ein Kran bei Aufräumarbeiten an der zerstörten Brücke
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„Größter Kran an der Ostküste“

US-Armee hilft in Baltimore

Nach dem Brückeneinsturz in der US-Stadt Baltimore laufen die Bemühungen auf Hochtouren, die Hauptfahrrinne wieder zu öffnen. Denn der Hafen des wichtigen Wirtschaftsknotenpunkts ist noch blockiert. Helfen soll dabei auch die US-Armee. Sie schickt „den größten Kran an der Ostküste“. Die Beseitigung der Trümmer sei eine schwere, aber dringende Aufgabe, sagten Beamte. Der Wiederaufbau könne gar mehrere Jahre dauern.

Die Aufräumarbeiten sind bereits im Gange. Mehrere Kräne trafen am Unglücksort ein. Shannon Gilreath von der US-Küstenwache erläuterte, zuerst müssten das Schiff und die Trümmer der Brücke beseitigt werden. Das Pionierkorps der US-Armee verlege „den größten Kran an der Ostküste nach Baltimore, um den Behörden dabei zu helfen, die Trümmer aus dem Wasser zu heben.“

„Bevor wir mit dem Heben beginnen können, müssen wir (…) herausfinden, wie wir die Brücke in die richtigen Stücke schneiden können, damit wir sie mit dem Kran bergen können“, sagte Gilreath. Die Armee könne auch Sonartechnologie einsetzen, um das verdrehte Metall und den Asphalt zu kartieren, die auf den Grund des Flusses stürzten, als das Frachtschiff auf die Brücke prallte. „Die Größe und das Ausmaß sind außerordentlich“, sagte der ehemalige Ingenieursoffizier John Litz.

ein Kran bei Aufräumarbeiten an der zerstörten Brücke
APA/AFP/Mandel Ngan
Mit Hilfe von Kränen sollen die Brückentrümmer beseitigt werden

Schwierige Unterwasserarbeiten

Die Kräne sollen die Brückenteile vom Flussboden entfernen, sie auf Lastkähne verladen und dann aus Baltimore verschiffen. Sie können auch dafür eingesetzt werden, Teile der Brücke, die auf das Containerschiff gefallen sind, anzuheben, damit das Schiff abgeschleppt werden kann. Der Einsatz der Kräne hängt laut „New York Times“ von der Arbeit von Tauchern ab, die die Metall- und Betontrümmer zerschneiden müssen, bevor sie an die Oberfläche gehoben werden können.

Dabei hätten sie mit starken Strömungen und schlechter Sicht zu kämpfen. „Das Wasser ist so dunkel und die Trümmer liegen so dicht aneinander, dass unsere Taucher in den meisten Fällen nicht mehr als einen oder zwei Meter weit sehen können“, erklärte der Gouverneur des Bundesstaats Maryland, Wes Moore. Die Aufräumarbeiten würden Monate dauern, kündigte Moore an. „Wir haben einen sehr langen Weg vor uns.“

Helikopter der State Trooper über der eingestürzten Brücke
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Ein Polizeihubschrauber inspiziert die Lage

Vier Bauarbeiter weiter vermisst

Laut Bergungsexperten ist es möglich, dass die Behörden zunächst eine engere Schifffahrtsstraße freigeben, um den gestrandeten Schiffen die Ausfahrt aus dem Hafen zu ermöglichen. Der Wiederaufbau der Brücke könnte dagegen mehrere Jahre dauern, sagten Ingenieure. Die Francis-Scott-Key-Brücke über den Patapsco-Fluss war Dienstagfrüh eingestürzt, nachdem das Containerschiff „Dali“ einen Brückenpfeiler gerammt hatte.

Laut dem Verkehrsministerium befanden sich zum Unglückszeitpunkt acht Bauarbeiter auf der Brücke, um Schlaglöcher auszubessern. Zwei von ihnen wurden am Dienstag lebend gerettet. Die Leichen von zwei weiteren Männern waren am Mittwochabend geborgen worden. Vier Bauarbeiter werden nach wie vor vermisst.

Gouverneur: „Nationale Krise“

Bei dem Unglück brach praktisch die gesamte 2,5 Kilometer lange Stahlkonstruktion innerhalb von wenigen Sekunden in sich zusammen. Seither ist der Schiffsverkehr eingestellt, und etwa ein Dutzend Schiffe sitzen im Hafen der Ostküstenmetropole fest, in dem 8.000 Menschen beschäftigt sind. US-Verkehrsminister Pete Buttigieg bezeichnete ihn als wichtigen Knotenpunkt für Amerikas Lieferketten und Wirtschaft.

Marylands Gouverneur Wes Moore nannte den Brückeneinsturz eine „nationale Krise“. Der Schiffsverkehr müsse wieder in Gang gebracht werden. Höchste Priorität habe, dass die vermissten vier Brückenarbeiter gefunden werden, um deren Familien ein Abschließen zu ermöglichen, zitierte die „New York Times“ Moore.

Mitglieder der Küstenwache untersuchen die eingestürzte Brücke
APA/AFP/Youtube/National Transportation Safety Board
Die Ermittlungen zur Unglücksursache dauern noch an

US-Regierung bewilligt 60 Mio. Dollar Soforthilfe

Die Ermittlungen zur Unglücksursache dauerten unterdessen an. Die Nationale Behörde für Transportsicherheit (NTSB) veröffentlichte am Donnerstag Aufnahmen von Ermittlern, die an Bord des Unglücksschiffs „Dali“ gingen. Beamte der NTSB und der Küstenwache machten Fotografien und untersuchten Trümmerteile an Deck.

Die US-Regierung bewilligte indes die vom Bundesstaat Maryland beantragten Soforthilfen in Höhe von 60 Millionen Dollar (55 Mio. Euro). „Das ist nur der Anfang unserer finanziellen Unterstützung“, teilte Buttigieg auf der Plattform X (Twitter) mit. Die US-Regierung werde Baltimore bei jedem Schritt des Wiederaufbaus begleiten.

Lloyd’s-Chef: Möglicherweise Marinerekordschaden

Der Einsturz einer Autobahnbrücke könnte nach Ansicht von Lloyds-Chairman Bruce Carnegie-Brown für die Schifffahrtsversicherer „der größte Einzelschaden der Marineversicherung“ jemals werden. Für eine genaue Schätzung sei es noch zu früh, sagte Carnegie-Brown, fügte aber hinzu, er wäre „sehr überrascht“, wenn es kein Multimilliardenschaden wäre. Bisher gilt der Untergang des Kreuzfahrtschiffes „Costa Concordia“ 2012 mit 1,5 Milliarden Dollar als größter Schaden der Schifffahrtsversicherung.

Marcos Alvarez von der Ratingagentur Morningstar DBRS veranschlagt Baltimore auf zwei bis vier Milliarden Dollar, je nachdem, wie lange der vor allem für die Autoindustrie wichtige Hafen an der Mündung des Patapsco River wegen der ins Wasser gestürzten Brücke nicht angefahren werden kann. In diesem Fall greifen Betriebsunterbrechungsversicherungen.