Blick über die Kreuzung zwischen Landstraßer Hauptstraße und Rennweg mit dem Gebäude des ehemaligen BVT
ORF.at/Roland Winkler
Spionageverdacht

Ex-BVT-Mann Egisto Ott festgenommen

Der frühere Verfassungsschützer Egisto Ott ist am Freitag wegen Spionageverdachts festgenommen worden. Das bestätigte die Sprecherin der Staatsanwaltschaft Wien, Nina Bussek. Zuerst war das von „Falter“-Chefredakteur Florian Klenk via X (Twitter) mitgeteilt worden. Der „Kurier“ berichtet von mehreren Hausdurchsuchungen, der Zugriff sei dann von Cobra-Beamten Freitagfrüh in Otts Haus in Kärnten erfolgt. Laut „Standard“ soll Ott Handyinhalte von Ex-Spitzenbeamten an russische Spione übergeben haben.

Gegen Ott werde von der Wiener Anklagebehörde wegen Amtsmissbrauchs und geheimen Nachrichtendiensts zum Nachteil Österreichs ermittelt, teilte Staatsanwaltssprecherin Bussek mit. Auch für Otts Ex-Schwiegersohn klickten die Handschellen, er wurde in Wien festgenommen – er wird der Beitragstäterschaft verdächtigt. Für beide gilt die Unschuldsvermutung.

Ott war Mitarbeiter des mittlerweile aufgelösten Bundesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT), dessen Nachfolgerin seit Dezember 2021 die Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN) ist. Bereits seit Jahren laufen gegen Ott Ermittlungen – vorgeworfen wird ihm etwa, seine Stellung als Verfassungsschützer missbraucht zu haben, um geheime Daten weiterzuverkaufen.

Für Marsalek und Russland Informationen beschafft?

Abnehmer sei laut „Standard“ ein früherer BVT-Abteilungsleiter gewesen, der wiederum im Sold des flüchtigen Ex-Wirecard-Vorstands Jan Marsalek stand. Über diesen war Ott auch in das Visier der Behörden geraten. Zuletzt war Ott im Zusammenhang mit Marsalek in die Schlagzeilen geraten, dem er beim Aufbau einer Spionagezelle für Russland innerhalb des BVT behilflich gewesen sein soll.

Ott soll – gemeinsam mit dem Ex-BVT-Abteilungsleiter – für Marsalek bzw. Russland Informationen beschafft haben, wobei er auf seine früheren Tätigkeiten als Verfassungsschützer und Polizeiattache in Italien zurückgreifen konnte. Dem deutschen Nachrichtenmagazin „Spiegel“ zufolge soll es sich um Informationen über in Europa lebende Journalisten und einen kasachischen Oppositionspolitiker gehandelt haben.

Ex-BVT-Mann Ott festgenommen

Der frühere Verfassungsschützer Egisto Ott ist am Freitag wegen Spionageverdachts festgenommen worden. Das bestätigte die Sprecherin der Staatsanwaltschaft Wien, Nina Bussek.

Handys von Ex-Spitzenbeamten beim FSB?

Der „Standard“ berichtete am Freitag, dass die Festnahme aufgrund von Informationen aus Großbritannien erfolgt sei, dort wird gegen Marsalek ermittelt, Chats wurden sichergestellt. Demnach soll Ott im Sommer 2022 die gespiegelten Inhalte von Handys dreier ehemaliger Spitzenbeamten an russische Spione übergeben haben.

Bei den entwendeten Smartphones handle es sich laut „Standard“ um die Geräte von Michael Kloibmüller, der jahrelang Kabinettschef im Innenministerium war, von Michael Takacs, mittlerweile Bundespolizeidirektor, sowie von Gernot Maier, Direktor des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl. Die Betroffenen wüssten schon seit einigen Tagen Bescheid, dass sich ihre Handys beim russischen Inlandsgeheimdienst FSB befänden, schreibt der „Standard“.

Missgeschick bei Kanuausflug

Die drei Handys waren 2017 Opfer eines Unfalls geworden: Bei einem Ausflug des Innenministeriums war ein Kanu gekentert, die Smartphones fielen ins Wasser. Daraufhin wurde ein IT-Techniker des Verfassungsschutzes gebeten, die Diensthandys zu reparieren. Der fertigte offenbar Kopien der Geräte an und gab sie an Ott und andere weiter. Chats aus dem Smartphone von Kloibmüller gelangten auch an die Staatsanwaltschaft und an Medien. Sie führten wegen des Verdachts der Postenkorruption zu Ermittlungen gegen Kloibmüller und Ex-Innenminister Wolfgang Sobotka, wobei das Verfahren gegen Letzteren bereits eingestellt wurde.

Ott: „Immer erstklassige Arbeit geleistet“

Ott wird bereits seit Längerem vorgeworfen, in seiner Rolle als Verfassungsschützer Marsalek mit Informationen versorgt zu haben. Er soll Teil eines Personenkreises im BVT gewesen sein, der versucht haben soll, den Staat zu schwächen und Informationen weiterzutragen. Ott hatte die Vorwürfe stets bestritten – etwa zuletzt gegenüber dem „Spiegel“: Er habe „bei Regelverstößen nie mitgemacht, sondern immer erstklassige Arbeit geleistet“, wurde Ott zitiert.

