PV-Anlage in einer Landschaft
ORF/Christian Öser
„Herausforderndes“ Ziel

Hürden bei Photovoltaikausbau

Bis 2030 soll der Stromverbrauch zu 100 Prozent bilanziell aus erneuerbarer Energie abgedeckt werden. Den größten Anteil davon stemmen derzeit Wind- und Wasserkraft. Doch die Photovoltaik (PV) muss für die Zielerreichung auch mit Blick auf die angestrebte Klimaneutralität 2040 am meisten wachsen. Am Montag startet der erste Fördercall für heuer. Nach einem Rückgang um den Jahreswechsel zieht die Nachfrage wieder an. Fachleuten zufolge muss der PV-Ausbau aber mehr in die freie Fläche gehen, um die angestrebte Leistung zu erreichen.

Der PV-Ausbau hat in den letzten Jahren stark zugenommen, 2022 wurde erstmals mehr als ein Gigawatt Peak (GWp) zugebaut. Für 2023 liegen noch keine endgültigen Zahlen vor. Die E-Control geht von mindestens 2,7 GWp aus. Das wäre ein neuerlicher Rekord. Dieses Ausbautempo müsste beibehalten werden, um die Ziele zu erreichen. Vera Immitzer, Geschäftsführerin des Bundesverbands Photovoltaic Austria (PV Austria), bezweifelt im ORF.at-Gespräch, dass heuer erneut ein Rekord aufgestellt wird. Aus ihrer Sicht wurde 2023 ein „vorläufiger Höhepunkt“ erreicht.

Das liege auch an den knappen Einspeisekapazitäten, die viele Private hinderten, in PV-Anlagen zu investieren. Der Ausbau laufe, aber es gebe nach wie vor Engpässe, so Immitzer: „Das dauert noch drei bis vier Jahre, bis sich das auflöst.“ Eine Delle bei der Nachfrage nach PV-Anlagen von Ende vergangenen Jahres bis Jänner löste sich Immitzer zufolge aber wieder. „Viele haben noch auf die neuen Förderbedingungen gewartet.“

Grafik zur Stromerzeug in Österreich nach Energieträgern mit den Zielsetzungen für 2030 und 2040
Grafik: ORF; Quelle: Photovoltaic Austria

Seit Jänner entfällt bei privaten PV-Anlagen mit einer Leistung von bis zu 35 Kilowatt Peak (KWp) die Mehrwertsteuer. Für alle anderen Anlagen läuft der erste Fördercall bis 29. April. Für die Investitionsförderung bei PV-Anlagen stehen heuer 135 Mio. Euro zur Verfügung.

„Ohne Flächenkraftwerke wird es nicht gehen“

Der Österreichische Nationale Infrastrukturplan (ÖNIP) von 2023 sieht vor, dass bis 2030 21 GWp an PV-Leistung installiert sein sollen, und geht damit nicht zuletzt aufgrund der Annahme steigenden Bedarfs sogar noch weiter als die ursprünglichen Ziele der Regierung. „Um das zu erreichen, müssen wir im PV-Bereich um mehr als zwei GWp pro Jahr wachsen“, erklärt PV-Experte Christoph Mayr vom Austrian Institute of Technology (AIT) im ORF.at-Interview. „Die Zielsetzung ist herausfordernd, aber wenn die Rahmenbedingungen passen, realisierbar.“

PV-Anlage auf einem Dach eines Industriebetriebs
ORF/Christian Öser
Auf Österreichs Dächern und Fassaden gibt es noch Spielraum für mehr PV-Anlagen

2022 waren knapp vier GWp auf versiegelten und freien Flächen verbaut. Da gebe es noch Spielraum, so Mayr. Zudem müsse man auch bei Neubauten schon früh bei der Planung die Möglichkeit von Photovoltaik einbeziehen. Auf Österreichs Dächern und Fassaden gibt es Studien zufolge derzeit PV-Potenzial von acht GwP.

Allerdings sind nicht alle Dächer für PV-Anlagen geeignet. Die Untersuchungen zeigen laut Mayr deutlich: „Ohne Kraftwerke im Freiland wird es nicht gehen.“ Die größten Potenziale sieht der Infrastrukturplan in Niederösterreich, Oberösterreich und der Steiermark. Ob und welche Flächen freigegeben werden, ist Sache der Bundesländer.

