Ein zerstörtes Auto der World Central Kitchen
Reuters/Ahmed Zakot
NGO-Mitarbeiter getötet

Druck auf Israel in Gaza-Krieg steigt

Der Tod von sieben NGO-Mitarbeitern im Gazastreifen durch einen israelischen Luftangriff hat international umgehend deutliche Kritik an Israel ausgelöst. Israel räumte den Angriff indirekt ein, drückte der NGO World Central Kitchen (WCK) ihr tiefes Bedauern aus und kündigte eine rasche und hochrangige Untersuchung an.

EU-Chefdiplomat Josep Borrell verurteilte den Luftangriff. Er würdige die Mitarbeiter und dränge auf eine Untersuchung, schrieb der EU-Außenbeauftragte am Dienstag auf der Plattform X (ehemals Twitter). „Trotz aller Forderungen zum Schutz von Zivilisten und humanitären Helfern gibt es neue unschuldige Opfer.“

Das zeige, dass die Resolution des UNO-Sicherheitsrates, in der ein sofortiger Waffenstillstand, ein uneingeschränkter humanitärer Zugang und ein verstärkter Schutz der Zivilbevölkerung gefordert werden, unverzüglich umgesetzt werden müsse, schrieb Borrell weiter. Mit der völkerrechtlich bindenden Resolution – die USA hatten erstmals kein Veto eingelegt – hatte das mächtigste Gremium der Vereinten Nationen Ende März zudem die umgehende und bedingungslose Freilassung aller von der Hamas festgehaltenen Geiseln verlangt.

Konvoi war klar gekennzeichnet

Unter den Todesopfern befinden sich laut WCK neben einem getöteten Palästinenser NGO-Mitarbeiter aus Australien, Polen, Großbritannien und Mitarbeiter mit Doppelstaatsbürgerschaft, darunter der kanadischen und der US-amerikanischen. Die Mitarbeiter fuhren laut WCK in einem Konvoi von zwei gepanzerten Fahrzeugen, die mit einem WCK-Logo gekennzeichnet waren, und einem weiteren Fahrzeug. Obwohl die Fahrtroute mit der israelischen Armee koordiniert worden sei, sei der Konvoi angegriffen worden, als dieser das Lagerhaus in Deir al-Balah, einer Stadt im Zentrum des Gazastreifens, verließ.

Der polnische Außenminister Radoslaw Sikorski zitierte den israelischen Botschafter in Warschau zu sich, um den tödlichen Vorfall zu erklären. Dieser habe ihm rasche Ergebnisse der Untersuchung versprochen, so Sikorski. Sikorski sprach der Familie des getöteten polnischen WCK-Mitarbeiters „und allen zivilen Opfern im Gazastreifen“ sein Beileid aus. Der spanische Regierungschef Hugo Sanchez forderte ebenfalls eine rasche Untersuchung des Vorfalls. Der jordanische König Abdallah verurteilte den Angriff und betonte, Hilfe für die notleidende Zivilbevölkerung in Gaza müsse ermöglicht werden.

Australien: „Hätte niemals passieren dürfen“

„Das ist eine Tragödie, die niemals hätte passieren dürfen“, hatte als Erster der australische Premier Anthony Albanese auf den mutmaßlich fehlgeleiteten israelischen Angriff reagiert. Seine Regierung habe Israels Regierung wegen des Vorfalls, der „außerhalb aller vernünftigen Umstände“ geschehen sei, direkt kontaktiert. Auch US-Außenminister Antony Blinken forderte Israel zu einer „schnellen, gründlichen und unabhängigen“ Untersuchung auf. Humanitäre Helfer müssten geschützt werden.

Netanjhau drückt tiefes Bedauern aus

Israels rechtspopulistischer Regierungschef Benjamin Netanjahu sprach von einem „unbeabsichtigten und tragischen“ Vorfall, ohne diesen direkt zu benennen. Israels Armeesprecher Daniel Hagari sprach von einem „Zwischenfall, der zum tragischen Tod von sieben Mitarbeitern“ von WCK geführt habe. Die Organisation sei von zentraler Bedeutung in der Versorgung der Zivilbevölkerung – angesichts des Krieges und der von Israel weiter stark beschränkten Einfuhr von Lebensmitteln.

Er habe mit WCK-Gründer Jose Andres telefoniert und ihm sein tiefes Bedauern ausgesprochen. Zugleich betonte Hagari, die Armee habe eine hochrangige Untersuchung in die Wege geleitet. Ein erstes Ergebnis könnte noch am Dienstag präsentiert werden, berichteten israelische Medien.

