Computer beim Arbeitsmarktservice Wien
ORF/Roland Winkler
Arbeitsmarkt

Arbeitslosenquote im März bei 6,9 Prozent

Die Arbeitslosenquote ist im März im Vergleich zum selben Monat des Vorjahres um 0,7 Punkte auf 6,9 Prozent gestiegen. Das Arbeitsministerium führt die Entwicklung auf das „wirtschaftlich herausfordernde Umfeld“ zurück, das Arbeitsmarktservice (AMS) sieht „eine besonders schlechte Entwicklung“. Die Zahlen gaben auch auf politischer Ebene Anlass für die Opposition, scharfe Kritik zu üben.

Die Arbeitslosenquote ist im März 2024 im Vergleich zum selben Monat des Vorjahres um 0,7 Punkte auf 6,9 Prozent gestiegen. Per Monatsultimo waren 369.640 Personen beim AMS vorgemerkt, 291.468 davon arbeitslos gemeldet, 78.172 Personen nahmen an AMS-Schulungen teil. Das teilten Wirtschaftsministerium und AMS am Dienstag mit. Saisonbedingt geht die Arbeitslosigkeit zu den Hochwintermonaten derzeit insgesamt zurück.

„Die Zahl der beim AMS als arbeitslos oder in Schulung vorgemerkten Personen lag Ende März 2024 um fast 36.000 Personen bzw. rund elf Prozent über dem Vergleichstag im Vorjahr“, so AMS-Chef Johannes Kopf. „Es ist dies für einen Stichtag, der noch dazu heuer auf den an sich für die Beschäftigung günstigen Ostersonntag fiel, eine besonders schlechte Entwicklung.“

Österreich befinde sich offenbar noch immer deutlich in der Rezession. „Anders als vor einem Jahr, als uns die Prognosen nur einen kurzen Konjunktureinbruch vorhersagten, glaube ich auch nicht mehr an eine rasche Erholung im Sinn eines baldigen Sinkens der Arbeitslosigkeit in Österreich.“ Firmen hätten aufgrund der hierzulande hohen Inflation nicht nur Wettbewerbsfähigkeit eingebüßt, sondern auch noch personelle Überkapazitäten. „Selbst wenn das Wachstum wieder kommt, wird die Arbeitslosigkeit wohl erst verspätet sinken“, analysiert Kopf.

Grafik zur Arbeitslosigkeit im Detail im März 2024
Grafik: APA/ORF; Quelle: AMS

„Hohe Dynamik“

„Im Vergleich zu den Jahren vor Ausbruch der Covid-Pandemie ist das ein niedriger Wert“, so ÖVP-Arbeitsminister Martin Kocher über die Daten. „Die aktuell etwas höhere Arbeitslosigkeit als im März 2023 ist vor allem ein Resultat des wirtschaftlich herausfordernden Umfelds.“

Die Arbeitslosenquote lag im Vergleichsmonat 2019, vor Ausbruch der Pandemie, bei 7,5 Prozent. 2020 waren es 12,3 Prozent, 2021 9,3 Prozent, 2022 6,3 und vor einem Jahr 6,2 Prozent. Es zeige sich aktuell „nach wie vor eine relativ hohe Dynamik in Bereichen des österreichischen Arbeitsmarkts“, so Kocher. Bereiche wie der Bau oder der Handel haben diese Dynamik derzeit beispielsweise nicht so sehr.

Positiv sah Kocher die Entwicklung bei älteren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ab 60 Jahren. In dieser Gruppe habe es zuletzt im Jahresvergleich einen Beschäftigungszuwachs von rund neun Prozent (oder 14.844 Personen) auf 181.546 Menschen gegeben.

„Bemerkenswert“ sei auch, „dass es durch die effektive Vermittlung des AMS gelungen ist, die Verweildauer in Arbeitslosigkeit der beim AMS gemeldeten Personen innerhalb eines Jahres um weitere vier Tage zu reduzieren“, so Kocher. Die durchschnittliche Verweildauer beim AMS im ersten Quartal des Jahres 2023 sei bei 108 Tagen gelegen. Dieser Wert sei mittlerweile auf 104 Tage gesunken.

Große regionale Unterschiede

Nach Bundesländern gab es große Unterschiede und teils immense Anstiege vor allem in industrieller geprägten Ländern. Negativer Spitzenreiter mit einem Anstieg der Arbeitslosigkeit um 20,8 Prozent oder 5.792 Menschen auf 33.646 Betroffene ist Oberösterreich – mehr dazu in ooe.ORF.at. Um mehr als zehn Prozent stieg die Arbeitslosigkeit auch in Salzburg, Vorarlberg, der Steiermark, Niederösterreich und Wien – mehr dazu in wien.ORF.at. Bei ausländischen Personen stieg die Arbeitslosigkeit bei Männern um 6,8 Prozent auf 173.905. Bei Ausländerinnen gab es ein herausragendes Plus von 21,6 Prozent auf 117.563 Frauen ohne Job.

Ruf nach Ausbau von „Rot-Weiß-Rot-Karte“

Das AMS hat sich auch angeschaut, inwieweit jene 8.100 Arbeitskräfte, die in den Jahren 2017 bis 2019 eine „Rot-Weiß-Rot-Karte“ erhalten haben, dreieinhalb Jahre später weiterhin auf dem österreichischen Arbeitsmarkt aktiv sind. Demnach waren 84 Prozent ein Jahr später unselbstständig beschäftigt. Zum Beobachtungszeitpunkt dreieinhalb Jahre nach Ausstellung der Karte lagen aber nur noch von 75 Prozent (6.109) der 8.109 ursprünglichen Antragstellenden Versicherungsinformationen vor.

