Containerschiff und eingestürzte Francis Scott Key Bridge in Baltimore (US-Bundesstaat Maryland)
APA/AFP/Getty Images/Tasos Katopodis
Brückeneinsturz in USA

Suche nach sechs Vermissten eingestellt

Nach dem Einsturz der Francis-Scott-Key-Brücke, einer fast 2,8 Kilometer langen Autobahnbrücke in der Stadt Baltimore im US-Bundesstaat Maryland, haben die Rettungskräfte am Dienstag (Ortszeit) die Suche nach sechs vermissten Menschen eingestellt – es werde nur noch versucht, die Leichen zu finden. Die Temperaturen und Strömungen im Patapsco-Fluss macht es Tauchern schwer, ihre Arbeit fortzusetzen.

Aufgrund der Länge der Zeit, die mit der Suche verbracht worden sei, und der Wassertemperatur „glauben wir zum jetzigen Zeitpunkt nicht, dass wir eine dieser Personen noch lebend finden werden“, so Shannon Gilreath von der Küstenwache am Dienstagabend (Ortszeit, Mittwochfrüh MEZ). Bei den Vermissten handelt es sich um Bauarbeiter, die zum Zeitpunkt des Unglücks Schlaglöcher in der Fahrbahn ausbesserten.

Arbeiter aus Lateinamerika

Unter den Vermissten sind offiziellen Angaben zufolge Menschen aus lateinamerikanischen Ländern. Zwei Männer aus Guatemala im Alter von 26 und 35 Jahren würden vermisst, teilte das Außenministerium des Landes mit. Die Einwandererorganisation CASA meldete eines ihrer Mitglieder abgängig. Es handle sich um einen dreifachen Familienvater aus El Salvador, der seit mehr als 19 Jahren in Maryland gelebt habe.

Der Sender CNN berichtete unter Berufung auf den mexikanischen Konsul in Washington, Rafael Laveaga, dass auch mexikanische Staatsbürger vermisst würden. Wie viele, sei nicht bekannt. „Wir wissen, dass unsere Leute betroffen sind“, sagte Laveaga zu Journalisten. „Sie sind auch diejenigen, die die Brücke wieder aufbauen werden – die Latinos.“

Zwei Personen aus Wasser gezogen

Zwei Personen wurden aus dem kalten Wasser geborgen, eine davon befindet sich in kritischem Zustand. Der folgenschwere Unfall ereignete sich in der Nacht auf Dienstag gegen 1.30 Uhr Ortszeit (6.30 Uhr MEZ). Ein Frachter hatte einen Pfeiler der Brücke gerammt, was den Einsturz weiter Teile der Brücke zur Folge hatte. Zuerst stürzte der Brückenpfeiler ein, dann verzog sich in einer Wellenbewegung die gesamte Stahlkonstruktion und stürzte abschnittsweise in den Fluss.

Containerschiff und eingestürzte Francis Scott Key Bridge
Reuters/Nathan Howard
Das Schiff brachte fast die gesamte Brücke zum Einsturz

Besatzung meldete Probleme

Die Besatzung des Frachters hatte vor dem Aufprall ein Notrufsignal abgesetzt, lokale Behörden hielten daraufhin den Pkw-Verkehr an. Aus von ABC News zitierten Behördendokumenten ging hervor, dass der Antrieb des Schiffes ausgesetzt hatte. Die Besatzung habe die Behörden in dem Notsignal darüber informiert, dass das Schiff manövrierunfähig sei.

Tote nach Brückeneinsturz

In den USA gehen die Behörden nach dem Einsturz der Francis-Scott-Key-Brücke vom Tod sechs vermisster Personen aus.

„Sie haben letzte Nacht Leben gerettet“, sagte Wes Moore, der Gouverneur von Maryland, am Dienstag. Er bezeichnete die Besatzung als „Helden“. Das etwa 300 Meter lange Schiff habe sich mit „sehr, sehr hoher Geschwindigkeit“ dem Brückenpfeiler genähert. Auf dem Schiff gab es nach Angaben der Besatzung ein Problem mit dem Strom, so Moore. Auf Videos ist zu sehen, wie auf dem Frachter etwa zwei Minuten vor dem Zusammenstoß mit dem Brückenpfeiler die Lichter ausgingen.