NGO-Mitarbeiter tot: Druck auf Israel in Gaza-Krieg steigt

Der Tod von sieben NGO-Mitarbeitern im Gazastreifen durch einen israelischen Luftangriff hat international umgehend deutliche Kritik an Israel ausgelöst. Die Armee räumte den Angriff indirekt ein, drückte der NGO World Central Kitchen (WCK) ihr tiefes Bedauern aus und kündigte eine rasche und hochrangige Untersuchung an.

WCK: „Das ist unverzeihlich“

World Central Kitchen habe „mehrere unserer Schwestern und Brüder verloren“, hatte Andres, ein in den USA lebender Starkoch, zuvor auf X (Twitter) erklärt. In einer Erklärung der Organisation hieß es, die Helfer seien getötet worden, „während sie arbeiteten, um unsere humanitäre Arbeit der Lieferung von Lebensmitteln nach Gaza zu unterstützen“. Das sei nicht nur ein Angriff auf WCK, sondern „ein Angriff auf humanitäre Organisationen, die unter schwierigsten Umständen arbeiten, dort, wo Essen als Kriegswaffe eingesetzt wird“, so WCK-Chef Erin Gore. Das sei „unverzeihlich“.

WCK-Gründer Andres forderte die israelische Regierung auf, das „wahllose Töten“ zu stoppen. „Sie muss aufhören, humanitäre Hilfe einzuschränken, aufhören, Zivilisten und Helfer zu töten, und aufhören, Lebensmittel als Waffe einzusetzen.“ WCK kündigte an, die Arbeit vorerst auszusetzen.

World Central Kitchen betreibt im Gazastreifen zusammen mit örtlichen Partnern Gemeinschaftsküchen, die Mahlzeiten für die palästinensische Bevölkerung zubereiten. Derzeit beteiligt sich die Organisation auch an Hilfslieferungen, die seit März von Zypern aus über das Meer in das Kriegsgebiet gelangen.

Karte zeigt Deir al-Balah im Gazastreifen
Grafik: APA/ORF; Quelle: ISW

Treffen zu Rafah-Offensive in kommenden Tagen

Der tödliche Vorfall könnte sich auch auf die derzeit laufenden Verhandlungen um einen Geiseldeal auswirken. Israel zumindest mutmaßte bereits in der Vergangenheit, dass stärkerer internationaler Druck auf Israel die Terrororganisation mehrmals dazu bewog, eine härtere Position einzunehmen. Zuletzt sei das nach israelischer Darstellung nach dem Beschluss der UNO-Resolution für eine sofortige Waffenruhe passiert. Die USA bestritten das freilich.

Vertreter der US-Regierung und von Israels Führung wollen unterdessen voraussichtlich kommende Woche bei einem Treffen über Israels geplante Bodenoffensive in der Stadt Rafah im Gazastreifen beraten. Die USA könnten den Vorfall verwenden, um ihre Warnungen an Israel vor der Bodenoffensive zu verstärken. Auch in Israel wurde von Beginn an ein Angriff, bei dem Ausländer zu Tode kommen, als Faktor, der Israel in der Kriegführung einschränken könnte, befürchtet.

Ein zerstörtes Auto der World Central Kitchen
Reuters/Ahmed Zakot
Auch auf dem Dach eines der Autos ist groß ein Logo angebracht, um es als Teil einer Hilfsaktion zu kennzeichnen.

Los der Binnenflüchtlinge als offene Frage

Hochrangige Vertreter beider Regierungen hatten per Videoschaltung über die von Israel geplante Bodenoffensive in Rafah beraten. In der gemeinsamen Erklärung hieß es, beide Seiten verfolgten das Ziel, die islamistische Hamas in Rafah im Süden des Gazastreifens zu besiegen. Die US-Regierung hält eine großangelegte Bodenoffensive in Rafah wegen der Hunderttausenden palästinensischen Zivilisten, die dort Schutz vor den Kämpfen gesucht haben, für falsch und möchte Israel Alternativen aufzeigen.

Allerdings haben die USA Israel eine Bodenoffensive nicht verboten. Grundbedingung aus Sicht Washingtons ist aber, dass zuvor die Zivilbevölkerung in Sicherheit gebracht wird. Es würde aber wohl auch vielen Hamas-Kämpfern und Führungskadern die Flucht – im Pulk mit der Zivilbevölkerung – ermöglichen. Unklar ist bisher aber vor allem, wohin die vielen Menschen gebracht werden und wie sie versorgt werden sollen.