic vom Deutschen Institut für Auswärtige Beziehungen gegenüber dem „Guardian“. „Deshalb ist er nicht in interne Kämpfe eingetreten.“

„Zügel der Macht den problematischsten Führern“

„Das Land läuft Gefahr, den Kreis zu schließen, indem es die Zügel der Macht seinen problematischsten, aber vertrauten Führern anvertraut“, analysierte das Nachrichtenportal Balkan Insight. Es bestehe die Gefahr, dass mit Pellegrini im Präsidentenamt Fico alle Instrumente in der Hand hätte, um die Slowakei nach seinen autoritären Vorstellungen zu formen.

Der Politologe Meseznikov sieht im Interview mit der Nachrichtenplattform Balkan Insight in dem Wettkampf zwischen Pellegrini und Korcok einen Richtungsstreit zwischen „dem systematischen Abbau demokratischer Regeln hin zu Illiberalismus und Autoritarismus“ auf der einen und „Liberalismus und Rechtsstaatlichkeit“ auf der anderen Seite.

Wähler von Drittgereihtem entscheidend?

Korcok kann auf die Unterstützung der Opposition zählen. Entscheidend könnten allerdings in der Stichwahl die Stimmen des derzeit in den Umfragen drittgereihten Kandidaten sein. Der ehemalige Richter des Obersten Gerichtshofs, Harabin, verortet sich mittlerweile im EU-kritischen und rechtsextremen Spektrum.

Meseznikov sieht Harabins Wähler und Wählerinnen mit einer starken prorussischen und antiwestlichen, aber zugleich auch stark homophoben Haltung. Die ersten beiden Argumente würden Pellegrini in die Hände spielen, letzteres dem langjährigen Diplomaten Korcok, es gab nämlich immer wieder Spekulationen über die sexuelle Orientierung Pellegrinis. Die antiwestliche Haltung werde aber Vorrang haben, so der Politologe.