Die Fachkräftezuwanderung über die „Rot-Weiß-Rot-Karte“ stelle einen wichtigen Baustein im Kampf gegen den demografisch bedingten Fachkräftemangel dar, so Kopf. „Zusammen mit anderen öffentlichen Stellen bemühen wir uns um einen weiteren Ausbau und Verbesserung dieses wichtigen Instruments.“

Arbeitslosenzahlen wieder gestiegen

Im März waren rund 370.000 Personen beim AMS arbeitslos gemeldet oder haben eine Schulung absolviert. Das sind um fast elf Prozent mehr als noch vor einem Jahr.

Wieder Debatte über Lohnnebenkostensenkung

„Es ist höchst an der Zeit, Maßnahmen zu setzen, die den Faktor Arbeit entlasten und den Wirtschaftsstandort stärken“, hieß es am Freitag von Christoph Neumayer, Generalsekretär der Industriellenvereinigung (IV). Alle Potenziale für eine Senkung der Lohnnebenkosten seien tatsächlich zu nutzen, um den Arbeitsstandort zu entlasten, ohne die hohen sozialen Standards in Österreich zu berühren.

Der ÖVP-Wirtschaftsbund machte am Dienstag auf die Zahl an offenen Stellen aufmerksam. Besonders im Tourismus, dem Gastgewerbe, der Freizeitbranche, ebenso im Textilsektor sowie in Wissenschaft, Bildung, Forschung und Entwicklung gebe es einen besonders starken Anstieg beim Arbeitskräftebedarf.

Grafik zur Arbeitslosigkeit in den Bundesländern im März 2023
Grafik: APA/ORF; Quelle: AMS

„Die Situation setzt nicht nur unsere heimische Wirtschaft unter Druck, sondern auch unser Sozialsystem. Der gefährliche Mix aus Arbeitskräftemangel und hohen Lohnkosten gefährdet immer stärker unseren Standort. Wir müssen alles daransetzen, damit es nicht zu einer Abwanderungswelle der Unternehmen kommt. Denn gehen die Unternehmen, geht die Arbeit“, so Wirtschaftsbund-Generalsekretär Kurt Egger (ÖVP), der auch auf die von der ÖVP angeschobene Debatte über eine Lohnnebenkostensenkung „als essenzieller Teil der Lösung“ verwies.

Arbeiterkammer sieht hohe Armutsgefährdung

Die Arbeiterkammer (AK) hingegen trat der Debatte erneut entgegen. „Derzeit wird im Zuge der Debatte zur Kürzung der Lohnnebenkosten immer wieder über die Senkung der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung diskutiert – angesichts der Arbeitsmarktlage und der Erhebungsergebnisse zur sozialen Lage von Arbeitsuchenden der völlig falsche Ansatz“, so die im Wahlkampf befindliche AK-Präsidentin Renate Anderl am Dienstag.

Schon jetzt sei das Verhältnis zwischen Arbeitslosengeld und vorangegangenem Einkommen schlecht, „die fehlende Angleichung an die Teuerung und die völlige Entwertung der Familienzuschläge, die seit 2001 nicht mehr angepasst wurden, erhöhen im Falle des Jobverlusts massiv die Armutsgefährdung“, so Anderl.

Laut dem gewerkschaftsnahen Momentum Institut ist jeder dritte arbeitslose Mensch in Österreich armutsgefährdet. Eine Hauptursache dafür sah der Thinktank am Freitag auch darin, dass das Arbeitslosengeld der starken Teuerung hinterherhinke. Die Gehälter, die zur Berechnung der Grundlage herangezogen werden, lägen im Regelfall um mindestens zwölf Monate zurück.

Auch der ÖGB forderte einen Anstieg des Arbeitslosenentgelts. Zudem brauche es etwa im Tourismus bessere Arbeitsbedingungen, es werde dort nicht umsonst so oft nach Personal gesucht.

Scharfe Oppositionskritik

Bei den beiden großen Oppositionsparteien SPÖ und FPÖ lösten die Arbeitslosenzahlen scharfe Kritik an der Bundesregierung aus. Aus Sicht der Sozialdemokraten herrsche Untätigkeit, so Sozialsprecher und Gewerkschafter Josef Muchitsch. „Den Preis für Untätigkeit der Regierung gegen die Rekordteuerung zahlen jetzt alle doppelt und dreifach in Form von Rekordpreisen, Rezession und Arbeitslosigkeit“, so Muchitsch.

Die Freiheitlichen sahen im zuständigen Minister Kocher einen „Schwadroneur“, so Sozialsprecherin Dagmar Belakowitsch. „Seine schrankenlose Zuwanderungspolitik unter anderem in Form einer Aufweichung der Rot-Weiß-Rot-Karte, die nach wie vor von ÖVP und Grünen verursachte hohe Inflation, der anhaltende Anstieg der Insolvenzen in unserem Land sowie die sehr spät und wenig nachhaltige Bauoffensive sind die Hauptursachen für diese hohen Arbeitslosenzahlen“, so Belakowitsch.

„Die Regierung muss endlich gegensteuern“, forderte auch NEOS-Sozial- und Wirtschaftssprecher Gerald Loacker. Es brauche die Umsetzung einer Lohnnebenkostensenkung, nicht nur Gespräche darüber. In der laufenden Frühjahrslohnrunde würde ein solcher Schritt „Druck aus den Verhandlungen nehmen“.