Zögerliche Freigabe von Flächen

Das Burgenland, Niederösterreich und die Steiermark haben bereits Zonen ausgewiesen. Passiert sei aber wenig, kritisiert Immitzer. Eine Analyse der PV Austria in Niederösterreich zeige, dass auch ein Jahr nach der Zonierung noch keine Fläche für PV genutzt wurde. Immitzer: „Entweder weil die Gemeinde nicht umwidmet, Bedenken wegen Umweltschutz gemeldet werden oder Grundstückbesitzer dagegen sind.“

Interessenkonflikte zeigen sich etwa bei einem geplanten PV-Projekt eines Landwirts in Tirol. Auf den Feldern soll parallel zur Landwirtschaft eine PV-Anlage mit drei Meter hohen Paneelen errichtet werden. Gemeinde und Bauernvertreter protestieren dagegen – mehr dazu in tirol.ORF.at. Die Gemeinde befürchtet negative Auswirkungen auf das Ortsbild. Die Landwirtschaftskammer verweist auf bereits versiegelte Flächen.

Gesetz soll mehr Tempo machen

Mehr Tempo soll das Erneuerbaren-Ausbau-Beschleunigungsgesetz (EABG) bringen, mit dem eine EU-Richtlinie zum Ausbau erneuerbarer Energie (RED III) umgesetzt werden soll. Die sieht vor, dass erneuerbare Energieprojekte im überragenden öffentlichen Interesse und daher bevorzugt und beschleunigt umzusetzen sind. Damit müssten die Länder ausreichend Zonen für Anlagen erneuerbarer Energien wie PV und Windkraft zur Verfügung stellen, betont Immitzer. Auch Genehmigungsverfahren sollen beschleunigt werden. Neue Parkplätze sollen verpflichtend mit PV-Anlagen ausgestattet werden.

Angekündigt wurde das Gesetz im Jänner vergangenen Jahres. Laut Umweltministerium läuft derzeit die regierungsinterne Abstimmung. Das Gesetz solle noch in der laufenden Legislaturperiode beschlossen werden, so das Ministerium zu ORF.at. Auch vonseiten der ÖVP hieß es, dass man „bemüht“ sei, das Gesetz so rasch wie möglich auf den Weg zu bekommen.

Das ist nicht nur ein Thema innerhalb der ÖVP-Grünen-Koalition sondern auch mit den Ländern, da das Gesetz in die Länderkompetenzen eingreift. So sollen etwa laut Ministerium zusätzliche Prüfungen von Orts- und Landschaftsbild wegfallen. Viel Zeit bleibt nicht: Die Novelle der EU-Richtlinie RED III trat im November vergangenen Jahres in Kraft. Innerhalb von 18 Monaten muss sie in nationales Recht umgesetzt werden, einige Punkte müssen schon bis Juli stehen.

Potenzial bei Doppelnutzung

Der PV-Experte Mayr hat einen pragmatischen Zugang: „Das EABG brächte sicherlich gewisse Erleichterungen, aber die Branche kann nicht darauf warten und muss sich ständig weiterentwickeln.“ Er sieht viel Potenzial bei der möglichen Doppelnutzung mit PV-Anlagen etwa in der Landwirtschaft, bei Bahnsteig- und Parkplatzüberdachungen, aber auch bei Lärmschutzflächen bei Autobahnen. Hier gebe es „viel Potenzial, aber auch Entwicklungsbedarf“. Viele Konflikte seien mit technischen und organisatorischen Lösungen beizulegen.

Mayr: „Es braucht eine Balance zwischen dem optimalen Strom- und Feldertrag.“ PV wirke auf Feldern etwa durch Beschattungen, die positiv für den Ertrag sind. Die Anforderungen können aber je nach Weidehaltung oder Ackerbau unterschiedlich sein. Das AIT arbeitet mit der Universität für Bodenkultur (BOKU) an einer idealen Bepflanzung bei PV-Anlagen. Denn bei PV-Projekten müsse auch Biodiversität und Naturverträglichkeit berücksichtigt werden.

PV-Anlagen in Freiflächen sind ein Kompromiss, der Kriterien brauche, sieht auch Energieexpertin Jasmin Duregger bei Greenpeace einen Balanceakt zwischen Klima- und Naturschutz. So dürfen etwa bei der Wartung von Anlagen keine Chemikalien verwendet werden, es brauche Bepflanzung rund um die Anlage und ausreichend freie Fläche für Wildtierkorridore. Es sei aber problematisch, wenn wegen der Frage nach dem Landschaftsbild erneuerbare Energie reduziert wird. Duregger: „Wir bevorzugen den PV-Ausbau auf versiegelten Flächen, aber wir werden an Freiflächen nicht vorbeikommen.“