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ORF/Georg Hummer
Neue Chats

FPÖ hatte viele Personalwünsche im ORF

Nun veröffentlichte Chats aus den Jahren 2017 bis 2019 belegen, wie die damalige Regierungspartei FPÖ beim ORF personell umrühren wollte – ehe das im Mai 2019 veröffentlichte „Ibiza“-Video die Koalition platzen ließ. Die Chats stammen aus dem von der ÖVP initiierten Untersuchungsausschuss über „rot-blauen Machtmissbrauch“ und liegen dem „Standard“, „profil“ und dem ORF vor.

Dass die FPÖ den ORF kräftig umbauen wollte, ist keine Neuigkeit. Chats mit Strache samt Interventionstipps kosteten im Herbst 2022 schon den 2018 nach dem Regierungswechsel zu ÖVP und FPÖ installierten TV-Chefredakteur Matthias Schrom den Job. Mit dabei in der FPÖ-Chatgruppe waren der damalige Vizekanzler Heinz Christian Strache, EU-Abgeordneter Harald Vilimsky, der frühere Infrastrukturminister Norbert Hofer und ORF-Stiftungsräte der FPÖ.

Regen Austausch gab es etwa mit Thomas Prantner, der damals als Vizetechnikdirektor zuständig für Onlineaktivitäten des ORF war, und inzwischen das Medienhaus verlassen hat. So soll Prantner laut „Standard“ viele Belege für große und prominent platzierte Berichte über die FPÖ auf ORF.at und in der ORF-TVthek an Strache geschickt haben. Und er schrieb: „Bin (seit vielen Jahren) zu jeder Tages- und Nachtzeit da, wenn ihr etwas braucht. Meistens erfolgreich. Ich bitte dich, dass das anerkannt und auch von Dir innerhalb der Parteispitze kommuniziert wird.“

Chats protokollieren FPÖ-Personalwünsche im ORF

Einmal mehr zeigen Chatprotokolle von FPÖ-Politikern, wie sie in ihrer Regierungszeit von 2017 bis 2019 den ORF umbauen und personell neu besetzen wollten. Nach Berichten im „profil“ und „Standard“ liegen nun auch dem ORF Chats vor, die freiheitliche Personalwünsche dokumentieren.

Jelinek: „Lieber Heinz, der Kuchen wird jetzt verteilt …“

Auch Fitnesstrainer Philipp Jelinek chattete mit Strache. Er ist derzeit mit „Fit mit Philipp“ für den ORF im Einsatz. Er bat den FPÖ-Chef um Unterstützung, um einen Job als Moderator für „Guten Morgen Österreich“ zu bekommen. „Lieber Heinz, der Kuchen wird jetzt verteilt … wir müssen dringend die Weichen für mich stellen“, schrieb er und stellte laut „Standard“ im Gegenzug in Aussicht, über ORF-Interna informieren zu wollen. Jelinek reagierte nicht auf Anfrage.

Chat von Philipp Jelinek
ZIB

Zudem war die Funktion von ORF-Korrespondent Christian Wehrschütz in den Chats Thema. So ließ Strache etwa Vilimsky und Ex-Klubobmann Johann Gudenus wissen, dass Wehrschütz eine „aktive“ Rolle präferiere und daher nicht Chef der Auslandskorrespondenten werden wolle, wie der APA vorliegende Chats zeigen.

Wehrschütz’ Wünsche

Es kursierten Vorschläge, ihn „finanziell und politisch im Bereich Auslandskorrespondenz vor Ort mit Russland“ aufzuwerten und ihm zusätzlich ein Format wie das „Europastudio“ zu überantworten. Auch die Funktion als Landesdirektor für Oberösterreich kursierte. Sollte das nicht klappen, „dann würde er gerne als Unterhaltungschef im ORF ausmisten“, schrieb Strache.

Gegenüber Ö1 bestätigte Wehrschütz, dass er sich immer wieder für Landesdirektorenposten beworben habe, aber mit Strache habe das nichts zu tun gehabt. Gegenüber dem „Standard“ hielt Wehrschütz fest, dass er 2021 vom damaligen ORF-Chef Alexander Wrabetz gefragt worden sei, ob er als Korrespondent nach Moskau wechseln wolle, er das aber abgelehnt habe, da er nicht bereit gewesen sei, die Ukraine und den Balkan aufzugeben. Erörtert habe er diese Frage nur mit seiner Familie. Die FPÖ habe keine Rolle gespielt.

Chat von Heinz-Christian Strache
ZIB

Gegen Thür, für Gabalier

Auch 2019 war man im FPÖ-Chat sehr unzufrieden mit dem ORF, berichtet das „profil“. Wrabetz müsse weg, Martin Thür müsse als ZIB2-Moderator verhindert werden. „Thür verarscht uns auf Twitter“, schreibt Vilimsky. Bereits ein Jahr davor, im Mai 2018, schickte Vilimsky, einen Artikel der „Wiener Zeitung“ in die Gruppe, in der Thür als neuer ZIB2-Moderator gehandelt wird, mit den Worten: „Freund ist der nicht. Und zudem profilierungssüchtig.“

Und noch eine Sache regt die Blauen – vor allem den damaligen Parteichef Strache – auf: ein vermeintlicher Boykott des Musikers Andreas Gabalier im ORF-Radio. „Bitte auch dahinter sein, dass Andi Gabalier endlich auf Ö3 gespielt wird und bei seinen großen Konzerten – Ausverkauf von Stadien in Deutschland und Österreich – der ORF im Sinne des öffentlich-rechtlichen Bildungs- und Kulturauftrages auch darüber berichtet! Ist irre, dass der boykottiert wird!“, schreibt Strache.

Der ORF teilte in einer Aussendung mit, dass in den Chats primär über ORF-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter gesprochen werde und nicht mit ihnen. „Einmal mehr zeigt sich, dass politische Wünsche, die in den Chats geäußert werden, vom ORF nicht erfüllt wurden. Weder solche der Politik noch von einzelnen Mitarbeitern“, hieß es. Das Medienhaus verwies auf einen neuen ORF-Ethikkodex, der demnächst veröffentlicht wird und klare Regeln für den Umgang mit Politikern enthält.

ORF-Redaktionsrat sieht „trauriges Sittenbild“

Der ORF-Redaktionsrat sah in einer Aussendung ein „trauriges Sittenbild, wie wenig politische Parteien – allen voran die FPÖ – von unabhängigem Journalismus halten. Der ORF soll von Leuten, die der Partei genehm sind, geführt werden – oder aber zusammengestutzt. Das war in Zeiten der FPÖ-Regierungsbeteiligung so und das ist auch heute noch so, wie zahlreiche öffentliche Stellungnahmen der FPÖ in letzter Zeit belegen. Wer unabhängigen Journalismus ruiniert, schadet der Demokratie“, so der Redaktionsrat.

Es sei bedauerlich, dass es immer wieder Leute gebe, die sich bei Parteien anbiedern und dadurch eine Karriere im ORF erhoffen. „Das ist ein Schlag ins Gesicht aller Journalistinnen und Journalisten im ORF, die für kritische, objektive und unabhängige Berichterstattung stehen“, hieß es.

„Die FPÖ tritt alles kurz und klein, was nicht in ihr autoritäres Weltbild passt“, reagierte SPÖ-Bundesgeschäftsführer Klaus Seltenheim. Die Grünen und NEOS hielten fest, dass die FPÖ eine „Gefahr für die Demokratie in Österreich“ darstelle. Die Partei wolle unliebsame Journalisten „ausmisten“ und „um jeden Preis blaue Leute in wichtige Positionen hieven“.