Leere Wohnung
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Begutachtung vor Ende

Neue Berechnung zu Wohnungsleerstand

Die Bundesregierung will den Ländern bei der Einhebung einer Abgabe auf leerstehende Wohnungen deutlich freiere Hand geben. Am Mittwoch endet die Begutachtung für die dafür nötige Änderung im Verfassungsgesetz. Passend zum Begutachtungsende präsentierte Greenpeace am Dienstag eine neue Berechnung zu leerstehenden Wohnungen – inklusive eines eigenen Appells.

Es sind nur ein paar Wörter, die im österreichischen Verfassungsgesetz ergänzt werden sollen – doch ihre Wirkung könnte weitreichend ausfallen. Gesetze zum Volkswohnungswesen seien Sache des Bundes, „nicht jedoch die Erhebung öffentlicher Abgaben zum Zweck der Vermeidung der Nicht- oder Mindernutzung“, hält der neue Halbsatz fest. Er soll damit in Gesetzesform gießen, was die Länder schon seit Jahren fordern: dass sie selbstständig eine Abgabe auf leerstehende Wohnungen und Häuser erheben können.

Zwar führten mit Salzburg, Tirol und der Steiermark drei Bundesländer vor zwei Jahren eine Leerstandsabgabe ein. Sie sind allerdings engen Grenzen unterworfen – auch was ihre Höhe betrifft. Das enge Korsett geht nicht zuletzt auf ein Urteil des Verfassungsgerichts vor fast 40 Jahren zurück. 1985 hatte das Höchstgericht eine entsprechende Abgabe in Wien als verfassungswidrig aufgehoben.

Die Änderung des Verfassungsgesetzes ist freilich nur der erste Schritt Richtung Leerstandsabgabe. Eine Frage, die sich bei der Thematik immer wieder stellt, ist, wie viele Wohnungen von einer solchen Leerstandsabgabe überhaupt betroffen sein könnten. Nicht zuletzt der Haus- und Grundbesitzerbund – einer der größten Kritiker einer solchen Maßnahme – hielt immer wieder fest, dass es keine verlässlichen Zahlen zu den faktisch leerstehenden Wohnungen gebe.

Schwierige Datenlage

Tatsächlich existiert für Österreich keine statistische Aufstellung, wie viele Wohnungen leer stehen, geschweige denn eine Aufschlüsselung der Gründe hinter dem Leerstand. Die Statistik Austria rechnet regelmäßig die Zahl aller Wohnheiten in Österreich mit dem Melderegister gegen und kam so zuletzt auf rund 650.000 Wohnimmobilien, an denen niemand gemeldet ist.

Allerdings räumt die Statistikbehörde selbst ein, dass diese Zahl nicht mit klassischem Leerstand gleichzusetzen sei. So umfasst die Zahl etwa auch zur Vermietung angebotene Ferienwohnungen, Wohnungen, die gerade zwischen zwei Vermietungen kurz leer stehen, oder Kleingartenhäuser.

Greenpeace kommt auf 230.000 leerstehende Wohnungen

In einer am Dienstag präsentierten Untersuchung versuchte sich nun Greenpeace an der Thematik. Die Umweltschutzorganisation rechnete aus dem verfügbaren Datenmaterial jene Zahl an Wohnungen heraus, für die theoretisch eine Leerstandsabgabe erhoben werden könnte.

Ausgangspunkt für die NGO-Berechnung waren ebenfalls die Zahlen zu gemeldeten Wohnsitzen der Statistik Austria. Greenpeace verschnitt die Daten aber mit weiteren Erhebungen aus Österreich, etwa einer Studie aus Vorarlberg aus dem Jahr 2018 sowie einer zwei Jahre alten Arbeiterkammerstudie zum Leerstand im Neubau.

Die Umweltschutzorganisation legte für ihre Hochrechnungen eher konservative Kriterien an, kam am Ende aber immer noch auf eine deutlich sechsstellige Zahl: Rund 230.000 Wohnungen mit 17,4 Millionen Quadratmeter Wohnfläche stünden in Österreich leer, so Greenpeace. Laut der Umweltschutzorganisation könnten die leerstehenden Immobilien Wohnraum für bis zu 340.000 Menschen bieten.

Am wenigsten Leerstand in Wien

In ihrer Berechnung brach die NGO den Leerstand auch auf Ebene der Bundesländer herunter. Mit 5,7 Prozent an allen Wohnimmobilien im Land hat dabei Kärnten relativ gesehen die meisten leerstehenden Wohneinheiten, gefolgt von Tirol (5,6 Prozent) und Niederösterreich (fünf Prozent).

