Das Schiff und die eingestürzte Francis-Scott-Key-Brücke in Baltimore aus der Luft gesehen
AP/WJLA
US-Brückeneinsturz

Suche nach Vermissten im eiskalten Wasser

In Baltimore im US-Bundesstaat Maryland ist in der Nacht eine 2.770 Meter lange vierspurige Autobahnbrücke eingestürzt. Ein 300 Meter langer Frachter war auf einen Pfeiler der Francis-Scott-Key-Brücke aufgefahren. Die Brücke stürzte ein, mehrere Fahrzeuge und Personen stürzten ins Wasser. Die Suche nach Vermissten läuft. Ermittlungsbehörden gehen von einem Unfall aus.

Zwei Menschen wurden lebend aus dem eiskalten Wasser gezogen. Einer der beiden Geretteten sei schwer verletzt, er sei in ein Traumazentrum gebracht worden, teilte der Feuerwehrchef von Baltimore, James Wallace, bei einer Pressekonferenz der Einsatzkräfte mit. Die andere gerettete Person habe das Unglück offenbar unversehrt überstanden. Rettungsarbeiten seien im Gange, Tauchteams im Einsatz. Das Einsatzgebiet sei sehr groß, der Einsatz werde „einige Zeit benötigen“.

Einsturz einer Brücke in Baltimore nach einer Kollision mit einem Containerschiff
IMAGO/NTB/Port of Baltimore
Der Moment des Einsturzes, gefilmt von einer Überwachungskamera. Umrisse des Frachters nach der Kollision sind zu erkennen.

Sieben Personen werden aktuell vermisst. Sorgen bereiteten während der Such- und Rettungsarbeiten die Temperaturen. Das Wasser am Unfallort habe eine Temperatur von etwa neun Grad Celsius, berichtete CNN. Solche Temperaturen könne der menschliche Körper eine bis drei Stunden aushalten, dann könnten sie tödlich sein. Die Außentemperatur an der Unglücksstelle beträgt derzeit etwa ein Grad Celsius.

Arbeiter für Reparaturen auf Brücke

Der Verkehrsminister von Maryland, Paul Wiedefeld, sagte, dass zum Zeitpunkt des Einsturzes Arbeiter auf der Brücke tätig waren, die „Reparaturen an der Betondecke vornahmen“. Auf Videos einer Überwachungskamera, die in sozialen Netzwerken verbreitet wurden, ist zu sehen, wie das Schiff um etwa 1.30 Uhr Ortszeit (6.30 Uhr MEZ) einen der Stützpfeiler rammt und daraufhin große Teile der Brücke ins Wasser des Patapsco River stürzen.

Zuerst stürzte der gerammte Brückenpfeiler ein, dann verzog sich in einer Wellenbewegung die gesamte Stahlkonstruktion und stürzte abschnittsweise in den Fluss. Neben einigen Autos habe sich ein Fahrzeug in der Größe eines Sattelschleppers auf der Brücke befunden, so die Feuerwehr.

Notstand ausgerufen

Der Gouverneur von Maryland, Wes Moore, rief angesichts der Lage den Notstand aus. Sein Büro stehe in engem Austausch mit US-Verkehrsminister Pete Buttigieg, dem Bürgermeister von Baltimore, dem Vorstand des gleichnamigen Bezirks sowie den Rettungskräften, hieß es.

„Die vorläufige Untersuchung deutet auf einen Unfall hin. Wir haben keine belastbaren Beweise für einen Terroranschlag gefunden“, sagte Moore. Ein Vertreter der Bundespolizei FBI äußerte sich ähnlich. Es gebe keine konkreten oder glaubwürdigen Informationen, die darauf hindeuteten, dass der Vorfall mit Terrorismus in Verbindung steht.

Behörde für Transportsicherheit beginnt Untersuchungen

Auch die US-Verkehrssicherheitsbehörde (National Transportation Safety Board, NTSB) leitete Untersuchungen ein und entsandte ein Ermittlerteam an den Unglücksort. Zudem wurde US-Präsident Joe Biden über den Einsturz der Brücke und den Rettungseinsatz informiert.

ORF-Korrespondent Kohl zur eingestürzten Brücke

ORF-Korrespondent Christophe Kohl berichtet über den Einsturz der Francis-Scott-Key-Brücke durch ein Frachtschiff in der Stadt Baltimore im US-Bundesstaat Maryland.

Maersk „entsetzt“

Erste Details gibt es zu dem Schiff, das die Brücke zum Einsturz gebracht haben soll. Bei dem Schiff habe es sich um das Containerschiff „Dali“ gehandelt, es war von der dänischen Reederei Maersk gechartert worden und unter der Flagge von Singapur gefahren. Das Schiff ist 300 Meter lang und war auf dem Weg nach Colombo in Sri Lanka und war vom Hafen in Baltimore erst 30 Minuten vor dem Unfall zu der geplanten 27-tägigen Fahrt aufgebrochen. „Wir sind entsetzt über das, was in Baltimore passiert ist“, teilte Maersk mit.

Die eingestürzte Francis-Scott-Key-Brücke in Baltimore
Reuters/Nathan Howard
Die Brücke war Teil der Autobahn Interstate 695 südöstlich des Zentrums von Baltimore

Bericht: Crew verlor Kontrolle über Schiff

Alle Besatzungsmitglieder, einschließlich der beiden Kapitäne, seien wohlauf, und es gebe keine Verletzten auf dem Schiff, heißt es in der Erklärung der Reederei. Die Ursache des Zusammenstoßes müsse noch ermittelt werden, die Eigentümer des Schiffs arbeiteten mit den Behörden zusammen, heißt es in der Erklärung.

Laut Gouverneur Moore gab es auf dem Schiff nach Angaben der Besatzung ein Problem mit dem Strom. Auf Videoaufnahmen ist zu sehen, wie auf dem Frachter etwa zwei Minuten vor dem Zusammenstoß mit dem Brückenpfeiler die Lichter ausgingen.

Die Francis-Scott-Key-Brücke in Baltimore nach dem Einsturz
Reuters/Handout/Harford County MD Fire & EMS
Die Francis-Scott-Key-Brücke hielt dem Aufprall des Schiffs nicht stand

ABC News zitierte aus einem Bericht der Bundesbehörde Cybersecurity and Infrastructure Security Agency (CISA), wonach das Schiff beim Auslaufen aus dem Hafen den „Antrieb verloren“ habe. Die Besatzung habe die Behörden in Maryland vor einer möglichen Kollision mit der Brücke gewarnt, weil sie die „Kontrolle über das Schiff verloren“ habe.

Wichtiger Knoten für Autotransporte

Baltimore ist der verkehrsreichste US-Hafen für Autotransporte. 2023 wurden dort nach Angaben der Regierung von Maryland knapp 850.000 Autos und leichte Lkw umgeschlagen. Zu den Autofirmen, die über Baltimore In- und Exporte regeln, gehören Toyota, General Motors und Volkswagen. Mehr als 40 Schiffe mussten nach dem Einsturz im Hafen bleiben. Mindestens 30 Schiffe waren noch auf dem Weg nach Baltimore.

Die Francis-Scott-Key-Brücke führte als Teil der Autobahn Interstate 695 südöstlich des Stadtzentrums von Baltimore über den Patapsco. Sie wurde 1977 in der Industrie- und Hafenstadt an der US-Ostküste eröffnet und im Vorjahr für mehr als zwölf Mio. Überfahrten genutzt.