Raab will „Leitkultur“ erarbeiten

Integrationsministerin Susanne Raab (ÖVP) beginnt mit der Ausgestaltung einer österreichischen „Leitkultur“. In einer Expertenrunde gestern sei Thema gewesen, wie der Grundkonsens des Zusammenlebens gestärkt werden könne, sagte sie mit Verweis auf Migrantinnen und Migranten aus anderen Kulturen. Die Definition einer „Leitkultur“ setzte sich die ÖVP in ihrem „Österreich-Plan“ zum Ziel.

Dass man sich im Zuwanderungsprozess mit „Werten“ auseinandersetze, sei mittlerweile akzeptiert und gewünscht, Raab sprach die „Wertekurse“ an. Die laut Raab hierzulande selbstverständlichen Werte wie der Rechtsstaat, die Demokratie, die Gleichberechtigung von Frauen und Männern sowie die Pressefreiheit seien etwa für jene, die nach Österreich flüchten, nicht immer selbstverständlich.

Schließlich kämen sie, so Raab, aus Kulturen, in denen Frauen weniger wert seien und in denen in Österreich verbotene Praktiken wie Genitalverstümmelung und Zwangsheirat vorherrschten.

Die österreichische Identität sei aber mehr als die Gesetze des Landes, sagte Raab – „es geht eben auch um einen klaren Grundkonsens im Zusammenleben“. Dieser soll verhindern, dass es statt eines „Miteinanders“ ein „Nebeneinander“ gibt. Für die überwiegende Mehrheit der Menschen mit Migrationshintergrund sei es kein Widerspruch, die österreichische Identität zu leben, ohne ihre Wurzeln zu verleugnen, so die Ministerin.

Kritik von vielen Seiten

Kritik kam etwa vom grünen Koalitionspartner und der SPÖ. Die Rechtswissenschaftlerin und beratende Expertin Raabs, Katharina Pabel, sei eine Abtreibungsgegnerin, so die Frauensprecherinnen der Parteien, Meri Disoski (Grüne) und Eva-Maria Holzleitner (SPÖ).

Raab bezeichnete die Vorwürfe auf Nachfrage als „absurd“. Neben Pabel nahmen laut Bundeskanzleramt u. a. die Integrationsexpertin Emina Saric, Bevölkerungswissenschaftler Rainer Münz, Integrationsexperte Kenan Güngör und Sozialrechtsexperte Wolfgang Mazal am Gespräch teil.

„Gruselige Vorstellung“

Auch die FPÖ sparte nicht mit Kritik. Generalsekretär Michael Schnedlitz warf der „Nehammer-ÖVP“ in einer Aussendung vor, für „Regenbogen- und Genderideologie statt traditionelle Werte wie Familie, Anbiederung an den politischen Islam und dessen Vereine“ zu stehen. Die ÖVP würde „rechts blinken, aber links abbiegen“.

Dass eine „erzkonservative Partei wie die ÖVP“, die in vielen Bereichen, etwa bei der Selbstbestimmung von Frauen und der Gleichbehandlung von LGBTQ-Personen, eine „überwiegend rückwärts gewandte Weltanschauung“ habe, nun bestimmen soll, was „Leitkultur“ sei, ist für NEOS-Integrationssprecher Yannick Shetty hingegen eine „gruselige Vorstellung“. NEOS schlägt seit Längerem ein verpflichtendes Integrationsjahr für alle Asylwerbenden und Asylberechtigten vor.