So wird einem Bericht des „Wall Street Journal“ („WSJ“) zufolge geprüft, ob in diesem Zusammenhang verunreinigter Treibstoff eine Rolle spielte. Bereits am Vortag war berichtet worden, dass auf dem Frachter bald nach dem Auslaufen aus dem Hafen die Lichter zu flackern begannen, ein Vorbote eines späteren Stromausfalls. Die Crew meldete die Probleme in der Folge per Notruf.
„Das Schiff war lahmgelegt, ohne Steuerkraft und ohne Elektronik“, gab ein Mitglied der Crew nach dem Unfall an. Zunächst sei einer der Motoren ausgefallen, im Maschinenraum habe es nach verbranntem Treibstoff gerochen, zudem sei es stockdunkel gewesen. Man habe keine Zeit mehr gehabt, das Unglück abzuwenden, so das Crewmitglied. Die Polizei hatte lediglich eineinhalb Minuten, um den Verkehr auf die Brücke zu stoppen, was womöglich Leben rettete.
Experte schildert mögliche Kettenreaktion
Laut dem griechischen Fachmann Fotis Pagoulatos, der vom „Wall Street Journal“ zitiert wurde, kann verunreinigter Treibstoff zu Problemen der großen Generatoren führen. Ein kompletter Stromausfall könne bewirken, dass ein Schiff seinen Antrieb verliert, so Pagoulatos. Kleinere Generatoren könnten zwar anspringen, aber sie könnten nicht alle Funktionen der Hauptgeneratoren übernehmen und brauchten eine gewisse Zeit, um hochzufahren.
Im Zuge der Untersuchung würden auch die Sicherheitszertifikate des Schiffs überprüft, so Jennifer Homendy, Vorsitzende der US-Verkehrssicherheitsbehörde (National Transportation Safety Board). Die Behörde ist mit der Aufklärung von Unglücksfällen im Transportwesen befasst. Auch werden Aufzeichnungsgeräte des Containerschiffes analysiert, ähnlich wie die Blackbox eines Flugzeugs, um den Unfallhergang umfassend untersuchen zu können.
„Überreste werden wie Tatort behandelt“
Auch an den Überresten der Brücke geht die Ermittlungsarbeit weiter, das Gebiet würde nun wie ein Tatort behandelt, sagte der Ingenieur und Statiker Matthew Roblez dem Sender CNN. Die Teile würden nach und nach aus dem Wasser geholt, um zu untersuchen, warum und wie es zu dem Einsturz kam. Der Frachter habe die Brücke „genau an der (für einen Einsturz, Anm.) richtigen“ Stelle getroffen, sagte Roblez dem Sender.
Die Brücke sei in den 1970er Jahren erbaut worden, lange bevor es Richtlinien für Zusammenstöße gegeben habe. „Das lässt mich darüber nachdenken, wie viele andere Brücken da draußen anfällig sind“, sagte Roblez. Nach Angaben von CNN verfügen viele Brücken über Sender zum Schutz der Stützen. An der Francis-Scott-Key-Brücke habe es solche jedoch nicht gegeben.
Allein die Bergung der Teile werde Monate dauern, sagte Roblez, der Wiederaufbau etwa zwei Jahre. Die Kosten dafür lägen bei etwa 500 Millionen Dollar (gut 460 Mio. Euro). US-Präsident Joe Biden hatte angekündigt, den Wiederaufbau mit Geld des Bundes zu finanzieren. Beim Hafen von Baltimore handle es sich um eine der wichtigsten Anlaufstellen der USA – insbesondere für den Import und Export von Autos und Kleinlastern.
Arbeiter aus Lateinamerika
Unter den sechs Vermissten sind Menschen aus lateinamerikanischen Ländern. Zwei Männer aus Guatemala im Alter von 26 und 35 Jahren würden vermisst, teilte das Außenministerium des Landes mit. Die Einwandererorganisation CASA meldete eines ihrer Mitglieder abgängig. Es handle sich um einen dreifachen Familienvater aus El Salvador, der seit mehr als 19 Jahren in Maryland gelebt habe.
Der Sender CNN berichtete unter Berufung auf den mexikanischen Konsul in Washington, Rafael Laveaga, dass auch mexikanische Staatsbürger vermisst würden. Wie viele, sei nicht bekannt. „Wir wissen, dass unsere Leute betroffen sind“, sagte Laveaga. „Sie sind auch diejenigen, die die Brücke wieder aufbauen werden – die Latinos.“
Suche nach Leichen
Der Unfall hatte sich in der Nacht auf Dienstag um etwa 1.30 Uhr Ortszeit (6.30 Uhr MEZ) ereignet, als das Containerschiff einen Stützpfeiler der Brücke rammte. Als diese einstürzte, fielen Menschen und Autos ins eiskalte Wasser. Taucher begannen ihren gefährlichen Rettungseinsatz, zwei Personen konnten aus dem Fluss gezogen werden. Zwar wurde der Taucheinsatz am Mittwoch fortgesetzt, allerdings nur noch zur Bergung der Leichen. Die Behörden gingen nicht mehr von Überlebenden aus.