Ansicht von Istanbul
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Kommunalwahlen

Opposition gewinnt in türkischen Metropolen

Bei den Kommunalwahlen in der Türkei ist die Oppositionspartei CHP stärkste Kraft geworden. Die Wahlbehörde bestätigte am Montag den überraschenden Wahlausgang, der sich bereits in der Nacht abgezeichnet hatte. Die islamisch-konservative AKP von Präsident Recep Tayyip Erdogan erlitt landesweit Verluste, vor allem aber konnte sich die CHP in den größten Städten durchsetzen. Auch sein Ziel, die Metropole Istanbul zurückzugewinnen, erreichte Erdogan nicht.

„Wir haben nicht das Ergebnis erzielt, das wir uns gewünscht und erhofft haben“, räumte Erdogan bereits am späten Sonntagabend in der Hauptstadt Ankara ein. Er werde „die Entscheidung der Nation respektieren“, man werde nun Selbstkritik üben und Mängel beheben, erklärte er vor – ungewöhnlich stillen – Anhängern und Anhängerinnen. Das sei aber nicht das Ende, sondern ein „Wendepunkt“ für die AKP.

Für die Mitte-links-Partei CHP (Republikanische Volkspartei) verkündete der nunmehr wiedergewählte Bürgermeister der Metropole Istanbul, Ekrem Imamoglu, ihren Sieg. „Wir haben die Wahl gewonnen“, so Imamoglu, der als ernstzunehmender politischer Konkurrent für Erdogan gilt.

Über 60 Millionen Wahlberechtigte in 81 Provinzen

Im ganzen Land waren rund 61 Millionen Menschen in 81 Provinzen dazu aufgerufen, Bürgermeister, Gemeinderäte und andere Kommunalpolitiker zu wählen. Die CHP habe vorläufigen Ergebnissen zufolge landesweit 35 der 81 Bürgermeisterposten gewonnen, sagte der Leiter der Wahlbehörde, Ahmet Yener. Ein amtliches Endergebnis stand noch aus.

Plakate des amtierenden Bürgermeister von Istanbul, Ekrem Imamoglu
AP/CTK/Pavel Nemecek
Imamoglu verteidigte in Istanbul erfolgreich seinen Wahlsieg von 2019

Die AKP wurde damit erstmals seit ihrer Gründung 2002 nur zweitstärkste Kraft. Sie gewann 24 Bürgermeisterämter. Die prokurdische Partei DEM gewann zehn der Ämter, der ultranationalistische Regierungspartner Erdogans, die MHP, gewann acht. Die islamistische Yeniden Refah Partei gewann zwei der Ämter, wurde aber im prozentualen Landesdurchschnitt drittstärkste Kraft (6,2 Prozent) – wenn auch mit großem Abstand zur zweitplatzierten AKP (35,5 Prozent) und der erstplatzierten CHP (37,7 Prozent).

„Wichtige Botschaft an die Welt“

Oppositionschef Özgür Özel sprach von einem „historischen Ergebnis“, das zeige, dass die Wähler eine neue Politik wollten. „Die Wähler haben dafür gestimmt, das Gesicht der Türkei zu verändern“, kommentierte er die Ergebnisse. Diese seien eine wichtige Botschaft an die Welt, wo die Demokratie zurückgehe und autoritäre Regierungen im Aufwind seien, befand Imamoglu, der wiedergewählte Bürgermeister Istanbuls.

Türkei: Opposition gewinnt Wahlen

Der Plan des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan, seiner AKP in Istanbul bei den Kommunalwahlen zum Sieg zu verhelfen, ist gescheitert. Ekrem Imamoglu von der größten Oppositionspartei CHP verkündete Sonntagabend seine Wiederwahl als Bürgermeister.

In Ankara lag CHP-Bürgermeister Mansur Yavas deutlich vor dem AKP-Kandidaten und erklärte sich Sonntagabend zum Wahlsieger. „Die Wahlen sind vorbei, wir werden Ankara weiter dienen“, so Yavas. Auch in Izmir und Antalya an der Mittelmeer-Küste gewann die CHP.

Wahl in schwieriger Lage

Die Wahl wurde auch als Stimmungstest für Erdogan gewertet, der im vergangenen Jahr erneut zum Präsidenten gewählt wurde. Vor allem die hohe Inflationsrate von aktuell 67 Prozent und die generell angespannte wirtschaftliche Lage des Landes dürften seine Partei Stimmen gekostet haben.

Der türkische Präsident Tayyip Erdogan
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In Erdogans Heimatprovinz blieb seine AKP stärkste Kraft

In Rize, der Heimatprovinz von Erdogan, wurde die AKP zwar stärkste Kraft, büßte aber dennoch im Vergleich zu 2019 deutlich Stimmen ein. Auch in den meisten vom Erdbeben im Februar 2023 betroffenen Provinzen erlitt die AKP deutliche Verluste – die Provinz Adiyaman etwa verlor sie an die CHP.

Istanbul als politisches Barometer

Erdogan verfehlte auch sein ausgemachtes Ziel, die politisch wichtige Metropole Istanbul mit ihren 16 Millionen Einwohnern für die AKP zurückzugewinnen. Imamoglu gewann dort mit 51 Prozent der Stimmen. Er hatte in Istanbul 2019 die AKP erstmals besiegt, sie ließ die Wahl annullieren, in der zweiten Runde gewann Imamoglu noch deutlicher.

Menschen feiern nach der Wahl
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Die Wahlen galten auch als Gradmesser für die Stimmung im Land

Anders als damals war er diesmal nicht mit Unterstützung anderer Parteien ins Rennen gegangen und gewann trotzdem. Imamoglu gilt als Hoffnungsträger der Opposition und am ehesten ernst zu nehmender Gegner für Erdogan.

Wo auch Erdogans Aufstieg begann

Die AKP hatte in Istanbul – mit persönlicher Unterstützung des Präsidenten – den früheren Minister für Umwelt und Stadtplanung Murat Kurum ins Rennen geschickt. Er erreichte etwa 40 Prozent der Stimmen. Istanbul ist die nach Einwohnern und Wirtschaftskraft die größte Stadt der Türkei: 16 Millionen Menschen und damit etwa 20 Prozent der Gesamtbevölkerung der Türkei leben im Großraum der Metropole. In Istanbul hatte auch Erdogans politische Karriere begonnen, als er dort 1994 zum Bürgermeister gewählt wurde.

Tote bei Zwischenfällen

Der Wahlkampf galt als unfair – ein Großteil der Medien in der Türkei steht unter direkter oder indirekter Kontrolle der Regierung. Größere Unregelmäßigkeiten bei der Abstimmung wurden zunächst nicht gemeldet. Die prokurdische Partei DEM (früher HEDEP bzw. HDP) teilte mit, in der südosttürkischen Provinz Sanliurfa hätten Beamte versucht, an mehr als einer Urne abzustimmen. Man habe das verhindert und dokumentiert.

Im Südosten des Landes überschatteten tödliche Zwischenfälle die Abstimmung. Bei gewalttätigen Auseinandersetzungen wurden zumindest zwei Menschen getötet. In der Kurdenmetropole Diyarbakir wie auch in der Provinz Siirt seien Streitigkeiten rund um die Wahl eskaliert, berichtete die Nachrichtenagentur Anadolu. In Diyarbakir wurden dabei auch mehrere Menschen verletzt, in Siirt gleichfalls.