Ausgebrannte Crocus City Hall
APA/AFP/Natalia Kolesnikova
„Unsinnige Propaganda“

US-Kritik an Thesen des Kreml zu Anschlag

Knapp eine Woche nach dem Terroranschlag auf die Konzerthalle Crocus City Hall nahe Moskau mit 143 Toten beschuldigt Russland weiterhin die Ukraine zumindest einer Mittäterschaft. Hintermänner der Tat hätten Geld aus dem Nachbarland erhalten, hieß es am Donnerstag aus Moskau. Die USA wiesen diese und ähnliche Vorwürfe in Richtung Kiew als „Unsinn“ bzw. „unsinnige Propaganda“ zurück.

Für Russlands Anschuldigungen gebe es keine Basis, für die Tat einzig verantwortlich gewesen sei die Terrormiliz Islamischer Staat (IS), sagte der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrates (NSC) der USA, John Kirby, am Donnerstag in Washington. Alles andere sei Unsinn. Der IS hatte den Anschlag vom 22. März auch selbst für sich reklamiert. Moskau sucht trotzdem irgendwelche Verbindungen in Richtung Ukraine.

Deshalb verwies nun das für die Verfolgung besonders schwerwiegender Straftaten zuständige russische Ermittlungskomitee auf ukrainische Drahtzieher der Tat. Via Telegram erklärte die staatliche Behörde, sie verfüge über „Informationen, die bestätigen, dass die Attentäter große Geldbeträge und Kryptowährungen aus der Ukraine erhalten hatten, die für die Vorbereitung dieses Verbrechens verwendet wurden“.

Kryptische „Beweise“ für Beteiligung Kiews

Weiter hieß es in dem Telegram-Beitrag des Komitees, es lägen nun „Beweise“ für die Verbindungen der Attentäter zu „ukrainischen Nationalisten“ vor. Das habe die „Arbeit mit den inhaftierten Terroristen, die Untersuchung der bei ihnen beschlagnahmten technischen Geräte und die Analyse von Informationen über Finanztransaktionen“ ergeben. Kirby zweifelte die Angaben aus Moskau stark an.

Brennende Crocus City Hall in Moskau
IMAGO/SNA/Vladimir Sergeev
Bei dem Anschlag auf die Crocus City Hall sind über 140 Menschen gestorben

Das russische Ermittlungskomitee gab außerdem bekannt, einen weiteren Verdächtigen im Zusammenhang mit dem Attentat festgenommen zu haben. Dieser sei an der Finanzierung des Anschlags beteiligt gewesen. Die Ermittler würden für ihn Untersuchungshaft beantragen. Zuvor waren im Zusammenhang mit dem Anschlag nach offiziellen Angaben insgesamt elf Menschen festgenommen worden, darunter die vier mutmaßlichen Attentäter. Acht von ihnen befinden sich in Untersuchungshaft.

USA wollen Russland vor Terrorgefahr gewarnt haben

Die USA hatten Russland laut eigenen Worten rund zwei Wochen vor dem Anschlag vor einer akuten Terrorgefahr gewarnt. Washington habe den russischen Geheimdiensten „klare und detaillierte Informationen über die terroristische Bedrohung bei großen Versammlungen und Konzerten in Moskau zur Verfügung gestellt“, sagte Kirby gleichfalls am Donnerstag. Das sei bereits Anfang März schriftlich über die „üblichen Verfahren und über die etablierten Kanäle“ geschehen. „Die Vereinigten Staaten haben versucht, diesen Terroranschlag zu verhindern.“ In der Konzerthalle hatten Freitagabend vier maskierte Männer in Tarnanzügen wahllos auf Menschen geschossen.

Die US-Botschaft in Moskau hatte damals außerdem öffentlich mitgeteilt, sie verfolge Berichte, wonach Extremisten unmittelbar bevorstehende Pläne hätten, große Versammlungen in Moskau anzugreifen, darunter auch Konzerte. Russlands Präsident Wladimir Putin sprach danach von einer „Spur“ in Richtung Ukraine, ohne aber schlüssige Belege dafür zu nennen. Kiew und Washington wiesen die Vorwürfe vehement zurück, diese wurden auch als möglicher Vorwand für eine weitere Eskalation der Kämpfe in der Ukraine interpretiert.

Westliche Geheimdienste sehen IS-Ableger als Drahtzieher

Später räumte auch Putin ein, hinter dem Anschlag stünden radikalislamische Terroristen, dieser passe jedoch in das Muster ukrainischer Einschüchterungsversuche. Russische Ermittler prüfen nach eigenen Angaben auch eine Verwicklung des Westens in die Tat. Der britische Außenminister David Cameron bezeichnete das als „völligen Unsinn“. Westliche Geheimdienste halten das Bekenntnis des IS zu der Tat für authentisch und vermuten den zentralasiatischen Ableger des IS in Afghanistan, IS Khorasan (IS-K), hinter dem verheerenden Anschlag.

Verdächtiger wird dem Gericht in Moskau vorgeführt
Reuters/Shamil Zhumatov
Ein Tatverdächtiger bei seiner Vorführung vor Gericht in Moskau

Am Donnerstag berichtete die staatliche russische Nachrichtenagentur TASS zudem, die vier nach dem Attentat auf die Crocus City Hall festgenommenen Hauptverdächtigen seien während der Tat unter dem Einfluss von Drogen gestanden. „Welche Drogen oder Psychopharmaka sie konsumiert haben, wird die Expertise feststellen“, hieß es.

Nach dem Terroranschlag am Freitag wurde die Zahl der Toten zuletzt mit 143, die der Verletzten mit 360 angegeben. Am Samstag hatten die Behörden von ersten Festnahmen berichtet. Am Donnerstag meldete das Ermittlungskomitee eine weitere Festnahme. Die vier mutmaßlichen Schützen, die laut Medienberichten gefoltert worden sein sollen, ließen nach Gerichtsangaben die Frist für eine Berufung gegen die Haftbefehle verstreichen.