Entscheidung über U-Haft bis Sonntag

Die Staatsanwaltschaft Wien erließ nun ungeachtet dessen eine Festnahmeanordnung. Der frühere BVT-Mitarbeiter wird nun befragt, wie Behördensprecherin Bussek bestätigte. Ob ein Antrag auf Verhängung der U-Haft gestellt wird, ist offen. Dafür hat die Staatsanwaltschaft 48 Stunden – somit bis Ostersonntag – Zeit.

Befreundete ausländische Nachrichtendienste hatten das BVT bereits 2017 darauf aufmerksam gemacht, aus dem BVT würden vertrauliche Informationen, die ausländische Quellen den heimischen Staatsschützern zum Zweck der Gefahrenerforschung und -abwehr überlassen hatten, an unberechtigte Stellen – nämlich russische Geheimdienste – abfließen.

Von dienstlicher an private E-Mail-Adresse weitergeleitet?

In den Verdacht, der „Maulwurf“ zu sein, geriet Ott deshalb, weil er als Verbindungsmann in der Türkei Kontakt zum russischen Nachrichtendienst aufgebaut haben soll. Er soll in weiterer Folge als geheim klassifizierte Informationen – etwa ein streng vertrauliches Memo des BVT und eine Anfrage des FBI – zunächst von seiner dienstlichen an seine private Mailadresse weitergeleitet und dann russischen Nachrichtendiensten bzw. unbefugten Personen übergeben haben.

Der Ex-BVT-Abteilungsleiter, mit dem Ott den Vorwürfen zufolge gemeinsame Sache gemacht haben soll, hält sich mittlerweile in Dubai auf. Nach Informationen der APA ist er von den Behörden zur Aufenthaltsermittlung ausgeschrieben worden. Für die Justiz war er zuletzt deshalb nicht fassbar, weil es mit den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) kein Auslieferungsübereinkommen gibt und er daher in Dubai vor den österreichischen Strafverfolgungsbehörden sicher war.

Marsalek hatte wohl langjährig Kontakte zu Russland

Zuletzt war von „Standard“, „Spiegel“ und ZDF enthüllt worden, dass Marsalek wohl seit einem Jahrzehnt Kontakte zu russischen Nachrichtendienstmitarbeitern hat. Schon zu seiner Zeit als Wirecard-Vorstand dürfte Marsalek demnach mit Russland zusammengearbeitet haben. Nach dem Zusammenbruch des Konzerns setzte sich Marsalek nach Russland ab, wo er nun mit neuer Identität lebt und offenbar weiterhin im Interesse des russischen Staats tätig ist.

ÖVP ortet „rot-blaues Netzwerk“

Die Festnahme schlägt auch innenpolitisch Wellen. Die ÖVP pocht via Aussendung auf „restlose Aufklärung der schweren Spionagevorwürfe“, wie Generalsekretär Christian Stocker zitiert wurde. Er bezog sich auf einen Bericht der „Presse“, wonach sich Ott in der Vergangenheit selbst als aktives SPÖ-Mitglied bezeichnet habe. Auch sei Ott mit Spitzenfunktionären der FPÖ in Kontakt gestanden. Stocker ortete damit eine „schrittweise Offenlegung des rot-blauen Netzwerks“.

Grüne wollen Nationalen Sicherheitsrat einschalten

Die Grünen wollen nun den Nationalen Sicherheitsrat einschalten, wie via Aussendung mitgeteilt wurde. NEOS verlangt eine weitere Sitzung des Geheimdienstausschusses im Parlament, die sich nur dem Thema „Russland-Spionage und politischer Einflussnahme“ widmen solle.

Aufgrund der aktuellen Ereignisse rund um die Causa Marsalek und der aufgedeckten Weitergabe von Smartphones solle der Nationale Sicherheitsrat einberufen werden, verlangten die Grünen. Veranlassen muss das der Bundeskanzler, es reicht dafür das Verlangen einer Parlamentsfraktion. „Die stückweise Aufdeckung der Netzwerke Russlands nach Österreich zeigt ein erschreckendes Bild“, erklärte Grünen-Mandatar David Stögmüller dazu.

Auch die Erkenntnisse des U-Ausschusses zum „rot-blauen Machtmissbrauch“ zeigten deutlich, wie politische Parteien offenbar der verlängerte Arm des Kreml seien und für Russland arbeiteten. Konkreter wurde Klubobfrau Sigrid Maurer: „Die Strache- und Kickl-FPÖ arbeitet seit Jahren nicht für Österreich, sondern in Wahrheit für Russland und seinen skrupellosen Diktator. Das ist eine gefährliche Bedrohung für unser Land.“

Auch NEOS-Sicherheitssprecherin Stephanie Krisper pochte auf Aufklärung – adressierte aber konkret die Koalitionsparteien: „Es ist höchst an der Zeit, dass ÖVP und Grüne entschiedener gegen Spionage auf österreichischem Boden vorgehen. Spione haben die Wahrnehmung, dass sie in Österreich unbehelligt tätig sein können. Damit muss endlich Schluss sein.“