Neubauten am Wiener Nordwestbahnhofgelände
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In Wien wird viel gebaut – die Leerstandsquote ist aber die niedrigste in Österreich

Verhältnismäßig am wenigsten Wohnimmobilien stehen laut den NGO-Zahlen in Wien leer. Die Leerstandsquote beträgt dort nur 3,4 Prozent. Den zweitniedrigsten Wert hat Vorarlberg mit 3,9 Prozent. Damit steht Wien gar nicht weit über dem Wert, der für eine Leerstandsquote als wünschenswert gilt, um eine Überhitzung des Marktes zu verhindern.

Blick über Innsbruck
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Wohnen in Innsbruck ist teuer. Seit zwei Jahren gibt es in Tirol eine eingeschränkte Leerstandsabgabe.

Laut der Erhebung von Greenpeace sind zudem 11,5 Prozent aller Wohnungen in Österreich als Nebenwohnsitz gemeldet. Sie „stehen damit ebenfalls temporär leer“, folgert die NGO. Die höchsten Nebenwohnsitzquoten befinden sich im Burgenland, in Niederösterreich und Salzburg.

Abgabe als ökologisches Instrument

Dass Greenpeace die Zahlen zum Ende der Begutachtungsfrist der Gesetzesnovelle präsentiert, kommt nicht von ungefähr. In ihrem Bericht spricht sich die Umweltschutzorganisation klar für eine Leerstands- und Nebenwohnsitzabgabe aus. Greenpeace verweist unter anderem auf Frankreich, das bereits 1999 Abgaben auf leerstehenden Wohnraum umsetzte. Laut Greenpeace gingen dort in den ersten 15 Jahren nach der Einführung die Leerstände um 13 Prozent zurück.

Greenpeace sieht überdies einen ökologischen Mehrwert – habe der Leerstand doch „auch eine Auswirkung auf den Bodenverbrauch“. „Würden die leerstehenden Wohnungen in Österreich genutzt werden, könnten bis zu 4.170 Hektar Bodenverbrauch für Neubau eingespart werden – das entspricht etwa der gesamten Flächeninanspruchnahme Österreichs in einem Jahr“, schreibt die Umweltschutzorganisation.

ÖGB wünscht sich „Baulandabgabe“

Dass die Leerstandsabgabe zugleich den Wohnungsneubau einschränken soll, ist allerdings nicht für alle ihre Befürworter ein erklärtes Ziel. Im Zuge der Begutachtung der Gesetzesänderung, die am Mittwoch endet, reichte etwa der Österreichische Gewerkschaftsbund (ÖGB) eine – grundsätzlich positive – Stellungnahme ein.

Die Interessenvertretung spricht sich darin allerdings zugleich für eine Ausweitung der Abgabe aus. „Es ist aus Sicht des ÖGB nicht nachvollziehbar, dass ungenutztes Bauland trotz seiner erheblichen Wertzuwächse mit keinerlei Abgaben beziehungsweise nicht vergleichbar hohen Lenkungsabgaben versehen werden kann“, so die gewerkschaftliche Dachorganisation. Eine Abgabe auf ungenutztes Bauland ist nun eher keine Bremse für den Bodenverbrauch.

Länder wollen noch mehr Kompetenzen

Die Ausführungen des ÖGB sind mit Stand Montagabend eine von elf Stellungnahmen, die im Parlament einlangten. In Begutachtung geschickt hatte die geplante Gesetzesänderung der Verfassungsausschuss des Parlaments – auch auf Bestreben der SPÖ. Da es sich bei den Änderungen um Eingriffe ins Verfassungsgesetz handelt, sind die beiden Regierungsparteien ÖVP und Grüne zumindest auf die Stimmen von SPÖ oder FPÖ angewiesen.

Weißensee
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Bei einem Teil der Wohnungen, für die niemand gemeldet ist, handelt es sich um zu buchende Ferienapartments

Da die FPÖ genauso wie NEOS bereits erklärte, nicht zur Verfügung zu stehen, wird ein Erfolg für den Änderungsvorschlag wohl an der SPÖ hängen. Die Partei hatte sich seit Bekanntwerden der Regierungspläne grundsätzlich gesprächsbereit gezeigt. Gegenüber ORF.at hieß es am Freitag, man habe „aber auf eine ernsthafte Begutachtung gedrängt, damit Länder und Expertinnen und Experten das Gesetz bewerten können“. Nach Ende der Begutachtungsfrist werde man die Stellungnahmen dann insgesamt bewerten.

Bis zum Osterwochenende blieb der Rücklauf an Stellungnahmen überschaubar. Die Länder äußerten sich zwar grundsätzlich positiv, allerdings geht ihnen der Vorschlag nicht weit genug. Sie wünschen sich noch mehr Kompetenzen im Bereich des Wohnwesens in Länderhand. Keine Stellungnahme brachte bisher übrigens der Österreichische Haus- und Grundbesitzerbund ein. Bis Mittwoch hat die Dachorganisation wie auch grundsätzlich jede Bürgerin und jeder Bürger in Österreich noch Zeit, um die eigene Einschätzung dem Parlament mitzuteilen.