Ein anderer Hintergrund als jener eines Unfalls wurde rasch ausgeschlossen: „Die vorläufige Untersuchung deutet auf einen Unfall hin. Wir haben keine belastbaren Beweise für einen Terroranschlag gefunden“, sagte Moore. Ein Vertreter der Bundespolizei FBI äußerte sich ähnlich. Es gebe keine konkreten oder glaubwürdigen Informationen, die darauf hindeuteten, dass der Vorfall mit Terrorismus in Verbindung steht.

Reederei „entsetzt“

Bei dem Schiff handelt es sich um das Containerschiff „Dali“, das von der Chartergesellschaft Grace Ocean Private betrieben wird und von der dänischen Reederei Maersk gechartert wurde. Die „Dali“ fährt unter der Flagge Singapurs. Der Frachter war auf dem Weg nach Colombo in Sri Lanka vom Hafen in Baltimore erst 30 Minuten vor dem Unfall zu der geplanten 27-tägigen Fahrt aufgebrochen. „Wir sind entsetzt über das, was in Baltimore passiert ist“, teilte Maersk mit.

Baltimore: Ausmaß des Brückeneinsturzes

Videoaufnahmen aus einem Helikopter zeigen das Ausmaß des Brückeneinsturzes in der US-Stadt Baltimore. Die Suche nach Vermissten läuft unterdessen weiter. Die Wassertemperatur liegt nur bei rund neun Grad Celsius. Mindestens sieben Fahrzeuge sind laut den Behörden in den Fluss gestürzt.

Keine Verletzten auf Frachter

Alle Besatzungsmitglieder, einschließlich der beiden Kapitäne, seien wohlauf, und es gebe keine Verletzten auf dem Schiff, hieß es in der Erklärung der Reederei. Der Schiffsbetreiber teilte mit, dass bei dem Zusammenstoß keinerlei Schadstoffe in den Fluss gelangt seien. Die „Dali“ war bereits 2016 in einen Unfall im Hafen von Antwerpen in Belgien verwickelt.

US-Präsident Joe Biden sprach von einem „schrecklichen Unfall“ und sicherte zu, den wichtigen Hafen an der US-Ostküste so bald wie möglich wieder in Betrieb zu bekommen. Die Brücke werde so schnell wie möglich wiederhergestellt, das werde aber etwas Zeit brauchen, sagte Biden.

Die eingestürzte Francis-Scott-Key-Brücke in Baltimore
Reuters/Nathan Howard
Die Brücke war Teil der Autobahn Interstate 695 südöstlich des Zentrums von Baltimore

Warnung vor Lieferkettenproblemen

Der Unfall hat nach Angaben von US-Verkehrsminister Pete Buttigieg auch wirtschaftliche Folgen. Man stelle sich wegen der Bedeutung des dahinter liegenden Hafens schon jetzt auf Lieferkettenprobleme ein, „von denen wir wissen, dass sie kommen werden“, sagte Buttigieg. Diese beträfen dann nicht nur die Region um Baltimore, „sondern die gesamte US-Wirtschaft“. Die zuständige Hafenbehörde hatte den Schiffsverkehr nach dem Vorfall bis auf Weiteres ausgesetzt.

Umschlagplatz für Autotransporte

Baltimore ist der verkehrsreichste US-Hafen für Autotransporte. 2023 wurden dort nach Angaben der Regierung von Maryland knapp 850.000 Autos und leichte Lkws umgeschlagen. Zu den Autofirmen, die über Baltimore In- und Exporte regeln, gehören Toyota, General Motors und Volkswagen. Mehr als 40 Schiffe mussten nach dem Einsturz im Hafen bleiben.

Die Francis-Scott-Key-Brücke führte als Teil der Autobahn Interstate 695 südöstlich des Stadtzentrums von Baltimore über den Patapsco. Sie wurde 1977 in der Industrie- und Hafenstadt an der US-Ostküste eröffnet und im Vorjahr für mehr als zwölf Mio. Überfahrten genutzt.