Frau liest mit Kaffeebecher in der Hand in Unterlagen
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Frankreich

Vorstoß gegen Diskriminierung wegen Frisur

Begonnen hat die Debatte mit einer Klage eines Angestellten der Fluggesellschaft Air France und einem jahrelangen Gerichtsverfahren. Nun könnte Frankreich das erste Land werden, das Diskriminierung im Beruf wegen einer bestimmten Frisur ausdrücklich verbietet. Am Donnerstag steht das Thema in Paris in der Nationalversammlung zur Debatte, ein Gesetz dazu hat offenbar gute Chancen auf Umsetzung.

In dem Entwurf dazu geht es konkret um Benachteiligung in einem Bewerbungsverfahren oder am Arbeitsplatz „wegen der Frisur, der Farbe, der Länge oder der Textur der Haare“. Diskriminierung in solchen Fällen soll in Hinkunft mit Geld- oder sogar Haftstrafen geahndet werden können.

Die Idee zu dem Gesetz stützt sich auf Studien aus Großbritannien und vor allem den USA – in Frankreich sind diese nach ethnischen Kriterien nicht erlaubt. „Zwei Drittel afroamerikanischer Frauen änderten ihre Frisur, wenn sie ein Vorstellungsgespräch haben“, zitieren die Initiatoren das Ergebnis einer in den USA durchgeführten Umfrage.

Unterstützung aus mehreren Parteien

Weitere britische und US-Studien belegten, dass Frauen, die ihre Haare mit chemischen Mitteln glätten, ein erhöhtes Risiko haben, ernste gesundheitliche Probleme zu bekommen. „Es ist auch ein Thema der öffentlichen Gesundheit“, zitierte am Mittwoch die französische Tageszeitung „Liberation“ den Abgeordneten Olivier Serva von der 2018 gegründeten Kleinpartei Groupe Libertes, independants, outre-mer et territoires (LIOT). Er hatte den Gesetzesvorschlag eingebracht.

Frau sitzt mit Laptop auf Stiegen
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Das Gesetz soll laut Initiatoren Lücken im Arbeitsrecht schließen

Der Text orientiere sich an einem Gesetz, das in den USA in knapp der Hälfte (23) der Bundesstaaten verabschiedet worden sei. In Frankreich unterzeichneten etwa 60 Abgeordnete mehrerer Parteien den Vorstoß. Die Initiatoren hoffen in der Abstimmung auf eine breite Unterstützung in der Nationalversammlung, die französischen Assemblee nationale hat 577 Sitze.

Auch Kritik an „Opferlogik“

Es gibt aber auch Kritik an dem Vorstoß, nachdem Diskriminierung am Arbeitsplatz ohnehin durch das französische Arbeitsrecht gesetzlich verboten ist, auch wenn es um das Thema äußere Erscheinung geht. „Es gibt da keine Gesetzeslücke“, sagte der Arbeitsrechtsexperte Eric Rocheblave. Der Abgeordnete Fabien di Filippo von den rechtskonservativen Republikanern (LR) warnte davor, „ein angelsächsisches Gesetz samt dessen Opferlogik“ nach Frankreich zu importieren.

Die Verfechter des Gesetzes erklären dagegen, es gehe nicht um eine Ausweitung, sondern um eine Präzisierung der bereits im Gesetz erwähnten Diskriminierungsfälle. „Es ist nützlich, manche Phänomene zu benennen, auch wenn sie nicht neu sind“, sagte Serva, der aus dem französischen Überseedepartement Guadeloupe stammt.

Aussehen als „unprofessionell“ und „wild“ abqualifiziert

Das geplante Gesetz ermögliche es, dass Betroffene als Opfer anerkannt werden und erhöhe ihre Chancen in Gerichtsverfahren, zitierte ihn am Mittwoch die Nachrichtenagentur Reuters. Es müsse in der Gesetzgebung klar benannt werden, dass Diskriminierung wegen einer bestimmten Frisur illegal sei. Serva nannte auch Beispiele, etwa Personen mit Dreadlocks, die am Arbeitsplatz mit dummen Kommentaren („Schau, da kommt Bob Marley“) konfrontiert würden.

Der Sender France 24 ließ am Mittwoch eine junge Frau zu Wort kommen, deren Arbeitgeber in einem Hotel in Südfrankreich ihre Frisur und folglich ihr Aussehen als „unprofessionell“ und „wild“ abqualifiziert und ihr indirekt mit Kündigung gedroht habe, sollte sie ihr Styling nicht ändern. Es gehe nicht nur um Afrolook und Dreadlocks, sondern allgemein um Farbe, Länge der Haare, Styling.

Prominenter „Fall“ Michelle Obama

Michelle Obama, ehemalige First Lady der USA, hatte im November in einem Interview eingeräumt, dass sie sich verpflichtet gefühlt habe, während der Amtszeit ihres Ehemannes Barack Obama als Präsident der Vereinigten Staaten (2009 bis 2017) ihre Haare zu glätten.

Michelle Obama, November 2023
Reuters/Nic Bothma
Michelle Obama fühlte sich verpflichtet, als First Lady der USA ihr Styling zu ändern

In Frankreich hatte der Fall eines Flugbegleiters der Air France Aufsehen erregt, der nach einem zehn Jahre dauernden Verfahren durchgesetzt hatte, Afrozöpfe zu tragen. Das Berufungsgericht hatte entschieden, dass das Verbot der Fluggesellschaft einer Diskriminierung wegen des Geschlechts gleichkomme, da Flugbegleiterinnen solche Zöpfe erlaubt sind.